Krefeld Union Krefeld - ein Sportplatz wird zum Mythos

Krefeld · Das Jahr 1919 stand noch ganz im Schatten des Ersten Weltkriegs, der viele Opfer forderte. Ablenkung tat für die Menschen Not. Einige Krefelder fanden sie in ihrem Sportverein. Der BV Union Krefeld baute in der unmittelbaren Nachkriegszeit seinen ersten eigenen Fußballplatz an der Baumwollspinnerei - später kam eine ganz tolle Holztribüne Marke Eigenbau hinzu.

 1936: Der BV Union Krefeld empfängt den VfB Speldorf zu einem Heimspiel auf dem Sportplatz an der Baumwollspinnerei mit der 1927 eröffneten selbst gebauten Tribüne aus Holz.

1936: Der BV Union Krefeld empfängt den VfB Speldorf zu einem Heimspiel auf dem Sportplatz an der Baumwollspinnerei mit der 1927 eröffneten selbst gebauten Tribüne aus Holz.

Foto: Thomas lammertz

Eine sportliche Heimat fehlte dem 1905 aus einer Fusion hervorgegangenen Ballspielverein Union Krefeld in den ersten Jahren. Mit Hilfe eines Darlehens der Stadt Krefeld und der Unterstützung der Direktion der Crefelder Baumwollspinnerei, die ein Gelände in unmittelbarer Nähe des damals größten Unternehmens in der glorreichen niederrheinischen Textilindustrie zur Verfügung stellte, bauten die Mitglieder ihren eigenen Fußballplatz. Die Baumwollspinnerei, die bis zu 1350 Menschen in Lohn und Brot hatte, ist längst Geschichte. Die imposanten Gebäude seit 40 Jahren abgerissen. Der Verein BV Union Krefeld ist immer noch da, hat die sportlich glanzvollen Zeiten allerdings schon länger hinter sich.

Die erste Mannschaft der BV Union Krefeld 1929/30. Baumwollspinnerei und Tribüne sind im Hintergrund zu sehen.

Die erste Mannschaft der BV Union Krefeld 1929/30. Baumwollspinnerei und Tribüne sind im Hintergrund zu sehen.

Foto: Lammertz Thomas

Im August 1919 eröffnete der Verein den Sportplatz. In einer Festschrift zum 100-jährigen Bestehen heißt es, "nach langem Suchen konnten die Mitglieder ein ödes Gelände hinter der Baumwollspinnerei finden. Monatelang wurde von früh bis spät gearbeitet, um die Anlage herzurichten". Ein Sportjournalist schrieb, "es ist für einen Sportverein wahrlich kein Kleines, in der Jetzt-Zeit, wo Bau- und Materialkosten fast eine schwindelerregende Höhe erreicht haben", ein solches Vorhaben zu realisieren. "Stolz darf der Verein auf diese Mitglieder blicken, die neben großer Opferbereitschaft für den Verein auch praktische Arbeit geleistet haben."

Werner Mickerts ist der Experte für die Historie der BV Union Krefeld.

Werner Mickerts ist der Experte für die Historie der BV Union Krefeld.

Foto: Lammertz Thomas

Einige Jahre später nahm der Krefelder Arbeiterverein ein neues Großprojekt in Angriff. Die Mitglieder bauten mit viel handwerklichem Geschick eine ansehnliche Tribüne aus Holz, die Platz für 500 Personen bot. Mit einer Partie gegen die Spielvereinigung Oberhausen wurde der Stolz des Vereins offiziell eröffnet. Das war am 7. Oktober 1927. Der nächste Höhepunkt stand schon bevor. Zum Jubiläum empfing BV Union einen noch viel berühmteren Arbeiterklub - den FC Schalke 04, der in den Folgejahren sechsmal Deutscher Meister wurde.

In Krefeld traten die Königsblauen mit all den Stars ihrer Zeit an. Otto Tibulski, Ernst Kuzorra und Fritz Szepan prägten mit dem Schalker Kreisel den modernen Fußball. Der Ball flitzte von Mann zu Mann durch die eigenen Reihen, bis sich die Chance zum Torerfolg ergab. Die Krefelder, die wegen des großen Andrangs in die Grotenburg ausgewichen waren, schlugen sich wacker und unterlagen nur 2:5. Das Vereinsleben florierte.

Dann begann der Zweite Weltkrieg. Am 4. Oktober 1944 wurde der Sportplatz durch Bomben zerstört. Feuer vernichtete die Tribüne. "In einigen Haushalten im Krefelder Süden wurden die Holzreste zum Heizen in den Öfen verfeuert", berichtet der 80-jährige Werner Mickerts, der in 17 Bänden und auf mehr als 15.000 Seiten die Vereinsgeschichte des BV Union Krefeld von 1905 dokumentiert hat. Die im Stadtarchiv hinterlegte Sammlung vermittelt auch ein Stück Krefelder Sozialgeschichte.

Und erneut war es die Initiative sportbegeisterter Vereinsmitglieder. Unter der Leitung des damaligen Platzwartes Franz Seffnik wurde die Spielstätte erneut hergerichtet und für den Spielbetrieb vorbereitet. Eine eingemauerte Urne enthält die Namen aller im Krieg gestorbenen Vereinsmitglieder. Als Union Ostern 1949 vor 16.000 Zuschauern erneut auf den FC Schalke 04 traf, zeichnete sich schon ab, dass die besten Jahre bevorstehen sollten. Die Krefelder siegten mit 4:0. Ein gutes Jahrzehnt des Vertragsfußballs stand bevor, in dem Union gegen alle möglichen Vereine antrat, die im deutschen Fußball einen guten Klang hatten und immer noch haben. Borussia Mönchengladbach, 1. FC Köln, Bayern München, Alemannia Aachen, Eintracht Braunschweig und viele mehr seien genannt. Krefelder Kickernamen standen im Notizbuch des berühmtberüchtigten Nationaltrainers Sepp Herberger. Einige machten Profikarrieren bei Fortuna Düsseldorf und der Gladbacher Borussia. Hansi Baum, Hermann Wefels, Edi Wichmann, Heini und Gerhard Jansen stehen für den sportlichen Höhenflug des BV Union Krefeld, der in der Saison 1959/60 das Kapitel Vertragsfußball sportlich endgültig beenden musste. Es konnte nicht profihaft trainiert werden. Der Platz an der Bauwollspinnerei hatte kein Flutlicht. Damit die Akteure in der Abenddämmerung den Ball erkennen konnten, wurde die damals noch schwere Lederpille mit weißer Farbe angestrichen.

(sti)
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