Sorge in Region Aachen vor Atomunfall in Belgien Verteilung von Jodtabletten beginnt — das müssen Sie wissen

Kreis Heinsberg · Risse im Hochdruckkessel, brennende Schalttafeln: Das belgische AKW Tihange, knapp 70 km Luftlinie vom Kreis Heinsberg entfernt, gilt als Risikofaktor. Ab Freitag erhalten Menschen in der Region Medikamente, die bei einem Atomunfall schützen sollen. Die Verteilung ist in dieser Art einmalig in Deutschland.

 Das belgische Atomkraftwerk Tihange.

Das belgische Atomkraftwerk Tihange.

Foto: dpa, rj fdt

Menschen in Stadt und Städte-Region Aachen und in den Kreisen Düren, Euskirchen und Heinsberg, die jünger als 45 Jahre sind sowie Schwangere und Stillende unabhängig von ihrem Alter, haben nun die Möglichkeit, sich kostenfrei mit Jodtabletten zu versorgen. Mehr als 1,5 Millionen Menschen leben in der Region, 600.000 haben einen Anspruch auf Jodtabletten. Für die Abschaltung von Tihange macht sich seit längerem ein breites gesellschaftliches Bündnis aus Bürgern, Kommunen und Politik stark. Erst im Juni hatten rund 50.000 Atomkraftgegner aus Deutschland, den Niederlanden und Belgien mit einer 90 Kilometer langen Menschenkette gegen die als marode geltenden belgischen Atomkraftwerke Tihange und Doel demonstriert. Sie verlangten, die Reaktoren sofort abzuschalten. Auch Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) unterstützt die Forderung.

Die Jodtabletten werden nach Angaben der Kommunen vom 1. September bis zum 30. November verteilt. Über ein Onlineportal des Kreises Heinsberg (https://jodtabletten.kreis-heinsberg.de/Seite wird erst am 1. September freigeschaltet) kann pro Haushalt ein Bezugsschein für Jodtabletten beantragt und — nachdem auf digitalem Weg ein ausdruckbarer Bezugsschein ausgestellt wurde — in einer beliebigen Apotheke kostenfrei eingelöst werden. Die teilnehmenden Apotheken — eine Übersicht hierzu gibt es auf der Seite der Apothekerkammer Nordrhein www.aknr.de — geben nach Auskunft der Heinsberger Kreisverwaltung dann die entsprechenden Tablettenblister sowie einen Informationsflyer und einen Beipackzettel an die Bezugsberechtigten aus. Die Aktion läuft insgesamt drei Monate, also bis zum 30. November. Anträge auf Bezugsscheine können allerdings nur bis zum 15. November gestellt werden.

Mit den kostenfreien Tabletten werden ein Informationsflyer und ein Beipackzettel ausgegeben. Außerdem geben die Apotheker Hilfestellungen. Jodtabletten sind nicht rezeptpflichtig und in Apotheken frei verkäuflich.

Die Einnahme von Jodtabletten "sättigt" die Schilddrüse mit (nicht radioaktivem) Jod und verhindert nach einem Atomunfall so die Aufnahme von radioaktivem Jod; Schilddrüsenkrebs soll so verhindert werden. Nach der Strahlenschutzkommission des Bundes dürfen die Jodtabletten aber nur nach entsprechender Aufforderung nach einem atomaren Unfall eingenommen werden. Eine nicht zeitentsprechende Einnahme ist nutzlos und sogar schädlich. Auch für Menschen, die älter als 45 sind, so die Kommission, ist das Risiko durch die Nebenwirkungen der Jodtabletten größer als das Risiko einer zukünftigen Schilddrüsenkrebserkrankung. Wichtig also: Die Jodtabletten dürfen nicht vorsorglich sondern nur nach entsprechender Aufforderung der Katastrophenschutzbehörde eingenommen werden.

Ergänzend zu der am 1. September beginnenden Vorverteilung der Jodtabletten gibt es seit dem Frühjahr eine Informationsbroschüre. In der Broschüre "Information für die Bevölkerung in der Umgebung der Kernkraftwerkes Tihange (B)" wird sachlich und informativ erklärt, wie die Katastrophenschutzbehörden im Ernstfall für eine Information der Bevölkerung sorgen und welche Verhaltensregeln empfohlen werden. Und es geht um Vorsorge- und Vorsichtsmaßnahmen, wie zum Beispiel die Vorverteilung von Kaliumiodidtabletten. Viele wissenswerte Aspekte zum Katastrophenschutz sind in der Broschüre zusammengefasst. Fragen wie "Was kann passieren?" oder "Wie wirkt Radioaktivität?" werden beantwortet und auch die so genannte "Ines-Skala" zur Bewertung der Stärke von nuklearen und radiologischen Ereignissen wird erläutert. Die von der Koordinierungsgruppe herausgegebene gemeinsame Broschüre "Information für die Bevölkerung in der Umgebung des Kernkraftwerkes Tihange (B)" kann über die Homepages der beteiligten Gebietskörperschaften, zum Beispiel unter www.kreis-heinsberg.de, aufgerufen und herunter geladen werden.

 Der Heinsberger Landrat Stephan Pusch unterstützt die Forderung nach Abschaltung der belgischen AKWs Tihange und Doel.

Der Heinsberger Landrat Stephan Pusch unterstützt die Forderung nach Abschaltung der belgischen AKWs Tihange und Doel.

Foto: Kreis Heinsberg

Für Rückfragen zur Onlinebeantragung der Bezugsscheine stehen, ebenfalls ab dem 1. September, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Heinsberger Kreisverwaltung unter der Telefonnummer 02452 130 zur Verfügung.

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