Krefeld Unter Piraten

Krefeld · Bundesweit liegt die Partei in Umfragen bei acht Prozent. Das spürt auch die Parteibasis. Beim jüngsten Treffen der Krefelder Piratenpartei stießen Dutzende Interessierte dazu. Ein Stammtischreport.

 Parteipolitik bei Kerzenschein: Zum Stammtisch der Seidenstadt-Piraten am Donnerstagabend kamen mehr als zwei Dutzend Neugierige, die mehr über die Piraten erfahren wollten.

Parteipolitik bei Kerzenschein: Zum Stammtisch der Seidenstadt-Piraten am Donnerstagabend kamen mehr als zwei Dutzend Neugierige, die mehr über die Piraten erfahren wollten.

Foto: Thomas Lammertz

Kurz nach 19 Uhr, die Vorstellungsrunde läuft. Da ist zum Beispiel die 23-jährige Lehramtsstudentin. "Ich hoffe, dass wir heute auch über das Thema Bildung sprechen", sagt sie. Da ist der 27-jährige Mann, der schon häufiger die Piraten gewählt hat. "Bevor es die Piraten gab, gab es ja keine Alternative.

Die Piraten sind auch eine Partei für Nichtwähler." Da ist der Maschinenbautechniker Ende 30, der sich früher mal in der WSAG engagiert hat — "bevor die von der Linken geschluckt wurde" — und der Lust hat, "auf lokaler Ebene was zu bewegen". Da ist der 62-Jährige, der schon mit EDV zu tun hatte, als die Mitglieder der Piraten noch gar nicht auf der Welt waren. "Ich habe noch Löcher in die Lochkarten gestanzt."

"So voll wie heute war es noch nie"

Und da ist Brian Zurek (23), heute Mitglied der Crew der Seidenstadt-Piraten, früher mal Nichtwähler. "So voll wie heute war es hier noch nie", sagt der Student und nippt an einem alkoholfreien Weizenbier. An jedem zweiten Donnerstag eines Monats treffen sich die Krefelder Piraten in "Jules Papp" an der Königstraße zum Stammtisch. "Normalerweise haben wir hier immer nur einen kleinen Tisch." Jetzt aber reicht der Platz nicht aus. Und nach der Vorstellrunde kommt: die zweite Vorstellrunde, weil zwischenzeitlich noch mehr Neugierige zu dem Stammtisch der Piraten gekommen sind.

Die Neuen können dann gleich mal erleben, wie das mit der viel gepriesenen Transparenz der Piraten in der Praxis funktioniert, "denn eigentlich haben wir gerade noch Crew-Sitzung, der Stammtisch beginnt erst um 20 Uhr", erklärt Zurek. "Was ist eine Q-Sitzung?", fragt einer der Neuen. "Nein, nicht Q. Crew!", erklärt ihm jemand. Das ist das, was bei den etablierten Parteien der Parteivorstand ist.

Ausgerechnet heute stehen Wahlen an. Denn wie weiland bei den Grünen setzen auch die Piraten aufs Rotationsprinzip. Die Sprecher der Crew dürfen nur drei Monate im Amt bleiben. Da die Krefelder Crew aus vier Leuten besteht, sind nun also die beiden anderen dran. Alle vier Crewmitglieder sind dafür. Gegenstimmen gibt es keine. Dann muss noch über die Neuaufnahme eines Crewmitglieds abgestimmt werden. "Wer ist dafür, dass die Caro in die Crew reinkommt?", fragt Zurek. Vier sind dafür, es gibt keine Gegenstimmen und keine Enthaltungen. Gratulation! Crewmitglied Purodha Blissenbachstellt den Antrag, den Stammtisch wegen des großen Interesses ab sofort alle zwei Wochen statt alle vier Wochen abzuhalten. Keine Gegenstimmen.

Die Sitzung ist geschlossen, der Stammtisch kann beginnen. Zurek zählt auf, über was gesprochen werden kann: "Der Landesparteitag der Piraten, der Brief der Krefelder Schulen an die Politiker, Behindertenparkplätze, Abriss des Seidenweberhauses,.."

Doch die mehr als 30 Leute passen gar nicht alle an einen Tisch. Also werden mehrere Gruppen gebildet. Eine für die, die mehr über die Piraten erfahren wollen. Und eine für die, die über lokale Politik diskutieren möchten. "Habt Ihr ein Positionspapier mit lokalpolitischen Themen?", fragt einer aus der Gruppe, die mehr über die Piraten erfahren wollen. Nein, entgegnet Zurek. "Wir haben uns ja erst vor zwei Jahren gegründet, mussten uns erstmal als Gruppe finden, wollten vor allem bekannter werden."

Damals hatten die Krefelder Piraten die Idee, den Von-der-Leyen-Platz in Zensursula-Platz umzubenennen, wegen der Bemühungen von Ursula von der Leyen um Internetsperren. Später kam der Landtagswahlkampf. 1,45 Prozent holten die Piraten in Krefeld.

"Habt Ihr ein Thesenpapier?"

Nun ist das Interesse der Krefelder da, aber wofür stehen die Seidenstadt-Piraten genau? "Wir fangen jetzt an, Lokalpolitik zu machen", sagt Zurek. Die Inhalte sollen ja nebenan besprochen werden, am Tisch für lokale Themen. Doch da sitzen nur Neue, kein Crewmitglied der Piraten. Einer der Neuen: Matthias Melcher von der Weinbrennerei Dujardin. Eigentlich sei er am liebsten parteilos, sagt er. "Spannend finde ich, dass die Piraten sehr liberale Themen haben, aber gleichzeitig eine Idee wie das bedingungslose Grundeinkommen unterstützen." Dass die Seidenstadt-Piraten noch keine lokalpolitischen Positionen haben, erstaunt viele. "Beim nächsten Mal ist bestimmt nur noch die Hälfte der Leute da", glaubt Melcher.

Auch Michael Höhne-Pattberg ist in Jules Papp gekommen. Er hat vor 26 Jahren die Krefelder Grünen mitgegründet. Grün sind er und die Partei sich nicht mehr. Verlief die Anfangsphase der Grünen ähnlich wie der Piraten-Stammtisch? "Wir waren jünger. Und die Grünen hatten ein Anliegen, ein Ziel. Wir waren die Alternative."

(RP)
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