Analyse Warum Krefeld den Ostwall-Umbau braucht

Krefeld · Umfrage-Ergebnisse zeigen: Krefeld hat ein massives Prestige-Problem. Die Stadt wird kritischer bewertet, als es die Fakten hergeben. Die Ostwall-Haltestelle gehört zu den drei Ödland-Zonen, die das Image der Stadt 'runterziehen. Deshalb: Ein Plädoyer für den Ostwall-Umbau.

 Bonjour Tristesse: Die Ostwall-Haltestelle, Ausschnitt. Weiter rechts und weiter links wird es auch nicht besser.

Bonjour Tristesse: Die Ostwall-Haltestelle, Ausschnitt. Weiter rechts und weiter links wird es auch nicht besser.

Foto: Lothar Strücken.

Die häufigste Wort-Waffe im politischen Nahkampf um den Ostwall-Umbau ist der Begriff "Prestige-Projekt". Ist ein Projekt erst einmal als solches abgestempelt, gilt es üblicherweise als böse, falsch, überteuert, überflüssig. Ein solcher Propaganda-Erfolg wäre im Falle Krefelds fatal. Die Stadt braucht Prestige und damit Prestigeprojekte, denn sie hat ein massives Imageproblem: Sie gilt als hässlich.

Jüngster Beleg für Krefelds Imageproblem ist die IHK-Analyse zu "Wirtschaftlichen Strukturen und Entwicklungen am Standort Krefeld". Das bitterste Resultat betrifft das Kapitel "Qualität der Städte" auf den Feldern "Freizeit, Kultur, Konsum". Dort heißt es: Das Stadtbild "erhält eine ausgesprochen schlechte Beurteilung, die Sicherheit und das Parkplatzangebot ebenfalls nur eine unterdurchschnittliche Bewertung."

Niederschmetternd an diesem Ergebnis ist vor allem, dass es so ungerecht ist. Man ist kein blinder Lokalpatriot, wenn man das schreibt — die Einschätzungen, die da wiedergegeben werden, halten den Fakten einfach nicht stand.

In der City gibt es natürlich genügend Parkhäuser. Die Sicherheitslage in Krefeld ist keineswegs schlechter als anderswo, im Gegenteil — das belegt ein Blick in die Polizeistatistik. Bei der "Registrierten Kriminalität" lag Krefeld in 2012 mit einer Kennzahl von 10 951 (Delikten pro 100 000 Einwohner) besser als Städte wie Aachen (12 405), Düsseldorf (14 966), Köln (14590) oder Bonn (11 190). Fürchtet man diese Städte als Verbrechenshochburgen?

Nein, bei Aachen und Köln fällt uns der Dom ein, bei Düsseldorf die Kö und bei Bonn das Poppelsdorfer Schloss. Aber befragt man 300 Unternehmer aus Krefeld zu Krefeld, beklagen sie ein Sicherheitsdefizit, das es gar nicht gibt. Exakt so etwas nennt man ein Image-Problem: Die gefühlte Unsicherheit in Krefeld ist größer als die faktische. Dazu kommt das Phänomen, dass es in Krefeld immer ein bisschen schick ist, rotzig über die Stadt zu reden. Auch dieser schwer fassbare Schlick im Gefühlsuntergrund gehört in die Kategorie Image-Problem. Schon einmal einen Kölner gehört, der schlecht über seine Stadt redet, nur weil da vieles nicht gut läuft?

Ähnlich verhält es sich mit dem Thema Stadtbild. Hier ein Pauschalurteil "nicht schön" zu fällen ist so, als stünde man auf einem Bahnsteig und sagte: Krefeld besteht nur aus Gleisen und Schotter. Mittlerweile hat sich aber in der Innenstadt ein munteres urbanes Leben entfaltet — an jedem milden Abend sind Restaurants und Cafés voller Menschen. Die City ist auch an normalen Samstagen voll. Es gibt zahlreichen Plätzchen, die hübsch sind und angenommen werden. Die jüngst geführte Debatte um die Höhe von Standgebühren für Tische und Stühle gibt es ja nur deshalb, weil so viele Wirte hier ein Geschäft wittern: Die Leute wollen in der City draußen sitzen; und sie wollen das nicht, weil sie Masochisten sind, die sich gerne quälen, sondern weil sie es ganz gut finden, dort zu sitzen. Das heißt nicht, dass man die Umfrage vom Tisch wischen könnte. Aber frei nach dem Churchill-Motto, dass man nur Umfragen glaubt, die man selber gefälscht hat, gilt es, sie zu hinterfragen: Sie ist grob gehalten und fragt deshalb keine Urteile ab, sondern Vorurteile ab — darin vor allem liegt ihr Erkenntniswert. Und das Vor-Urteil über die Krefelder Innenstadt ist ruppig, ungenau und ungerecht, so wie Vorurteile nun mal sind. Als Belege für diese Pauschalurteile dienen wieder und wieder die üblichen drei Verdächtigen: Erstens der grau sich erhebende Ödlandfelsen, genannt Seidenweberhaus, mit dem — zweitens — trostlos brachliegenden Theaterplatz, der von drei Dutzend Süchtigen besiedelt ist und für alle anderen Fluchtraum darstellt — schnell durch und rein in die schöne Mediothek. Und drittens ist da die an Tristesse kaum zu überbietende Ostwall-Haltestelle. Diese drei Ödnisse prägen das Vor-Urteil, das wie Mehltau über der ganzen Stadt klebt. Krefelds Dilemma ist: Urteile und Vor-Urteile über die Stadt klaffen auseinander. Das ist die Marketing-Herausforderung: Die Vor-Urteile zu knacken, damit ein gerechtes Urteil, das Gute hier, eine Chance hat. Der Ostwall-Umbau kann da helfen. Wenn er mit der Revitalisierung des Horten-Hauses und der von der Wohnstätte geplanten Passage vollendet ist, wird das Entree zur City freundlich, modern und licht sein — einladend. Es wäre auch schön, wenn sich darüber auch in der Politik endlich so etwas wie Konsens oder wenigstens Stillschweigen einfinden würde. Den Ostwall-Umbau bis zum Überdruss als Prestige-Objekt des Oberbürgermeisters zu denunzieren, ist ebenso falsch wie die Behauptung, man könne Millionen sparen, wenn man das Glasdach weglässt.

Wenn Krefeld Glück hat, kommt der Umbau trotz Haushaltsmisere. Vielleicht fallen ja dann den 300 befragten Krefelder IHK-Unternehmern in drei Jahren auch spontan ein paar schöne Dinge zu Krefeld ein.

(RP)
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