Krefeld Uerdinger Heimatbund zieht ins Bügeleisenhaus

Krefeld · Die Einrichtung ist in ihr neues Domizil am Zollhof eingezogen. Die Renovierungsmaßnahmen erstreckten sich über gut drei Jahre.

 Spielzeug: eine Dröppelminna für eine Puppenstube - spöttisch so genannt, weil der Hahn ewig tröpfelte.

Spielzeug: eine Dröppelminna für eine Puppenstube - spöttisch so genannt, weil der Hahn ewig tröpfelte.

Foto: Jens Voss

Große Freude in Uerdingen: Nach der in den ersten Tagen des neuen Jahres erfolgten Bauendabnahme hat der Uerdinger Heimatbund sein neues Domizil im "Bügeleisenhaus" am Zollhof bezogen. Ein leichter Geruch nach frischer Farbe durchzieht noch die Räume, in denen der Heimatbund auf zwei Etagen seine Exponate zur jüngeren Geschichte der 1929 nach Krefeld eingemeindeten Rheinstadt ausgestellt hat. Die Heizung spendet wohltuende Wärme zu dem Treffen der Aktiven des Heimatbundes, die sich im Erdgeschoss um den geräumigen Konferenztisch versammelt haben. Elmar Jakubowski, der langjährige Vorsitzende des Uerdinger Heimatbundes, ist immer wieder aufs Neue fasziniert, was die Aktiven des 1000 Mitglieder zählenden Heimatbundes zusammen mit vielen engagierten Handwerkern, der Uerdinger Großindustrie und einer renommierten Baufirma seit dem November 2014 aus der heruntergekommenen ehemaligen Gaststätte gemacht haben: "Als wir das Gebäude übernahmen, fiel der Putz von den Wänden, die Installation verlor überall Wasser. Die Elektro-Installation musste völlig neu gemacht werden, die Sanitärräume waren unbenutzbar, da die alten gusseisernen Rohre marode und verstopft waren und kein Gefälle mehr hatten. Neu gezogene Wände sichern den Brandschutz." Jakubowski dankte nochmal allen Beteiligten: "Alleine hätte der Heimatbund diesen Kraftakt nicht leisten können. Aber wen wir auch um Hilfe gebeten haben, der hat uns geholfen."

Das renovierte "Bügeleisen" liegt am Rande der Altstadt mit vielen denkmalgeschützten Häusern. Es ist zwar kein ausgesprochenes Baudenkmal, doch das bügeleisenartig spitz zulaufende und durch zwei Gebäude aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zusammengesetzte Haus prägt mit seiner originellen Architektur das Bild um den Zollhof.

 Ein Saftpresse - 100-prozentig energiesparend und CO2-neutral.

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Foto: Jens Voss

Der Uerdinger Marktplatz mit den Herbertzhäusern und dem alten Rathaus gehört zu den schönsten Marktplätzen am Niederrhein. So verwundert es nicht, dass Uerdingen sich das Gefühl einer eigenen Identität erhalten hat. Darum bemüht sich der Uerdinger Heimatbund, der am 3. Februar 1925 als "Verein für Heimatkunde in Uerdingen" zum Erhalt der Uerdinger Martinszüge gegründet worden ist und seine Satzung später auf die Pflege allgemeinen Brauchtums umschrieb. Am 19. Oktober 1946 benannte er sich in "Uerdinger Heimatbund" um und bezog sich nunmehr auf alle Ereignisse, die in Uerdingen passierten. Der Verein unterhält Arbeitskreise für Denkmalpflege, Pflege der Uerdinger Mundart. Rosemarie und Dieter Rehbein, die der Landschaftsverband Rheinland in diesem Jahr mit dem Rheinlandtaler auszeichnen wird, geben zweimal im Jahr die "Uerdinger Rundschau" als aufwendig recherchiertes Organ des Heimatbundes heraus. Nach dem Einzug in das "Bügeleisen" wird der Heimatbund seine Stadtführungen intensivieren, in die er auch die Krefelder Stadtteile Linn und Hüls sowie das Haus der Seidenkultur einbezieht. Mit der Partnerstadt Venlo und der dortigen Heimat-Stichting wurde Kontakt aufgenommen zu einem gemeinsamen Heimattag in Uerdingen.

Nach dem Umzug aus dem Brempter Hof in das neue Haus kann der Heimatbund endlich die Schätze seines Archivs in angemessener Form der Öffentlichkeit vorstellen. Zu den ältesten Exponaten zählen eine Zunftlade der sieben Uerdinger Zünfte aus dem Jahre 1684 sowie die Zunftlade der Grobschmiede, Schlosser, Nagelschmiede, Kupferschläger und Sporenmacher.

 Diese Geige hat ein Uerdinger aus Brettern amerikanischer Herkunft gebaut, der in französische Kriegsgefangenschaft geraten war.

Diese Geige hat ein Uerdinger aus Brettern amerikanischer Herkunft gebaut, der in französische Kriegsgefangenschaft geraten war.

Foto: Jens Voss

In einer Regalecke liegt eine grauschwarze Kanonenkugel. Die Aufschrift daneben gibt eine Nachricht des Uerdinger Anzeigers vom 27. Oktober 1884 wieder: "Bei den Canalisationsarbeiten in der Burgstraße wurde eine Kanonenkugel ausgegraben. Diese befindet sich jetzt auf dem Rathaus."

 Die Bibliothek stammt als geschlossene Hausbibliothek aus dem Herbertzhaus und spiegelt den Bildungsstand um 1800 wider. Neben auffällig vielen theologischen Werken gehören eine Herder-Ausgabe und eine mehrbändige "Erdbeschreibung" zum Bestand.

Die Bibliothek stammt als geschlossene Hausbibliothek aus dem Herbertzhaus und spiegelt den Bildungsstand um 1800 wider. Neben auffällig vielen theologischen Werken gehören eine Herder-Ausgabe und eine mehrbändige "Erdbeschreibung" zum Bestand.

Foto: vo
 Eine Kanonenkugel - sie stammt aus dem 30-jährigen Krieg.

Eine Kanonenkugel - sie stammt aus dem 30-jährigen Krieg.

Foto: Jens Voss
 Im Obergeschoss des Bügeleisenhauses: Dieter Rehbein, Elmar Jakubowski und Reinhold Deutzmann (v.l.) vom Uerdinger Heimatbund. Das Gemälde im Hintergrund zeigt Balthasar Herbertz, einem Erbauer der Herbertzhäuser.

Im Obergeschoss des Bügeleisenhauses: Dieter Rehbein, Elmar Jakubowski und Reinhold Deutzmann (v.l.) vom Uerdinger Heimatbund. Das Gemälde im Hintergrund zeigt Balthasar Herbertz, einem Erbauer der Herbertzhäuser.

Foto: RP-Fotos (2). T.L.
 Beispiel für Wohnkultur aus dem 19. Jahrhundert: Diese Löwenfigur ist ein Treppenpfosten aus dem Haus Rheintor 10 der Bürgermeisterfamilie Kreitz. Das schöne Gebäude ist links oben auf dem Gemälde gleich rechts neben der Kirche zu erkennen. Es wurde im Krieg zerstört.

Beispiel für Wohnkultur aus dem 19. Jahrhundert: Diese Löwenfigur ist ein Treppenpfosten aus dem Haus Rheintor 10 der Bürgermeisterfamilie Kreitz. Das schöne Gebäude ist links oben auf dem Gemälde gleich rechts neben der Kirche zu erkennen. Es wurde im Krieg zerstört.

Foto: Jens Voss
 Uerdingen 1855: Rückkehr von erfolgreichen Uerdinger Sängern von einem Sangeswettbewerb in Köln. Das Ölgemälde entstand 1857.

Uerdingen 1855: Rückkehr von erfolgreichen Uerdinger Sängern von einem Sangeswettbewerb in Köln. Das Ölgemälde entstand 1857.

Foto: Jens Voss

Ein Geigenkasten lenkt den Blick auf eine Geige. Der Originalbeleg dazu gibt folgenden Text wider: "Urkunde für Gerhard Clemens. Diese Violine wurde von ihm in der Kriegsgefangenschaft in der Zeit von Januar bis März 1945 mit einem breigeschlagenen Nagel hergestellt. Und mit Glasscherben nachgearbeitet. - Das Holz stammt von amerikanischen Versorgungskisten. Die beschriftete Einlage in der Violine wurde diesem Bogen entnommen. Dies bezeugen folgende Kameraden" (Es folgen 18 Unterschriften und die Datumsangabe). Die wohl berühmtesten Uerdinger Unternehmerfamilien hatten die Vettern Herbertz und Herberz gegründet. Zur besseren Unterscheidung führte die Familie von Peter Martin Ignatz Herbertz ein "t" in ihrem Namen. Bei der napoleonischen Besetzung Uerdingens hatte sich dieser als Freund der Franzosen dargestellt und war alsbald nach 1798 auch "Maire" (Bürgermeister) Uerdingens. Seine Tagebücher und sonstigen Aufzeichnungen warten darauf, im Rahmen einer Promotion ediert zu werden. Johann Balthasar Herberz umfangreiche Bibliothek gelangte vollständig in den Besitz des Heimatbundes. Sie repräsentiert das in einem bürgerlichen Haushalt vorhandene Wissensinteresse.

(RP)
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