"Wahlverwandtschaften e.V." Zum Weltfrauentag: Krefelder Projekt gegen Einsamkeit ausgezeichnet

Krefeld/Mönchengladbach · Christine Wichert (49) lächelt ab heute als Vorbild von Werbeplakaten in ganz Deutschland und wohnt seit zehn Jahren in der Schweiz. In Krefeld und Mönchengladbach führt sie mit ihrem Projekt "Wahlverwandtschaften e.V." einsame Menschen zusammen.

Das sind die ehrenamtlich engagierten Frauen
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Ob sie im November auf einer großen Gala mit Moderator Kai Pflaume und Schirmherrin Ursula von der Leyen ausgezeichnet wird, weil sie das Leser-Voting der "Bild der Frau" gewinnt ist Christine Wichert gar nicht so wichtig. Allein dass sie es mit ihrem Projekt in die Vorauswahl von fünf ehrenamtlich engagierten Frauen geschafft hat, wird "Wahlverwandtschaften e.V." viel Aufmerksamkeit bringen, hofft sie.

Als sie 32 war, waren Wicherts Eltern tot

In Krefeld und Mönchengladbach finden durch den von ihr gegründeten Verein seit 2009 Menschen zueinander, die keine lebenden Familienmitglieder mehr haben.

Wichert teilt dieses Schicksal. Als sie 24 war, starb ihre Halbschwester an Epilepsie. Zwei Jahre später ertrank ihr Vater beim Segeln, nur sechs weitere Jahre später verlor sie auch ihre Mutter durch Lungenkrebs.

Mit 32 Jahren war sie ganz allein.

Seit 17 Jahren müsste sie heute ohne Familie durchs Leben gehen — wenn sich nicht 2001 auf einer Studienreise durch China eine ungewöhnlich enge Freundschaft zu Ada und Ilse (damals beide 71) ergeben hätte.

 Der Vorstand des als gemeinnützig anerkannten Vereins "Wahlverwandtschaften e.V." (von links): Verena Koppe, Dr. Michael Vollert, Dr. Salima Douven und Dr. Christine Wichert.

Der Vorstand des als gemeinnützig anerkannten Vereins "Wahlverwandtschaften e.V." (von links): Verena Koppe, Dr. Michael Vollert, Dr. Salima Douven und Dr. Christine Wichert.

Foto: Wahlverwandtschaften e.V.

Selbsthilfegruppe für Einsame — generationenübergreifend

Bis heute sind die patenten Damen aus Köln wahre "Ersatz-Mütter" für Wichert: Die drei besuchen einander regelmäßig, fahren gemeinsam in Urlaub und verbringen Weihnachten miteinander: Freunde fürs Leben eben — oder auch "Wahlverwandte". Wicherts Ziel ist, einsame Menschen zusammenzuführen, damit sie einander gegenseitig Trost und Freude schenken. "Keiner in Krefeld soll mehr allein sein", so lautet die Vision.

In dem als gemeinnützig anerkannten Verein "Wahlverwandtschaften e.V." geht es nicht etwa um Partnervermittlung. Vielmehr treffen sich hier etwa alle sechs Wochen einsame, erwachsene Menschen aus allen Generationen in der Hoffnung, einen Seelenverwandten zu finden, eine "Schwester" oder einen "Bruder" eben, ganz ohne religiöse oder sektenartige Untertöne.

Langsam, aber sicher gibt es Erfolge

Anstrengend war lange der Kontakt mit den Behörden. "Wir passten einfach in keinen Paragraphen", erinnert sich Wichert. Und obwohl sich drei Viertel des vierköpfigen Vorstands beruflich mit Marketing beschäftigen, kam das Projekt lange nicht richtig in Gang. Potenzielle Förderer zweifelten daran, dass es nicht-kommerziell ist, viele Betroffene konnten nicht glauben, dass es für sie kostenlos ist.

Berührungsängste gab es auch bei Institutionen wie Mehrgenerationenhäusern. Und mehr als eine am Projekt Interessierte mit sozialem Hintergrund wurde von ihrem Arbeitgeber "zurückgepfiffen". In der Caritas haben Wichert und ihre Mitstreiter aber einen Partner gefunden.

Wichert beklagt, dass Einsamkeit ein starkes soziales Stigma sei, das totgeschwiegen werde. Besonders um ältere Männer sorgt sich. Jüngere Menschen hätten — bei aller Gefahr zur "Oberflächlichkeit" bei vor allem virtuellen Kontakten über Facebook und Co. — per se mehr Möglichkeiten, andere Menschen kennenzulernen.

Wie viele "Wahlverwandtschaften" ihr Verein vermittelt hat, weiß Wichert übrigens nicht. "Einige Dutzend dürften es aber schon sein", sagt sie. "Und selbst für eine einzige hätte sich unsere Mühe gelohnt."

Mehr Informationen über alle Preisträgerinnen gibt es auf der Website des Wettbewerbs "Goldene Bild der Frau".

Mit den Vereinsverantwortlichen kann man wie folgt in Kontakt treten:

Wahlverwandtschaften e.V.
Hermannstraße 10
41061 Mönchengladbach

Telefon: 02161 / 3043407
E-Mail: info@wahlverwandtschaften.org
Internet: www.wahlverwandtschaften.org

(pst)
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