RP-Serie Krefelder Märtyrer Widerstandskämpfer von Nazis geköpft

Krefeld · Hanns Georg von Heintschel-Heinegg war Student der katholischen Theologie und begeisterter Dichter. In Wien schloss er sich der österreichischen Freiheitsbewegung an, die ihn erst ins Krefelder Gefängnis und später in die Todeszelle führte.

 Er liebte Rilke, er liebte Innsbruck, er liebte Gott: Hanns Georg von Heintschel-Heinegg wurde von den Nazis hingerichtet.

Er liebte Rilke, er liebte Innsbruck, er liebte Gott: Hanns Georg von Heintschel-Heinegg wurde von den Nazis hingerichtet.

Foto: CG

Zehn Monate lang wartet Hanns Georg von Heintschel-Heinegg auf nichts weniger als den Tod. Er sitzt mit seinen 25 Lebensjahren in der österreichischen Hauptstadt Wien in der Todeszelle und sieht bloß seine eigene Endlichkeit voraus. Er wird nie mehr Freiheit verspüren, nie mehr Rilke lesen oder von Hofmannsthal. Nie sein Theologiestudium beenden oder in sein geliebtes Innsbruck zurückkehren. Sein Leben wird enden, in diesem tristen Gefängnisbau Wiens. Das ist alles.

Es ist der 5. Dezember 1944, als das Warten sein Ende findet. Hanns Georg von Heintschel-Heinegg wird aus seiner Zelle geführt, begleitet von zwei Wachmännern und einem Geistlichen. Um etwa 18 Uhr läuft der Tross einen langen Gang in einem spärlich beleuchteten und kalten Gewölbe entlang. Auf Wikipedia ist der Akt der Hinrichtung bis ins Detail präzise beschrieben. Mithäftlinge von Heintschel-Heinegg schildern jede Sekunde der Tötung.

In einem dunklen Raum erwarteten den Todeskandidaten nach dieser Beschreibung zwei Scharfrichter. Die Hände hat er auf dem Rücken gefesselt, der Oberkörper ist nackt, den Sträflingsrock trägt er mit Gürtel. Ein Scharfrichter fragt, ob er wirklich der Herr von Heintschel-Heinegg sei und unterrichtet ihn darüber, dass sein Todesurteil nun vollstreckt werde. Aber der 25 Jahre alte Student der katholischen Theologie antwortet nicht, er betet seit er seine Zelle verlassen hat. Lautstark und ohne Pause betet er zu Gott.

Der Gefängnisseelsorger Hans Rieger wird später über ihn sagen: "In völliger Wachsamkeit betete sein Geist. Aber die Wachheit seines Bewusstseins war nicht mehr auf uns gerichtet. Für ihn gab es jetzt keinen Blick mehr für seine Umwelt, kein Gespräch mehr mit mir oder den ihn führenden Wachbeamten, die Blickrichtung seiner Augen ging über uns hinweg in weite Ferne. Auf seinen Zügen lag nicht der Ausdruck der Todesangst, sondern eher der einer großen Erwartung."

Hanns Georg von Heintschel-Heinegg: Geboren am 5. September 1919 in Kneschitz, Nordböhmen, Sohn des Juristen und Gutsbesitzers Wolfgang und seiner Frau Albertine. Abitur 1937, Aufnahme in das Priesterseminar Innsbruck im selben Jahr. Von Heintschel-Heinegg wird im deutschen Martylogium unter den Laien zu den Märtyrern gezählt, die wegen ihres christlichen Glaubens in den Tod gegangen sind. Eine Ausstellung am Hohen Dyk 130, in den Räumen der St.-Hubertus-Gemeinde, weist noch bis 24. Januar auf sechs Märtyrer aus Krefeld hin. Das Schicksal von Hanns Georg Heintschel-Heineggs ist dort nicht aufgeführt.

Als Hanns Georg sechs Jahre alt ist, zieht seine Familie nach Wien um. Sie wohnen in unmittelbarer Nähe zur berühmten Karlskirche. Hanns Georg geht auf das Theresianum, eine gymnasiale Eliteschule mit aristokratischer Prägung. Hier kommt der Jugendliche zum ersten Mal mit Dichtern und Schriftstellern wie Rainer Maria Rilke, Stefan George, Joseph Freiherr von Eichendorff oder auch Hugo von Hofmannsthal in Berührung. Hanns Georg ist begeistert, er entdeckt seine Leidenschaft und Liebe für Lyrik. Er schreibt auch selbst - 23 Gedichte verfasst der Schüler zu seiner Wahlheimat Wien.

Im Philosophie- und Theologiestudium im Canisianum in Innsbruck verbringt Hanns Georg von Heintschel-Heinegg nach eigenem Bekunden die glücklichste Zeit seines Lebens. Allerdings erfolgt im März 1938 der "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich. Die Nazis bauen ihre Macht aus, der Zweite Weltkrieg steht bevor. Die "Gestapo" durchsucht das Priesterseminar, verhaftet von Heintschel-Heinegg und seine Kollegen, die aber allesamt bald wieder frei kommen. Ende November 1938 muss das Canisianum zwangsweise schließen.

In Innsbruck nimmt von Heintschel-Heinegg an etlichen Exerzitien teil und arbeitet als "Volkszählungshilfskraft". 1939 schließt er sich dem Kaufmann Gerhard Fischer-Ledenice und dessen österreichischer Freiheitsbewegung an. Die Ideologie der Nazis lehnen sie dort strikt ab. Die Widerstandskämpfer entwickeln Pläne für Österreich, für den Fall einer deutschen Niederlage im Krieg. Von Otto Hartmann, einem Burgschauspieler, wird die Freiheitsbewegung an die "Gestapo" verraten und verkauft. Die entwickelten Pläne werden ihnen als "Vorbereitung zum Hochverrat" angelastet.

Von Heintschel-Heinegg landet am 7. Juli im Gefängnis in Anrath, wo man ihm das Schreiben verbietet. Sein Mithäftling Priester Heinrich Zeder nennt das die "Hölle von Anrath". Vier Monate später wird er nach Krefeld verlegt. Obwohl die Gefangenen dort etwa während der Luftangriffe gefesselt in den Zellen bleiben müssen, empfindet der Theologiestudent die Zeit in Krefeld als angenehmer. Er findet dort Raum zum Schreiben. Auch bei seinem zweiten Aufenthalt in der Haftanstalt in Anrath zu Beginn des Jahres 1942 kann er noch dichterisch wirken.

Doch dann kommt der Februar 1944. Der Zweite Senat des Volksgerichtshofs in Wien verurteilt Hanns Georg von Heintschel-Heinegg zum Tode "mit immerwährendem Ehrverlust". Im Mai ist er schon einmal für die Hinrichtung vorgesehen. Eine krude Depesche aus Berlin hält das auf. Dann muss er wieder warten. Monatelang. Auf seinen Tod.

(RP)
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