Krefeld Vorliebe für die Dilettanten des Alltags

Krefeld · Der Stuttgarter Künstler Tillmann Damrau zeigt seine Arbeiten von morgen bis zum 4. Oktober im Buschhüterhaus des Kunstvereins Krefeld am Westwall. Der humorige Schwabe ist zur Vernissage morgen ab 19 Uhr anwesend.

 Tillmann Damrau sympathisiert mit den Menschen. Er nennt sie Dilettanten des Alltags und weiß um ihre und seine Unzulänglichkeiten.

Tillmann Damrau sympathisiert mit den Menschen. Er nennt sie Dilettanten des Alltags und weiß um ihre und seine Unzulänglichkeiten.

Foto: THomas Lammertz

Den Menschen als Dilettanten des Alltags verewigt Tillmann Damrau in seinen Bildern, die ab morgen, 19 Uhr, im Buschhüterhaus des Krefelder Kunstvereins am Westwall 124 gezeigt werden. Damrau meint es nicht abwertend, wenn er von Dilettantismus spricht. Der Mensch sei in seinen Möglichkeiten halt begrenzt. Die Unzulänglichkeit des Einzelnen werde an jedem Tag erneut erkennbar. Das sei menschlich. Der Schwabe Damrau ist offenbar dem Hang seiner Landsleute zum Perfektionismus analytisch auf der Spur, und anders als etwa der berühmte Krefelder Joseph Beuys sieht er nicht in jedem Menschen den Künstler, der an der sozialen Plastik, die da Gesellschaft heißt, poliert und sich abarbeitet. Damrau sieht in der Leichtigkeit des Rheinländers und der Ernsthaftigkeit des Schwaben keinen grundlegenden Widerspruch im Dasein. Alle arbeiteten sich mit mehr oder weniger Humor an den Aufgaben des Lebens ab.

Damrau tut das mit einer Kombination aus Zeichnung und Malerei mit sehr farbigen Akzenten. In seinen zum Teil großformatigen Bildern kommen Menschen und Tiere, Flugzeuge, Schiffe, Hubschrauber und Autos vor. Sie zeigen Gewalt und biblische Zitate und verknüpfen sie zu einer erschreckenden Aktualität. "Die Religion spielt eine neue und intensive Rolle", sagt der 54-jährige Künstler aus Stuttgart, der bereits an verschiedenen Hochschulen Vertretungsprofessuren übernommen hat. Der Mann weiß sich in Worten mindestens ebenso gut auszudrücken wie mit seiner Kunst. Mit dem Biblischen sei er gleichsam durch seine Erziehung kontaminiert. Und so sei es fast schon unbewusst, dass er die Szene des Abraham, als er Gott auf dem Altar seinen Sohn opfern sollte, als Motiv verarbeitet habe. Darin versinnbildliche er die "Bedingungslosigkeit des Glaubens", die auch bei den Kämpfern für den Islamischen Staat (IS) zu beobachten sei. Ein Bild im Obergeschoss erinnert an eine Hinrichtung, die einer Sequenz in den Bekennervideos der Extremisten gleichkommt.

Damrau ist nicht offensichtlich politisch oder religionsfeindlich. Er ist ein Intellektueller, der Alltagsbeobachtungen als Chiffren für seine Bildaussagen nutzt. Die Bilder sind für ihn "permanenter Spielort für den Betrachter", sagte er gestern im Buschhüterhaus..

Seine Anregungen bekommt Damrau bei seinen Besuchen in der Stadt. Dort sammelt er seine Typen, um sie in einem ungemütlichen, nur zum konzentrierten Arbeiten bestimmten Atelier auszuarbeiten: etwa den vollbärtigen Weichling mit scheinbarer Hippie-Vergangenheit. Oder den rasierten Muskelprotz mit Bürstenhaarschnitt, der in einer Militärjacke energisch und ohne Widerspruch auf ein Containerschiff zeigt. Andere Figuren sind nur schemenhaft skizziert, wirken auf andere Weise. "Sie sind ein bisschen schusselig, wie sie so in der Welt stehen", erklärte Damrau.

Die Räume des Kunstvereins hat der Stuttgarter in seinen eigenen Bildraum umgewandelt. Er hat die Wände mit so genannten Folienschnitten, die Pflanzen oder Personen zeigen, versehen. Der schusselige Mensch in seinem dilettantischen Versuch, seine Kunst mitzuteilen oder zu erfassen, saß gestern beim Pressegespräch mitten drin. Damrau zeigt damit den Humor, den er bei den Rheinländern schätzt - und Selbstironie.

(RP)
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