Krefeld Völlig unterschätzt: Geflügelausstellungen

Krefeld · Vor 20 Jahren besuchte unser Autor als 16-jähriger Jungjournalist zuletzt eine Hühnerausstellung - damals wenig begeistert. Am Wochenende ist er mit seinen Söhnen in Erinnerung an alte Zeiten zur Zuchtschau in die Niederrheinhalle gefahren - und wollte nun, er hätt' ein Huhn.

 Ein riesiger Geflügelzoo: Die Niederrheinhalle am Wochenende. Auf den Tribünen stehen die Käfige mit Geflügel, in der Mitte befinden sich mit Laub und Kürbissen dekorierte Käfige, in denen Enten planschen und kleine Küken laufen.

Ein riesiger Geflügelzoo: Die Niederrheinhalle am Wochenende. Auf den Tribünen stehen die Käfige mit Geflügel, in der Mitte befinden sich mit Laub und Kürbissen dekorierte Käfige, in denen Enten planschen und kleine Küken laufen.

Foto: Thomas Lammertz

Zugegeben: Als junger Journalist, damals noch Schüler, waren das die ungeliebtesten Telefonate. Immer freitagsnachmittags rief die Sekretärin der Rheinischen Post der Heimatredaktion ganz oben am Niederrhein an und bekniete den jungen Mann, doch "ein paar Termine" zu übernehmen, um darüber für die Zeitung zu schreiben.

 Temmincktragopan - dem Fasan ähnlich. Der Hahn erreicht eine Körperlänge von 64 cm. Das weniger farbenfrohe Weibchen ist überwiegend braun.

Temmincktragopan - dem Fasan ähnlich. Der Hahn erreicht eine Körperlänge von 64 cm. Das weniger farbenfrohe Weibchen ist überwiegend braun.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Viele dieser Wochenendtermine waren wirklich interessant, fast immer hat man was gelernt und obendrein nette Menschen getroffen; aber wenn es ganz schlimm kam für den damals 16-Jährigen, der sich für kaum etwas weniger interessierte als für Federvieh, der Hühner allenfalls als McChicken zwischen zwei Brötchenhälften attraktiv fand, dann musste er zu einer Geflügelschau.

Diese Hühnershows verfolgen einen bis heute: Wenn man bei Partys auf Nachfrage erklärt, Lokaljournalist zu sein, fällt garantiert ein Satz: "Musst Du denn da auch über Kleintierausstellungen schreiben?" Genervte Reaktion: "Nein, muss ich nicht! Zumindest nicht, wenn ich nicht will!"

20 Jahre und drei Kinder später landet man an einem Samstagvormittag plötzlich in der Krefelder Niederrheinhalle und besucht - völlig freiwillig - die "Kreisschau und Kreisjugendschau des Kreisverbands Viersen - Krefeld" des Rassegeflügelzuchtvereins von Hüls 1899.

 Mandarinente - buntester Vertreter der Glanz-Enten, beheimatet von China bis Sibirien. Die Wildbestände dort verringern sich stark.

Mandarinente - buntester Vertreter der Glanz-Enten, beheimatet von China bis Sibirien. Die Wildbestände dort verringern sich stark.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Wir denken: Wer dreimal das Wort "Kreis" in einem sieben Wörter langen Veranstaltungstitel unterbringt, der muss etwas durchgedreht sein. Der Besuch in der Halle bestärkt uns in diesem Eindruck. Wir entdecken dort sympathische Menschen, die mit großer Leidenschaft von Hühnern erzählen, die stolz sind auf ihre voluminösen Hähne, auf ihren quietschbunten Temmincktragopan oder die feinproportionierte Taube.

Merke: Wo Menschen mit Leidenschaft dem Hobby nachgehen, da liegen die echten Storys, da wird es für den Journalisten spannend.

Es gibt eine kleine Geschichte hinter dieser Geschichte: Der eigene Vater kommt vom Bauernhof und hält sich seit Jahren schon oben am Niederrhein eine kleine Hühnerschar, die von den Enkeln bei Besuchen stetig bestaunt wird. Vor wenigen Tagen aber geschah dort Tragisches: Der Fuchs holte vier der acht Hühner aus dem Stall. Um den Söhnen Trost zu spenden, um schönes Federvieh für Opas Stall zu entdecken, besuchten wir also die Männer und Frauen vom Hülser Rassegeflügelzuchtverein.

 Marlon (10) neben einer Henne. Insgesamt 400 Tiere wurden in der Niederrheinhalle am Wochenende gezeigt.

Marlon (10) neben einer Henne. Insgesamt 400 Tiere wurden in der Niederrheinhalle am Wochenende gezeigt.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Erster Eindruck beim Betreten der Niederrheinhalle: Wow! Ein großes Gackern und Krähen, welch' furiose Soundkulisse. 400 Tiere befinden sich in der Halle, Großhühner, Zwerghühner, Gänse, Enten und Tauben, die meisten in ausreichend Bewegung bietenden Käfigen auf den Tribünenplätzen. Riechen tut es kaum. Imposant ist besonders der Innenraum, der wie ein Mini-Zoo aufgebaut ist, mit einem Planschbereich für Enten, einem Stall mit kleinen Küken und großen Käfigen, in denen Wachtelarten, besondere Hühnervögel und Fasane präsentiert werden.

63 Rassegeflügelschauen hat der Hülser Verein bereits ausgerichtet. Eine Woche Vorbereitung kostet die Ausstellung, sagt Thomas Rungelrath, der die Veranstaltung mit organisiert hat - angeschlossen ist eine "Bezirks-Sonderschau des Bezirks West (Nordrhein) des SV d. Z. d. Rhodeländerhuhnes". Rungelrath ist einer der Stars in der Krefelder Geflügelzuchtszene: Zuletzt ist er in Leipzig mit drei Wildtauben- und zwei Wachtelarten gleich fünfmal Europameister geworden. Über seinen Opa sei er zur Hühnerzucht gekommen, sagt der 47-Jährige.

Mittlerweile besitzt der zweifache Familienvater auch Wachteln, Gänse und Fasane. Die wohl imposanteste Gattung ist aber das ursprünglich aus Südostasien kommende Temmincktragopan-Paar, das an diesem Vormittag still und schüchtern in einem Käfig sitzt und sich von den Besuchern bestaunen lässt.

Täglich ein bis zwei Stunden investiert Rungelrath für seine Tiere. Seine beiden Kinder Nick und Mara hat er ebenfalls für die Geflügelzucht begeistert. Rungelrath beobachtet, dass der Respekt vor Geflügelzüchtern wachse, seitdem über Missstände in der Massentierhaltung berichtet wird. "Uns geht es nicht um die Masse, sondern um Zuchterfolge." So weit, dass die Leute auch früh um fünf Uhr krähende Hähne in der Nachbarschaft wieder akzeptieren, reiche die Toleranz aber noch nicht. "Selbst innerhalb von Hüls hat man da wenig Chancen." Da gehe es ihm nicht anders als den Zuchtkollegen.

23 Mitglieder hat der Rassegeflügelzuchtvereins von Hüls 1899, davon rund zehn Aktive. Sie zeigen ihre Tiere am vergangenen Wochenende nicht allein aus Spaß an der Freude: Am Freitag schon haben Preisrichter aus ganz Deutschland die Vögel bewertet. Im Ausstellungsheft können also die Besucher jedes der Tiere mit Benotung entdecken - wobei die Notenvergabe eine gewisse Expertise voraussetzt. Bezeichnungen wie "g 91", "hv 96 SE 2" oder "v 97 KVE" taugen nicht dazu, das Hobby der Geflügelzucht für den Laien attraktiv zu machen.

Kreismeister 2014 wird Josef Verheyen mit seinen Rhodeländer-Hühnern. Das ist aber nur einer von etlichen Titeln, die es zu gewinnen gibt, weshalb auf der Siegerliste gefühlt fast jeder der Züchter einmal auftaucht: Es gibt eine Landesverbandsmedaille, die Medaille der LKW Rheinland, den Kreisvereinsmeister, das Hülser Band, die Hülser Plakette und den Kreisverbandsehrenpreis - in jeder Kategorie mehrere Gewinner. Und das Ganze auch noch einmal bei der Kreisjugendschau, wo Lina Buchholz mit ihren Zwerg-Friesenhühnern gewinnt.

Man denkt: Der Hühnerzüchter an sich ist ein Gewinnertyp. Doch diese Ehrungen muss man sich verdienen: Durch Arbeit am Tier. Thomas Rungelrath berichtet von den Tricks, die man anwenden kann, um als Züchter erfolgreich zu sein. Neben Ganzjahrespflege mit artgerechtem Futter und guten Ställen bedürfe es einer Spezialpflege vor der Schau: Manche Hühner würden mit etwas Seife gewaschen, damit die Federn glänzen. Die meisten der Tiere, so lernen wir, sind ein Jahr alt - da haben sie den schönsten Körper und das beste Federkleid. Und wer optisch nicht ganz so viel hermacht, der kann immer noch laut krähen - ein wahres Spektakel ist es, wie die kräftigen Hähne sich zwei Tage lang duellieren.

So geht man mit zwei staunenden Jungs nach einer Stunde Hühnerschau beglückt aus der Krefelder Niederrheinhalle und ertappt sich beim Summen: "Ich wollt' ich hätt' ein Huhn." Festes Vorhaben: Bald kaufen wir es - und immer abends wird es zur Stange gebracht, damit es der Fuchs nicht holt.

(RP)
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