Krefeld Unesco Jazz Day: Das Prinzip Stucky hat die Frische verloren

Krefeld · Zum 4. International Jazz Day, der jährlich am 30. April von der Unesco ausgerufen ist, hatten der Jazzklub Krefeld und das Kulturbüro in die Burg Linn geladen. Vor ausverkauftem Rittersaal eröffnete das Uri Gincel Trio den Abend. Pianist Gincel aus Israel, der Däne Andreas Lang am Kontrabass und der Schlagzeuger Moritz Baumgärtner aus Baden fanden sich 2009 in Berlin. Handwerklich hochkarätig und mit der richtigen Balance zwischen professioneller Souveränität und glühender Leidenschaft, zeigten sie ein solides Verständnis von Bebop, hatten zudem begriffen, was Blues ist, und verarbeiteten mit ansteckender Spielfreude auch Inspirationen aus levantinischer Folklore, Chanson, Musical, aus Kuba und von Claude Debussy. Auch ein Titel von Lisa Bassenge, zusammengestrickt aus dem alten "St. James Infirmary" und dem Rare-Bird-Hit "Sympathy", war dabei. Die Band indes verdiente sich den stürmischen Applaus und die Zugabe redlichst.

Auch Erika Stucky und ihre Begleiter, Multi-Instrumentalist Terry Edwards (Sax, Pocket-Trompete, E-Gitarre, E-Bass, Keyboard) und Schlagzeuger Lucas Niggli, boten den Hörern viel Gelegenheit, in ihrem musikalischen Gedächtnis zu kramen. Zunächst kam "Spidergirl" - so der Titel ihrer gegenwärtigen Show - tanzend und unter Absingen einer afrikanisierenden Vokalise wie eine Voodoo-Priesterin mit Comic-Maske auf die Bühne und nahm ihren Platz vor einer Leinwand ein, von der sie das ganze Set über mit ihrer eigenen Silhouette bespiegelt wurde. Was folgte, klang in der hochklassig agierenden Zwei-Mann-Band wie eine Verschmelzung von Velvet Underground mit Sounds mal von Tom Waits, mal von den Beatles, mal aus Country & Western, mal aus Blues und ganz selten auch aus Jazz. Ebenso bunt war der Salat aus Erinnerungsschnipseln an diverse Sänger, den Stucky servierte: Nico (Velvet Underground), Mariska Veres (Shocking Blue), Miriam Makeba, Melanie Safka, Nancy Sinatra, Shirley Bassey, Björk und Jim Morrison klangen an. Aus Brenda Lees Hit "I'm Sorry" glitt sie nahtlos in Lennon/McCartneys "Oh! Darling". Meist verzichtete sie auf Text oder gab zusammenhanglose Fragmente von sich wie im Schlaf. Alles großartig gesungen, aber wozu das Ganze? Es war keine Hommage, keine Persiflage und schon gar kein Jazz. Viele zeigten sich fasziniert wie eh, doch das einst so erfrischende, interkulturelle Prinzip Stucky ist seiner Schöpferin zu Kopfe gestiegen und zum Selbstzweck verkommen, was einige Gäste auch böse machte.

(RP)
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