KR wie Krefeld Turbulenzen um die Pinguine

Krefeld · Was für eine Ratssitzung: FDP-Chef Heitmann verteidigt sein "Sportpalast"-Wort, und man muss sich nun wirklich Sorgen machen um die Pinguine.

 Ein Fan der Pinguine im Seidenweberhaus bei der Ratssitzung am Donnerstagabend. Vom Oberrang hingen Fahnen herunter.

Ein Fan der Pinguine im Seidenweberhaus bei der Ratssitzung am Donnerstagabend. Vom Oberrang hingen Fahnen herunter.

Foto: Lothar Strücken

War das nun eine Stimmung wie im Sportpalast am Donnerstag im Rat? Das Wort, das FDP-Fraktionschef Joachim Heitmann in den Sinn kam, um die leidenschaftliche Anteilnahme Hunderter Eishockeyfans an der Sitzung zu charakterisieren, weckte Assoziationen an die schlimmste Phase der deutschen Geschichte: an die Nazi-Zeit samt Propaganda-Hetze im Berliner Sportpalast. Heitmann wollte sicher niemanden diskreditieren; zugleich ist der Vergleich nicht unplausibel: Es gehört zu den tiefen deutschen Erfahrungen, dass man Parlamente schützen muss vor dem Zugriff von außen. Die Bannmeile hat hier ihre Berechtigung: Abgeordnete sollen unbedrängt beraten und beschließen können. In der Rückschau darf man aber auch sagen: Der eigentliche Eklat des Abends lag weniger im Verhalten der Fans als im Verhalten der UWG-Ratsmitglieder Andreas Drabben und Ruth Brauers.

Heitmann hat seinen Vergleich gestern noch einmal begründet, und diese Begründung verdient es zitiert und bedacht zu werden. "Ratskollegen aus den hinteren Reihen", so Heitmann, "haben mir berichtet, dass sie sich von diesen lautstarken Besuchern bedrängt, ja sogar bedroht fühlten. Für mich drängten sich jedenfalls Bilder aus Wochenschauen auf, die aufgehetzte Massen zeigen. Wir müssen alle darauf achten, dass in Zukunft Ratssitzungen nicht in einer solch vergifteten Atmosphäre stattfinden. Mit "wir" meine ich nicht nur Politik und Verwaltung, sondern auch diejenigen bei KEV/Pinguinen, die verantwortliche Positionen haben und durchaus das Verhalten von Fans beeinflussen und lenken. Wutbürgerei zu organisieren, zumindest zustimmend zu dulden, um wirtschaftlichen Interessen eines Profisportvereins psychischen und physischen Nachdruck zu verleihen, ist ganz schlechter Stil."

Solche Turbulenzen in einer Ratssitzung sind in der Tat problematisch. Den meisten Rednern war anzumerken, dass sie kein Öl ins Feuer gießen, die Stimmung nicht anheizen wollten - jedes kritische Wort an die Adresse des Vereins wegen seiner Linie in den Verhandlungen um den Mietvertrag mit den Pinguinen war flankiert mit Beruhigung an die Adresse der Fans. Unterm Strich haben die Fans den Rat respektiert. Obwohl die Botschaft klar im Raum stand, dass das Schicksal ihres geliebten Sports auf Messers Schneide steht, sind sie diszipliniert abgezogen. Dennoch darf Heitmanns Einwurf nicht vom Tisch gewischt werden: Es ist immer eine Gratwanderung, solche Demonstrationen in einem Ratssaal zuzulassen.

Die wahre Entgleisung des Abends kam dann von Ratsmitgliedern. Als Ruth Brauers unaufgefordert Richtung Mikro ging, da waren demokratische Usancen viel mehr gefährdet als durch die Gesänge der Fans. Dass das Wort nach Regeln erteilt und nicht beliebig ergriffen werden darf, schützt gerade die Freiheit der Rede. Sicher darf man diese Szene nicht zu hoch hängen; Brauers ist neu im Rat und muss wohl noch ein Gespür dafür entwickeln, wo Grenzen erreicht sind. Das sollte sie allerdings schleunigst tun. Dieser Gang zum Mikro war im Kern undemokratisch - und nicht das, was Oberbürgermeister Kathstede tat, als er Brauers das Wort nicht erteilte. Kathstede hat in diesem Moment instinktsicher reagiert, auch in der Heftigkeit, mit der er den Saalverweis androhte.

Und die Pinguine? Mittlerweile muss man sich ernsthaft Sorgen machen. Es war schon auffällig, wie die überwältigende Mehrheit im Rat dem Eishockey-Verein bedeutete, dass es jetzt allein an ihm liegt. Von außen beurteilen kann man die inhaltlichen Details schlecht - jede Seite gibt der Öffentlichkeit immer nur Häppchen preis, um für die eigene Position zu werben. Wenn aber die überwältigende Mehrheit eines Rates so auf einer Linie liegt, dann kann man das nicht als Finte abtun. Wenn es denn stimmt, dass die Stadt den Pinguinen um bis zu 400 000 Euro entgegengekommen ist, wenn es dann immer noch nicht reicht zur Existenzsicherung des Vereins in der DEL, wenn unter der Hand die Rede davon ist, dass die Pinguine über Jahre säumige Zahler gegenüber der Seidenweberhaus GmbH waren - dann steht es ernst um den Verein.

Die Eishockey-Gemeinde sollte die Not mit dem Nothaushalt, die die Kommunalpolitiker umtreibt, wirklich ernstnehmen. Auch das war am Ende denkwürdig an dieser Ratssitzung: Die große Mehrheit im Rat hat den Fans reinen Wein eingeschenkt über den Ernst der Lage.

(vo)
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