Analyse Wahlkampf - wo die Kandidaten stehen

Krefeld · Der Wahlkampf für die Oberbürgermeisterwahl ist bislang weitgehend leise und genau deshalb spannend. Die aussichtsreichsten Kandidaten führen ähnliche Wahlkämpfe: Man drischt nicht aufeinander los, sondern wirbt bei den Anhängern.

Auch wenn der Wahlausschuss heute entscheidet, welche der neun Bewerber zur Oberbürgermeisterwahl am 13. September zugelassen werden, ist schon jetzt klar: Die Entscheidung der Wähler wird zwischen CDU-Kandidat Peter Vermeulen und dem SPD-Kandidaten Frank Meyer fallen. Alles andere wäre nicht nur eine Überraschung, sondern ein Vier-Fünftel-Wunder, und die sind selten hienieden.

Der Grünen-Bewerber Thorsten Hansen hat zwar einen sympathischen Wahlkampfauftakt hingelegt und mit seinem Slogan "Er kann das!" wunderbar ironisch den Slogan von Vermeulen ("Der macht das!") aufgegriffen, doch ist er zu wenig charismatisch, um den Lauf der Wahl so entscheidend zu beeinflussen. Jeder möge sich selber fragen: Ist eine Wechselstimmung in der Stadt spürbar, die tatsächlich den Mann mit den Außenseiterchancen ins Rathaus trägt?

Wir wagen die Prognose: nein.

Der Wahlkampf war bisher einer der leisen Töne: Weder Meyer noch Vermeulen haben auf Angriffe auf die anderen gesetzt. Ein Grund dafür ist natürlich und richtigerweise die Überlegung, dass so etwas nur die Wählerschaft der anderen mobilisiert. Vielleicht ist - zum zweiten - die Zeit der Schmäh-Wahlkämpfe vorbei: Das Publikum goutiert das nicht unbedingt. Zum dritten ist ausgerechnet das Phänomen wichtig, das zuletzt für Wirbel sorgte: die niedrige Wahlbeteiligung. So banal es klingt: Die eigenen Leute zu mobilisieren und zur Wahlurne zu kriegen, ist tatsächlich wahlentscheidend. Wer das am besten hinkriegt, hat reelle Siegchancen.

Dies beim Wahlkampf-Auftakt der CDU zu betonen, war gerade für die zuletzt nicht von guten Wahlergebnissen verwöhnten Christdemokraten wichtig. Sie haben eine Phase der erodierenden Zahlen hinter sich. Nichts ist zermürbender als ein zäher Abwärtssog. Insofern war es an dem Abend, als Vermeulen seine Plakate vorstellte, ein Aha-Effekt im Saal, als Wahlkampfberater Markus Klaus (Kommunalpolitische Vereinigung der NRW-CDU) vorrechnete, dass man mit der Stimmenzahl, mit der auch Gregor Kathstede das zweite Mal gewählt wurde, in Sichtweite eines Sieges segelt. Kämpfen lohnt sich - das war die Botschaft. Und in diesem Kampf geht es bislang erkennbar darum, gegen die Lethargie des eigenen Wahlvolks anzukämpfen und es zu motivieren, ins Wahllokal zu gehen.

Beide Lager haben dabei ihre eigenen Herausforderungen. Vermeulen ist kein großer Redner, kein Polemiker; er wirkt auf Wahlkampfbühnen überkontrolliert und damit nicht durchweg authentisch. Das passt ironischerweise zu seinen Stärken: Er ist eben kein Lautsprecher, kein Hansdampf, er ist eher Analytiker, eher Arbeiter, eher Kopfmensch. Mit dieser Unaufgeregtheit hat er sich in Mülheim, wo er seit 2006 als Dezernent in der Verwaltung arbeitet, über Parteigrenzen hinweg Respekt erarbeitet. Die Zeitung WAZ hat anlässlich seiner Wiederwahl zum Planungsdezernenten 2013 eine sehr positive Bilanz gezogen: Vermeulen habe Durchsetzungsvermögen, er höre zu, fördere offene Aussprache und setze sich klar für das für gut Befundene ein, auch wenn es mal Gegenwind in der öffentlichen Meinung gebe.

Frank Meyer ist eigentlich kein Kumpel- und Knuddeltyp - dazu ist er zu intellektuell; der geschliffene Diskurs ist mehr seine Sache als das Trinklied. Insofern ist es konsequent, dass sein Slogan ihn gerade als Kümmerer, als nah an den Menschen, als Bürgermeister auf Augenhöhe mit hohem "Einer von uns"-Faktor profilieren möchte. Meyer nutzt sein Bürgermeister-Amt klug, macht viele Termine, hält viele gute Ansprachen, kommt herum in der Stadt, macht sich bekannt - und da ist es Gold wert, dass Meyer stilsicher ist und den richtigen Ton zu treffen versteht, ohne plump anbiedernd zu sein. Wichtig für Meyer ist auch, dass seine SPD im Rat umgeschaltet hat von Angriff auf Verantwortung. Der Haushaltskompromiss mit CDU und Grünen war wichtig, um zu zeigen, dass die Partei bereit ist zu Entscheidungen. Meyer ist Teil des Kompromisses - er kann damit für sich beanspruchen, Realpolitik betrieben zu haben. Auch damit wird er den Vorwurf aus der CDU-Phalanx zu parieren versuchen, im Kern nur ein Partei-Apparatschik zu sein, der noch nie richtige Führungsverantwortung hatte.

So stehen sich gegenüber: Zwei Kandidaten, die vor allem die eigenen Anhänger mobiliseren wollen und einen fast spiegelbildlichen Wahlkampf führen. Frei nach den Slogans: So wie "Der macht das" Vermeulen auch als "Mensch Peter" wahrgenommen werden möchte, möchte sich "Mensch Frank" auch als "Der Meyer macht das" zeigen.

Die CDU kommt aus dem Tal der Verzagtheit und ist dabei, frischen Mut zu fassen, weil sie dem Wähler neben dem Generationswechsel an der Spitze auch ein neues Modell für das OB-Amt anbietet: Verwaltungspraktiker mit viel Wirtschaftserfahrung statt Parteimann. Die SPD wiederum ist hungrig und zum Sprung gespannt: Sie will endlich wieder das Amt des Oberbürgermeisters erobern. Beide Lager haben den Sieg vor Augen - und zwar nicht als Zweckoptimisten, sondern weil die Realität beiden den Erfolg vor Augen hält.

Dieser Wahlkampf mag leise und ein Kampf der Nuancen sein, mehr Gobang als Boxen, aber spannend ist er allemal. Es wird knapp.

(RP)
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