Wegberg Die Freude am Amt nie verloren

Wegberg · Nach 15 Jahren scheidet Wegbergs Bürgermeisterin Hedwig Klein am 20. Oktober aus dem Amt. Wehmut, Zufriedenheit und Hoffnung prägen ihre Gemütslage. Die 63-Jährige blickt auf ein erfülltes Berufsleben zurück.

Hedwig Klein (63) genießt jeden Tag, jede Stunde. Morgens um kurz vor acht nimmt sie hinter dem großen Schreibtisch im Bürgermeisterbüro Platz. Aufmerksam blättert sie die Zeitungen durch, prüft Verwaltungsvorlagen und bereitet Informationsveranstaltungen vor. Am 20. Oktober ist Schluss damit. Nach 15 Jahren wartet der letzte Arbeitstag auf die Bürgermeisterin.

"Ich habe die Freude am Bürgermeisteramt nie verloren", sagt sie rückblickend. Sie macht keinen Hehl daraus: Seitdem sie weiß, dass der 20. Oktober ihr letzter Arbeitstag ist, geht sie jeden Morgen mit einer gehörigen Portion Wehmut ins Rathaus. "Ich fühle aber auch Zufriedenheit und neue Hoffnung", sagt Klein. Während ihrer Amtszeit gab es viele Herausforderungen: die Entwicklung der Innenstadt und Gewerbegebiete, Planung und Bau der B 221n, der Kampf gegen die Reaktivierung des Eisernen Rheins, die Umstrukturierung der Schulen zum Ganztag, der Ausbau der Betreuung unter Dreijähriger in den Kindergärten und das Stadtmarketing, das sie gerne als ihr "liebstes Kind" bezeichnet.

Zu ihrem Markenzeichen machte die Frau mit der Zahnlücke in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten die so genannte Bierdeckel-Methode: Bei Pfarr- und Schützenfesten, Vereinsjubiläen, Dorfversammlungen und Goldhochzeiten notierte die Kipshovenerin auf Bierdeckeln die Sorgen und Nöte der Bürger, um tags darauf im Wegberger Rathaus nach einer Lösung zu suchen.

Hedwig Klein erlebte nicht nur gute Tage im Amt. Über den Klinikskandal spricht sie nicht gerne. Die Entwicklung am Wegberger Krankenhaus könne man nur bedauern, sagt sie. Und bleibt dabei: Die Entscheidung, das wirtschaftlich angeschlagene 93-Bettenhaus an Dr. Arnold Pier zu verkaufen, sei der einzige Weg gewesen.

Ursprünglich war in Kleins Planungen der 20. Oktober 2009 nicht als letzter Arbeitstag vorgesehen. Sie wollte ein drittes Mal für das Bürgermeisteramt kandidieren. Als CDU-Fraktionsvorsitzender Reinhold Pillich (53) seine Ambitionen auf das Amt deutlich machte, dachte Hedwig Klein lange darüber nach, aus dem Bürgermeisteramt gegen ihn anzutreten. Sie tat es nicht. Eine Zerreißprobe für die CDU Wegberg und ein Machtkampf um das Amt wären die Folgen gewesen, glaubt sie. Das wollte Klein nach 40 Jahren ihrer Partei nicht antun. "Macht habe ich in meinem Leben nie angestrebt", sagt sie.

Dass in wenigen Wochen der Ruhestand beginnt, kann sich Klein noch gar nicht vorstellen. Sie hat sich neue Aufgaben gesucht, sitzt für die CDU im Kreistag. Aus der ersten Fraktionssitzung nahm sie positive Eindrücke mit. Nach vielen Jahren traf sie frühere politische Weggefährten wie Wiljo Caron, Franz-Josef Beckers oder Liane Jüngling wieder. "Das ist ein Stück Heimat, das mir lange gefehlt hat", sagt sie.

Klein freut sich darauf, dass ihr künftig mehr Zeit bleibt, um Freundschaften zu pflegen und mit ihren Patenkindern die Tiere in der Naturschutzstation Haus Wildenrath zu besuchen. "Ich werde mich wieder mehr für die Kirche engagieren, habe mit Pfarrer Matthäus Zuska schon darüber gesprochen." Klein, die schon in den 1960er Jahren als einzige Frau weit und breit in der katholischen Kirche Messdiener ausbildete, möchte Wortgottesdienste und Andachten halten, mit Menschen aus ihrer Heimat über religiöse Themen ins Gespräch kommen. Und bei Bedarf auch seelsorgerisch tätig sein.

Hedwig Klein hat einen weiteren Herzenswunsch für die Zeit nach dem 20. Oktober: "Wenn meine Stimme es mitmacht, würde ich gerne im Beecker Kirchenchor singen", sagt sie. "Ich hoffe, Chorleiter Helmut Misgaiski kann meine tiefe Tonlage irgendwie integrieren", fügt sie schmunzelnd hinzu.

(RP)
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