Kr Wie Krefeld Über Abgrenzungsprobleme

Krefeld · Mehrfach hat die SPD in Krefeld die CDU in die Nähe zur AfD zu rücken versucht. Da wird auch umgekehrt ein Schuh draus: Hat die SPD in der Stadt ein Abgrenzungsproblem zu Erdogan, weil sie ihre türkischen Wähler nicht verprellen will? Ein Lehrstück über den Einsatz von Wahlkampfkeulen.

In Krefeld bürgert sich eine neue Wahlkampf-Waffe ein: die AfD-Keule. Krefelder SPD-Politiker haben wiederholt der Krefelder CDU vorgeworfen, sich nicht genügend von der AfD abzugrenzen; zuletzt in der Frage der doppelten Staatsbürgerschaft. Das ist nun gewagt; genauso könnte man der Krefelder SPD vorwerfen, ein Abgrenzungsproblem zu Erdogan zu haben. Immerhin drängen die Krefelder Sozialdemokraten weder die türkische Gemeinschaft in der Stadt noch ihre türkischen Parteimitglieder dazu, sich zum antidemokratischen Kurs des türkischen Staatspräsidenten öffentlich zu erklären.

Das hat gute Gründe. Die Krefelder SPD pflegt das Verhältnis zur türkischstämmigen Gemeinschaft sehr bewusst. Das geht soweit, dass die Sozialdemokraten regelmäßig ein Fastenbrechen veranstalten. Die SPD sagt: als Zeichen der Integration. Kritiker sprechen von Anbiederung. Immerhin zelebriert eine europäische, tief in der Aufklärung verankerte, säkular inspirierte Partei ein islamisches Ritual - von öffentlichen Weihnachtsfeiern oder der Pflege von Bräuchen aus anderen Religionen (es gibt auch Hindus in Krefeld) ist nichts bekannt. Nein, es geht bei der Zuwendung zur türkischen Gemeinde nicht nur um Integration, sondern auch um Wählerstimmen. Und wenn sich die SPD für ein kommunales Wahlrecht einsetzt, dann auch deshalb, weil sie sich davon Stimmen verspricht.

So wird erklärbar, warum türkische Funktionsträger innerhalb der SPD beim Thema Erdogan ungehindert abtauchen und ohne kritische Nachfrage dafür plädieren können, man solle sich doch auf die Dinge vor Ort konzentrieren. Die SPD schweigt dazu, weil sie keine türkischen Wähler verprellen will.

Dazu kommt etwas Grundsätzliches: Was die doppelte Staatsbürgerschaft angeht, so nährt ja gerade die Debatte um Erdogans Referendum die Zweifel daran, dass die doppelte Staatsbürgerschaft die Integration befördert. Eigentlich steht die deutsche Öffentlichkeit doch bestürzt davor, dass es Türken gibt, die hier einerseits die Demokratie leben und einklagen, wenn die eigene Religionsausübung in Gefahr ist - und es andererseits gut finden, wenn Erdogan in der Türkei die Demokratie demontiert. Die Demokratie nur nutzen, wenn es opportun ist - die Krefelder SPD rührt nicht an diesem Widerspruch. Hat sie also ein Abgrenzungsproblem zu Erdogan?

Unsinn. Hat sie natürlich nicht. Die älteste demokratische Partei Deutschlands ist erhaben über den Verdacht, Verächtern der Demokratie nahezustehen. Genauso wenig hat die CDU ein Abgrenzungsproblem zur AfD, wenn sie das kommunale Wahlrecht ablehnt und die doppelte Staatsbürgerschaft kritisch sieht. Die Gretchenfrage der Staatsbürgerschaft ist, wem gegenüber man loyal ist. Wirklich loyal. Diese Frage hat die Erdogan-Wahl nun mal neu aufgeworfen. Wer sie stellt, ist kein Rechtspopulist.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort