Krefeld Vom Kirchenasyl in den eigenen Friseursalon

Krefeld · Elif Manaz lebt eineinhalb Jahre in Angst vor der Abschiebung in der Altkatholischen Kirche. Das hat die überzeugte Krefelderin geprägt.

 Der Friseursalon von Elif Manaz heißt Pampelmuse. Die Friseurmeisterin liebt das deutsche Wort. "Ich weiß nicht, warum alle Grapefruit sagen."

Der Friseursalon von Elif Manaz heißt Pampelmuse. Die Friseurmeisterin liebt das deutsche Wort. "Ich weiß nicht, warum alle Grapefruit sagen."

Foto: Lammertz Thomas

Mehr Krefelderin geht nicht: Dabei ist Elif Manaz weit entfernt vom Niederrhein an der osttürkischen Grenze zu Syrien geboren. Ihre Lebensgeschichte ist außergewöhnlich - ja einzigartig. Vor wenigen Wochen hat sie als selbstständige Friseurmeisterin ihr Ladenlokal "Pampelmuse" an der Lindenstraße eröffnet. Das im Stil der 1950er- und 1960er-Jahre ausgestattete Geschäft ist viel mehr als ein Salon zum Haareschneiden. Er ist ein Treffpunkt für Querdenker und Alternative. "Bei mir wird sehr viel über Politik diskutiert", sagt die 30-Jährige, die Krefeld und die Krefelder lieben gelernt hat, als eine große Solidargemeinschaft sich vor 15 Jahren schützend um den Teenager, ihre Mutter und die vier Geschwister geschart hatten, um die Abschiebung zu verhindern. Eineinhalb Jahre lebte die kurdisch alevitische Familie im Kirchenasyl der Altkatholischen Gemeinde. Nach 13 Jahren der Duldung sollte sie in ihre Heimat zurück, die sie im Alter von einem Jahr verlassen hatte. Ihr Vater wurde abgeschoben, ging zurück in seine Heimatstadt Pazarcik. "Er hat sich nicht lange gewehrt. Ihn trieb sowieso eine Sehnsucht zurück", sagte die gebürtige Kurdin mit deutschem Pass. All das ist für sie Vergangenheit. "Es war eine wichtige Zeit, sehr bereichernd. Ich habe wunderbare Menschen kennengelernt und bin in der Lebensphase ganz stark sozialisiert worden", erklärt die junge Geschäftsfrau. Sie lebt bewusst im Hier und Jetzt. Und das Hier ist für Elif Manaz die Stadt Krefeld, die Innenstadt, die Südstadt. Rund um die Samtweberei hat sie sich für Kinder engagiert und Kunstkurse gegeben, hat ihren Laden gezielt an der Lindenstraße eröffnet.

 Im Laden lädt ein Wohnzimmer mit Möbeln aus den 1950er- und 1960er Jahren zum Warten und zum Diskutieren ein.

Im Laden lädt ein Wohnzimmer mit Möbeln aus den 1950er- und 1960er Jahren zum Warten und zum Diskutieren ein.

Foto: Thomas lammertz

Haare frisieren, das sei schon als kleines Kind ihre Passion gewesen. Und sie habe schon früh viel geübt. Trotzdem klappte es nach der Schulzeit mit einer Lehrstelle nicht so recht. Elif Manaz hat 18 Monate im Kirchenasyl verbracht. Zwar seien Lehrer in der Phase gekommen, um Privatunterricht zu geben, aber es sei schwer gewesen mit einem Hauptschulabschluss. Die Wartezeit auf einen Ausbildungsplatz nutzte sie, um in Duisburg die Fachoberschulreife nachzuholen. Anschließend klappte es auch mit einer Lehrstelle. Im "Viva Capelli" an der Stephanstraße bekam sie das kreative Handwerk offiziell beigebracht - als Jahrgangsbeste im Betrieb.

 Die 30-jährige Elif Manaz hat an der Lindenstraße einen Friseursalon eröffnet. Die Kurdin mit deutschem Pass verbrachte eineinhalb Jahre im Kirchenasyl in Krefeld. Das hat sie geprägt und für die Krefelder eingenommen.

Die 30-jährige Elif Manaz hat an der Lindenstraße einen Friseursalon eröffnet. Die Kurdin mit deutschem Pass verbrachte eineinhalb Jahre im Kirchenasyl in Krefeld. Das hat sie geprägt und für die Krefelder eingenommen.

Foto: Lammertz Thomas

Im Alter von 19 hatte sich Elif Manaz schon auf eigene Füße gestellt, war in eine eigene Wohnung ausgezogen. Trotzdem konnte sie schon Geld zurücklegen. Denn sie wollte reisen. Friseure gingen zwar nicht auf die Walz. Das hielt die Krefelderin, die berufliche Offerten aus Köln ausschlug, nicht davon ab, es dennoch zu tun. Sie zog los über Dänemark, Schweden und Norwegen nach Litauen und Osteuropa bis hin nach Istanbul. Schlafstelle und Frühstück gegen Haarschnitt lautete das Geschäftsmodell in den 18 Monaten, in denen sie einen Teil der Welt und unterschiedliche Mentalitäten und Kulturen kennenlernte.

 Kunden haben die Einkaufsliste ergänzt: Amboss und Elefantentanga sind nur schwer zu bekommen.

Kunden haben die Einkaufsliste ergänzt: Amboss und Elefantentanga sind nur schwer zu bekommen.

Foto: Lammertz Thomas

Zurück in Krefeld schien ihr auf ihrem beruflichen Weg die Bürokratie einen Strich durch die Rechnung machen zu wollen. Angeblich seien Unterlagen nicht vollständig und rechtzeitig eingereicht worden. Elif Manaz glaubt das nicht. Schon in der Phase, als sie und ihre Familie nur geduldet war, seien die Launen der Behörden dafür ausschlaggebend gewesen, ob die Duldung für wenige Wochen oder gleich für ein ganzes Jahr erteilt worden sei, sagte sie. Zu Ämtern und Obrigkeiten habe sie seitdem ein ambivalentes Verhältnis.

 Eine echte Frät-Uhr zeigt die Zeit an: Das Motiv zeigt zentrale Krefelder Gebäude wie der Hauptbahnhof.

Eine echte Frät-Uhr zeigt die Zeit an: Das Motiv zeigt zentrale Krefelder Gebäude wie der Hauptbahnhof.

Foto: Lammertz Thomas

Elif Manaz ließ sich nicht bremsen. Ihre Mutter lieh ihr Geld, damit sie in Heidelberg eine Privatschule besuchen konnte, um den Meisterbrief im Friseur-Handwerk zu erlangen. "Mein größter Wunsch ist der, junge Leute auszubilden und ihnen über das Fachliche hinaus mein Konzept zu vermitteln", sagte die 30-Jährige. Die traditionelle Berufsausübung sei ihr zu schematisch. Bei ihr geht es vertrauter und vielfältiger zu. Der vordere Teil ist wie ein Wohnzimmer eingerichtet, mit Plattenspieler und Langspielplatten. An der Wand hängen zahlreiche gerahmte Schwarz-Weiß-Fotografien mit Motiven des historischen Krefelds. Auf den knapp 25 Quadratmetern gibt es Zimmerkonzerte, Poetry Slam und Tauschbörsen. Mit Stammkunden und Geschwistern trifft sich die Inhaberin dort auch schon mal zum Brunch. "Meine besondere Philosophie für den Salon ist die, ein unkonventionelles Friseurgeschäft, in dem Denken, Diskutieren und Ideen besprechen gewünscht ist, zu betreiben. Und sicher gehört auch dazu, eine politische Plattform zu bieten, die sich klar positioniert", sagt Elif Manaz.

Entsprechend lebe sie nicht von Laufkundschaft. Zu ihr kämen zu 90 Prozent untypische Friseurkunden, findet Elif Manaz, die alternativen Lebensweisen mit Food-Sharing und Netzwerken aufgeschlossen ist.

Die Krefelderin sprengt jedes Klischee. Sie schwimmt gerne auch gegen den Strom. Bei ihr kosten zum Beispiel die Haarschnitte von Männern und Frauen gleich viel. "Ich habe nie verstanden, warum Männer an der Kasse immer günstiger wegkamen als Frauen.

Nach 28 Lebensjahren in der Stadt Krefeld hat die 30-Jährige nicht nur einen deutschen Pass und deren Mutter nach der Scheidung von ihrem leiblichen Vater und der Hochzeit des langjährigen Lebensgefährten einen deutschen Mann.

Elif Manaz liebt darüber hinaus die deutsche Sprache - Wörter wie Pampelmuse und verschroben. "Erwarten sie keine spannende Geschichte, warum mein Geschäft Pampelmuse heißt. Ich finde einfach das Wort toll", sagte sie.

(sti)
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