Krefeld Verseidag gab Darlehen zum Siedlungsbau

Krefeld · Die Vereinigten Seidenwebereien AG (Verseidag) in Krefeld waren nicht nur ein Arbeitgeber. Die Aktiengesellschaft setzte sich vehement für das Wohl ihrer Arbeiter ein. Dazu gehörte auch der Bau von Eigenheimen.

 Helmut Fellinger hat Spuren der auch für die Krefelder Wirtschaftsgeschichte bedeutenden "Kolonie" zusammengetragen. Auf dem Foto gut zu erkennen eines der Musterhäuser.

Helmut Fellinger hat Spuren der auch für die Krefelder Wirtschaftsgeschichte bedeutenden "Kolonie" zusammengetragen. Auf dem Foto gut zu erkennen eines der Musterhäuser.

Foto: Wolfgang Kaiser

Dass sich ein Unternehmen Gedanken darüber macht, wie seine Arbeiter leben, ist in der heutigen Zeit eher weniger gegeben. Im 19. Jahrhundert sah dies ganz anders aus, zumindest bei der Verseidag. Hier entstanden für die Arbeiter Wohnsiedlungen, in denen sie zu preisgünstigen Konditionen Hausbesitzer werden konnten. "Mit aller Kraft sollten sich die Unternehmer für die Errichtung von Eigenheimen einsetzen und die Behörden im Bund, im Staat und in der Gemeinde sollten sie dabei unterstützen", schrieb die Verseidag am 20. Januar 1952 (Quelle Stadtarchiv 15/170).

Der Startschuss für solche Siedlungen erfolgte in Willich-Schiefbahn. Dort entstand bereits zwischen 1889 und 1914 die Wohnsiedlung mit dem Spitznamen "Kolonie". In Krefeld liefen die Baumaßnahmen später an. Wobei hier, genau wie in Schiefbahn, keine Mietwohnblöcke entstanden, sondern einzelne Häuser mit Gärten, die teilweise eine Art Einliegerwohnung hatten. So standen den künftigen Bewohnern 46 Quadratmeter Wohnfläche im Erdgeschoss zur Verfügung. Es gab einen Keller und ein 36 Quadratmeter großes ausbaufähiges Dachgeschoss. Dazu kamen 500 Quadratmeter Garten. Eigenversorgung und Platz zum Spielen für Kinder waren der Verseidag wichtig.

Die zweite Bauvariante sah eine direkt fertiggestellte Einliegerwohnung im Dachgeschoss vor und war entsprechend etwas teurer, was sich vor dem Hintergrund der Mieteinnahmen, die ein Eigentümer hatte, wieder relativierte. Werkwohnungen in Mehrfamilienwohnblöcken sollten unter keinen Umständen gebaut werden. Mit einem Anwärter Eigenkapital von 2000 DM, einem Hypothekendarlehen von 4000 DM und einem Landesdarlehen von 5000 DM sowie einer Unternehmensleistung von 7000 DM ging es an den Eigenheimbau heran, deren Planungen durch die Verseidag erfolgten. Neben der 18.000 DM teuren Variante, die mit einer monatlichen Abtragungsrate von 55 DM zu Buche schlug, gab es den Bau von 22.000 DM, der besagte Einliegerwohnung erhielt. Eigens für die Förderung des Eigenheimbaues gründete die Verseidag eine gemeinnützige Baugesellschaft, den Spar- und Bauverein Verseidag.

Ein Eigenheim-Förderungsfond von 300.000 DM wurde von der Verseidag gestiftet. "Was nun die Bereitstellung und Erschließung geeigneten Baugeländes für Eigeheime betrifft, so kommt es in erster Linie darauf an, das Gelände möglichst geschickt auszuwählen, damit die Baulandpreise und Erschließungskosten nicht annährend den in den Rundschreiben genannten Beitrag von neun DM je Quadratmeter erreichen", heißt es in einem Schreiben von Oberbürgermeister Hauser am 12. März 1952 an die Verseidag (Quelle Stadtarchiv 15/170).

 In Krefeld entstanden die Eigenheime unter anderem an der Moritzstraße, am Moritzplatz sowie der Industrie- und der Hülser Straße.

In Krefeld entstanden die Eigenheime unter anderem an der Moritzstraße, am Moritzplatz sowie der Industrie- und der Hülser Straße.

Foto: Thomas Lammertz

Der gesamte Bau an sich war einfach und funktionell gehalten. Anwärter sollte so schnell und unbeschränkt wie möglich Eigentümer werden, wie es ein damaliges Schreiben formulierte. In Krefeld entstanden die Eigenheime unter anderem an der Moritzstraße, am Moritzplatz sowie der Industrie- und der Hülser Straße. Das Unternehmen wollte mit dem Angebot eines Eigenheims die Mitarbeiter stärker an sich binden und war auch der Auffassung, dass durch diese Maßnahme, die für den Arbeiter auch gleichzeitig eine Absicherung darstellte, eine bessere Arbeitsleitung erzielt werden konnte. Seinerzeit machte man sich Gedanken darüber, ob ein Betriebsangehöriger Schulden hatte, besitzlos war oder über ein Eigenheim verfügte. Bis Ende 1964 waren insgesamt 336 Häuser mit mehr als 500 Wohnungen in Krefeld und Umgebung errichtet wurden. Deren Eigentümer waren allesamt Mitarbeiter der Verseidag.

 Die Häuser an der Moritzstraße zeichnen sich unter anderem durch anspruchsvolle Gestaltung aus.

Die Häuser an der Moritzstraße zeichnen sich unter anderem durch anspruchsvolle Gestaltung aus.

Foto: Lammertz Thomas

Die Bautätigkeiten hinsichtlich der Wohnsiedlung der Verseidag in Willich-Schiefbahn hat Rechtsanwalt Dr. Helmut Fellinger in seinem gerade frisch erschienenen Buch "Die Kolonie - Entstehung und Geschichte der Wohnsiedlung der Fa. Deuß & Oetker in Schiefbahn" gebündelt festgehalten. Für Krefeld gibt es bislang keine detaillierte Zusammenfassung.

(RP)
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