Krefeld Unterwegs mit den Pilzexperten

Krefeld · Seit 30 Jahren kartiert die Arbeitsgemeinschaft Pilzkunde Niederrhein (APN) das Aufkommenheimischer Großpilze. Sie hat noch viel Arbeit vor sich, denn es gibt 6000 Pilzarten in Mitteleuropa.

 Experte Karl Wehr kennt sich mit Pilzen aus.

Experte Karl Wehr kennt sich mit Pilzen aus.

Foto: Lammertz, Thomas

Der Tisch des Gruppenraums im Umweltzentrum Hülser Berg ist bedeckt mit Mikroskopen, Lichtlupen, Seziermesserchen und Büchern. Dazwischen liegen die Schalen mit grauen, braunen, weißen und roten Pilzen aller Größen und Formen, die die zehn Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Pilzkunde-Niederrhein (APN) am Wochenende aufgelesen haben.

Das Gruppentreffen an diesem Montagabend dient der genauen Bestimmung. Karl Wehr hält die unscheinbaren Schirmpilzchen unter die Nase und macht eine intensive Geruchsprobe. "Pilze verströmen jeden Geruch, den man sich vorstellen kann", sagt der Chemiker Wehr, der die Gruppe organisiert. Dann fällt er sein Urteil: "Richt nach Leuchtgas."

Jürgen Schnieber untersucht die Lamellen des Pilzchens. Er schneidet ein Stück aus dem Hut und untersucht die Lamellenfärbung und die Huthaut. Die Zusatzinformation, dass der Pilz auf Kalkboden gefunden worden ist, hilft nicht weiter.

Jetzt greift die Gruppe nach den Pilzbüchern und vergleicht das Aussehen des Pilzes mit den dortigen großformatigen Abbildungen. Dennoch bleiben Unsicherheiten. Um diese zu beseitigen, werden verschiedene Präparate des Pilzes vorbereitet.

Bei 1000-facher Vergrößerung muss man diese untersuchen und dabei die Länge der Pilzsporen messen. Werner Eimann hat zusammen mit seiner Frau erst Schmetterlinge untersucht, dann hiesige Orchideen. Deren begrenzte Artenzahl in Mitteleuropa ließen die Spannung schnell sinken. "Bei den Pilzen ist das anders", sagt er.

"In Mitteleuropa kommen 6000 Arten von Großpilzen vor. Zählt man Schimmel-, Hefe- und Brandpilze hinzu, dann sind es mehrere hunderttausend." Was der Mykologe (Pilzkundige) mit dem bloßen Auge erkennen kann, zählt zu den Großpilzen. "Bei dieser Überfülle müssen wir uns spezialisieren", meint Schnieber, "Aber es fällt einem sehr schwer, an Pilzen einfach vorbeizugehen."

Am Wochenende macht sich Eimann mit seiner Frau auf die Pirsch. Im Rucksack führt er eine Kameraausrüstung mit, die schärfste Nahaufnahmen erlaubt. Immer wieder finden die beiden Arten, die man in unserer Gegend nicht vermutet.

Neulich erst entdeckte ein Gruppenmitglied im Naturschutzgebiet Brachter Wald einen bisher nicht bekannten Pilz, der als Stark gebuckelter Rötling (Entoloma valdeumbonatum) Eingang in das neue Pilzbuch des niederländischen Professors Machiel E. Noordeloos fand. "Der Pilzforscher lernt Demut vor der Natur.

Wer mit dem Selbstbewusstsein in den Wald geht, er wisse schon alles, wird bei Speisepilzen Fehler machen", erklärt Eimann. Auch die anderen Gruppenmitglieder fotografieren neue Pilze und ihre Fundstellen. Die APN hat eine Sondererlaubnis für Naturschutzgebiete, in denen sie Funde kartiert und Proben entnimmt.

Gehören Pilze zu den Pflanzen?

Für das Sammeln von Speisepilzen ist Krefeld kein geeigneter Ort. Es fehlen die naturbelassenen Wälder, in deren Laub und Nadelstreu Pilze am besten gedeihen. Die Mykologen der APN beklagen, dass Pilzsammler ganze Areale mit zum Teil seltenen Pilzen zerstören, wenn sie einen vereinzelten Steinpilz oder Maronenröhrling finden.

Pilze sind zur Bildung von Humus ungeheurer nützlich. Da sie, anders als Pflanzen, aus Sonnenlicht keine Energie gewinnen können, ernähren sie sich organisch. Sie zersetzen abgestorbene Materie oder befallen als Parasiten lebende Pflanzen.

Als Symbionten versorgen sie die Wirtspflanze mit Nährstoffen und die Pilze verschaffen der Pflanze wichtige Mineralien und Wasser. Die meisten Pilze bilden eine Zellwand aus Chitin, einem Stoff, der bei Pflanzen nicht vorkommt.

Was Laien als Pilz bezeichnen, ist in Wirklichkeit der Fruchtstand des unter der Oberfläche wachsenden Pilzgewebes. Seit einigen Jahren rechnen Biologen dem Pflanzen- und dem Tierreich das Reich der Pilze wegen seiner Besonderheiten als eigenständige Gruppierung hinzu.

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