Serie 100 Jahre Erster Weltkrieg Wie der Erste Weltkrieg Krefeld veränderte

Krefeld · Krefeld war bis 1914 eine aufstrebende, wohlhabende Industriestadt. Der Krieg schnitt diese Entwicklung abrupt ab. Die Stadt brauchte am Ende Jahrzehnte, um wieder tritt zu fassen – und fand sich in einer neuen, globalisierten Welt wieder.

 Die aufstrebende Industriestadt Krefeld unterhielt eine Bahnlinie nach Moers zum Transport von Kohle. Das Foto entstand 1917 und wird im Stadtarchiv aufbewahrt. Die industrielle Entwicklung Krefelds wurde mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterbrochen — die Stadt prägt dieser Einschnitt bis heute.

Die aufstrebende Industriestadt Krefeld unterhielt eine Bahnlinie nach Moers zum Transport von Kohle. Das Foto entstand 1917 und wird im Stadtarchiv aufbewahrt. Die industrielle Entwicklung Krefelds wurde mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges unterbrochen — die Stadt prägt dieser Einschnitt bis heute.

Foto: Stadtarchiv Krefeld

Krefeld war bis 1914 eine aufstrebende, wohlhabende Industriestadt. Der Krieg schnitt diese Entwicklung abrupt ab. Die Stadt brauchte am Ende Jahrzehnte, um wieder tritt zu fassen — und fand sich in einer neuen, globalisierten Welt wieder.

Serie 100 Jahre Erster Weltkrieg: Wie der Erste Weltkrieg Krefeld veränderte
Foto: Bayer

Vor 100 Jahren war Krefeld auf dem Weg zur Vollbeschäftigung — wenn nicht die Katastrophe des Ersten Weltkrieges die Stadt weit zurückgeworfen hätte. Zu Zeiten des Kaiserreichs wuchs die Bevölkerung rasant, es ging aufwärts in Krefeld. Triebfedern waren ein starkes Bevölkerungswachstum und die zunehmende Bedeutung Krefelds als Industriestandort. Von 1871 bis 1914 stieg die Einwohnerzahl von 57.000 auf 134.000. Der Erste Weltkrieg unterbrach diese Entwicklung und stürzte die Stadt in eine Jahrzehnte währende Depression — denn dem Krieg folgte ein Krisenjahrzehnt, bevor die zweite europäische Katastrophe heraufzog.

Serie 100 Jahre Erster Weltkrieg: Wie der Erste Weltkrieg Krefeld veränderte
Foto: Bayer

Bis 1914 eine junge, aufstrebende Großstadt

Bis 1914 bot Krefeld das Bild einer aufstrebenden Großstadt. Dahinter stand eine Geburtenrate, wie sie danach nie wieder erreicht wurde: Während eine Frau in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts durchschnittlich 4,2 Kinder bekam, sind es heute 1,4 Kinder. Für den hohen Bevölkerungszuwachs waren vor allem die steigende Produktivität in der Landwirtschaft und der medizinische Fortschritt verantwortlich. Im Ergebnis war Krefeld eine junge Stadt. Im Jahr 1910 waren 60 Prozent der Bevölkerung jünger als 30 Jahre — heute sind es nur noch 30 Prozent.

Neben der Textilindustrie etablierten sich auch andere Industriezweige: Im Jahr 1900 wurde die Crefelder Stahlwerke AG gegründet, 1901 fiel die Entscheidung, einen Hafen zu bauen. Schon im späten 19. Jahrhundert hatten sich in Krefeld — oder genauer gesagt: im damals noch eigenständigen Uerdingen am Rhein — aus der Textilfärberei, die Waschmittel und Duftstoffe hervorbrachte, die ersten Ansätze der chemischen Industrie gebildet. So war die 1877 von Edmund ter Meer gegründete Teerfarbenfabrik Dr. E. ter Meer & Cie. ein auf Textilfarben spezialisiertes Chemieunternehmen, das etwa 1500 Mitarbeiter beschäftigte. Die neuen Industrieschwerpunkte bilden sich heraus: Chemie, Metall, Maschinen- und Fahrzeugbau sowie Stahl.

Plötzlich waren 10.000 Krefelder arbeitslos

Dennoch: Eine außerordentliche Wirkkraft auf das Leben in der Stadt und das Sozialgefüge im Krefelder Lebensraum übte nach wie vor die Textilindustrie aus. Die harten Arbeitsbedingungen führten auch zu sozialen Konflikten und Arbeitskämpfen. Der letzte Streik vor dem Krieg endet am 20. März 1912.

Der Erste Weltkrieg führte zu einem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit auf rund 10.000 Menschen. Er resultierte aus Einberufungen und der Umstellung auf die Kriegsproduktion. Durch diese Umstellung wurde ein Teil der Arbeitskräfte in die Arbeitslosigkeit entlassen, während auf der anderen Seite Arbeitskräftemangel herrschte, weil die Arbeitsplätze der Eingezogenen nicht umgehend wieder besetzt werden konnten. Der Ausfall der männlichen Arbeitskräfte musste aufgefangen werden. Das Bild vom "Mann im Betrieb" und der "Frau hinter dem Herd" war überholt. Das neue Motto lautete: die "Frau im Betrieb", "der Mann im Feld".

Auf den Krieg folgten Inflation und Weltwirtschaftskrise

Der Krieg schwächte die Industrieunternehmen dramatisch. Bayer etwa resümiert in seiner Unternehmensgeschichte: "Die Bilanz des Krieges ist verheerend. Das Auslandsvermögen geht weitgehend verloren, und die Exportmärkte, von denen die weitere Entwicklung abhängt, bleiben zum großen Teil versperrt." Der Aufbau war schwierig; denn nach dem Krieg kam Krefeld ebenso wenig zur Ruhe wie Deutschland: Im Krisenjahr 1923 erschütterte das Land die rasende Inflation. Seit Mitte 1925 setzte in Krefeld zwar eine leichte, ab Oktober 1927 eine deutliche Erholung ein, heißt es in Band V der Geschichte der Stadt Krefeld — 1929 aber wurden die ersten Blüten dieses Aufschwungs in der Weltwirtschaftskrise wieder zerstört.

Parallel dazu mussten sich die Krefelder Industrieunternehmen durch Fusionen gegen wachsende Konkurrenz wehren: 1925 fusionierten die chemischen Werke von Weiler-ter Meer in Uerdingen zur IG-Farbenindustrie; 1927 gründete sich die Deutsche Edelstahlwerke AG unter Beteiligung des Krefelder Stahlwerks. Bis heute sind solche Fusionen Zeichen für krisenhafte Umbrüche.

Unsicherheit und Arbeitslosigkeit waren Boden für Hitlers Saat

Unterm Strich lässt sich sagen, dass das Wirtschaftsleben im Ersten Weltkrieg und in den eineinhalb Jahrzehnten danach von Unsicherheit und Arbeitslosigkeit geprägt war. Das war der Boden, auf dem die Saat Hitlers aufgehen konnte. Er stürzte die Welt dann in einen neuen Krieg. Nach dieser zweiten Wiederaufbauphase fand sich die Krefelder Industrie in einer neuen, nun globalisierten Welt zu wieder.

Im Rückblick lässt sich sagen: Die Phase des Aufstiegs und des Wohlstands, die bis 1914 in der aufstrebenden Industriestadt herrschte, war mit dem Ausbruch des Krieges 1914 auf Jahrzehnte erst einmal vorbei.

(RP)
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