Heinsberg Bessere Bildung statt Grundeinkommen

Heinsberg · Fragen der sozialen Gerechtigkeit und Teilhabe bestimmten eine Tagung der Regionalen Armuts- und Arbeitsmarktkonferenz.

 Der Politikwissenschaftler und gefragte Sozialexperte Professor Christoph Butterwegge - hier bei einer Veranstaltung der Hochschule Niederrhein - übte als Gastredner in Oberbruch Kritik an der Steuergesetzgebung.

Der Politikwissenschaftler und gefragte Sozialexperte Professor Christoph Butterwegge - hier bei einer Veranstaltung der Hochschule Niederrhein - übte als Gastredner in Oberbruch Kritik an der Steuergesetzgebung.

Foto: Ilgner (Archiv)

"Recht auf gutes Leben" lautete das Thema bei der Regionalen Armuts- und Arbeitsmarktkonferenz im Kreis Heinsberg in der Festhalle Oberbruch. Arbeit gestalten, Armut bekämpfen und Teilhabe sichern waren die Aspekte, die durchleuchtet werden sollten und zu denen es angesichts der Komplexität keine konkreten Ergebnisse geben konnte. Mithin war das Fazit von Moderator Heinz Liedgens und Mitorganisator Johannes Eschweiler nach vierstündiger Konferenz zwangsläufig: Das Thema erfordert noch viele Diskussion.

Seinen Höhepunkt hatte die Konferenz schon mit dem Eröffnungsreferat von Professor Dr. Christoph Butterwegge. In seinem von Eschweiler als "erfrischend" bezeichneten Vortrag ließ der Politikwissenschaftler aus Köln kein gutes Haar an den Bemühungen der Politik, die Armut in Deutschland zu bekämpfen.

Das Gegenteil sei der Fall, durch die neuerliche Steuergesetzgebung würde es den Reichen, vornehmlich den Familienunternehmen, den "Oligarchen der deutschen Wirtschaft", ermöglicht, noch reicher zu werden. Der Staat verzichte damit auf Geld, das er zur Bekämpfung der Armut gut brauchen könnte. "Wer den Reichen gibt, hat nichts für die Armen."

Auf eine Diskussion konnte sich Butterwegge nicht einlassen, es zog ihn zu seinem zehn Monate alten Sohn. Ihm wolle er eine "bessere, sozialere und demokratischere Welt" hinterlassen, meinte er und gab damit den Konferenzteilnehmern einen Denkanstoß, den sie in anschließenden Arbeitskreisen berücksichtigen konnten. Gibt es überhaupt noch einen handlungsfähigen Sozialstaat? Wie kann Arbeit neu definiert und ressourcengerecht verteilt werden? Ist eine bedarfsorientierte Grundsicherung erforderlich? Fragen, die in den Arbeitskreisen diskutiert werden sollten und die in Fragen für die abschließende Podiumsdiskussion mündeten.

Es müsse eine Arbeitswelt geschaffen werden, die menschenwürdig sei, von der man leben könne und durch die eine Versorgung im Alter sichergestellt sei, fordert Kirstin Fuß-Wöbbert für ihren Arbeitskreis.

Das sei eine Forderung, die er voll und ganz unterstütze, meine SPD-MdB Norbert Spinrath. Einen Schritt in diese Richtung habe die Politik gemacht, indem sie den Mindestlohn beschlossen habe. Dieser werde, wie CDU-MdB Wilfried Oellers ergänzte, demnächst angehoben. Der Mindestlohn habe dazu geführt, dass "unanständigen Löhnen" ein Riegel vorgeschoben worden sei. Christian Trox, Geschäftsführer des Jobcenters Kreis Heinsberg, warnte davor, sich mit der Mindestlohnregelung zufriedenzugeben. Man müsse bedenken, dass Beschäftigungen in Jobs mit geringer Qualifikation immer weniger würden.

Wie eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich werden könne, ohne sich über einen Job zu definieren, wollte Andreas Wagner für seinen Arbeitskreis wissen. Angeregt wurde eine Besserstellung der ehrenamtlichen Tätigkeit, sie müsse als "Arbeit" bewertet und anerkannt werden. Die Teilhabe sei auch eine Frage der Haltung und der Einstellung jedes Einzelnen, meinte Trox. Teilhabe könne nur gelingen, wenn die ausgegliederten Menschen durch eine sinnvolle Tätigkeit wieder an die Gesellschaft herangeführt würden, sagte Spinrath. Oellers regte an, ehrenamtliche Tätigkeiten mehr zu würdigen, etwa durch Vergünstigungen beim ÖPNV oder, wie Spinrath zufügte, durch eine Ehrenamtskarte.

Zu einem garantierten Grundeinkommen wollte Eschweiler im Namen seines Arbeitskreises die Position der drei Diskutanten erfahren. Die Antworten waren eindeutig: Das Leben sei kein "Wünsch dir was", sagte Spinrath. Die Menschen müssten auch gefordert werden. Jeder habe die Chance auf gleiche Bildung, aber es gebe auch "Bildungsunwillige". Oellers vertrat einen ähnlichen Standpunkt. Die Einkommensgarantie würde dem Leistungsgedanken zuwiderlaufen. Mit Bildung sei eine sichere Zukunft möglich. Es müsse aber das Bestreben nach Bildung vorhanden sein. Dass dies nicht immer der Fall sei, hat Trox erkennen müssen. Wenn Qualifizierungsangebote nicht angenommen würden, komme man schnell in die Diskussion der mangelnden Bildungsbereitschaft.

Ein garantiertes Grundeinkommen sei nicht der richtige Weg, meinten die drei vom Podium und kamen damit zu dem Ergebnis, das auch Butterwegge gezogen hatte, als er dem bedingungslosen Grundeinkommen eine klare Absage erteilte.

So blieb ein Thema mit vielen offenen Fragen und einem erheblichen Diskussionsbedarf.

(kule)
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