Erkelenz Die neue Lust am Tauschen und Leihen

Erkelenz · Bisher ist die "Sharing Economy", die Ökonomie des Teilens, ein Thema für Metropolen - Experten erklären, wieso das Tauschen und Leihen im App- und Internetzeitalter auch für einen Landkreis wie Heinsberg neu entdeckt werden sollte.

 Daniel Bartel (v. l.), Sparkassenvorstand Thomas Pennartz und Professor Dr. Harald Heinrichs diskutieren beim "Forum Kommunal" der Kreissparkasse Heinsberg die neue Lust am Teilen.

Daniel Bartel (v. l.), Sparkassenvorstand Thomas Pennartz und Professor Dr. Harald Heinrichs diskutieren beim "Forum Kommunal" der Kreissparkasse Heinsberg die neue Lust am Teilen.

Foto: Jürgen Laaser

Schon immer haben die Menschen getauscht und geteilt. Heute ist es vielleicht die Bohrmaschine, die beim Nachbarn geliehen wird. Es kann auch die Hilfe sein, die im Kreis Heinsberg von Menschen für Menschen angeboten wird, worin unter anderem die Senioren-Initiative Erkelenz oder die Kirchen koordinierend tätig sind. Gedacht werden kann an die hiesigen Bürgersolargenossenschaften oder den Internet-Verschenkmarkt der Stadt Wegberg - das alles kommt in den Sinn, wenn Experten über die aufstrebende "Sharing Economy", die Ökonomie des Teilens, berichten.

Die Kreissparkasse Heinsberg hatte Professor Dr. Harald Heinrichs und Daniel Bartel zu einem Diskussionsabend in die Hauptstelle nach Erkelenz eingeladen. Dort erklärten sie, wie sich das Tauschen, Leihen und Teilen im Zeitalter von Smartphones und Internet fortentwickelt und vereinfacht hat und wie der Kreis Heinsberg von der "Sharing Economy" profitieren könnte.

Meist sind es internetbasierte Start-ups, die neue Angebote entwickeln. "Auch in Deutschland schießen sie wie Pilze aus dem Boden", sagte Dr. Harald Heinrichs, gebürtig aus Wegberg und Professor für Nachhaltigkeit und Politik an der Universität Lüneburg. "Meist stellen sie Erfolgsgeschichten dar." Ein solcher Erfolg sei das Car-Sharing: "Aktuelle Zahlen belegen, dass es vier Millionen Nutzer gibt, ein Jahr zuvor waren es bundesweit erst 750 000." Laut einer Studie seien 40 Prozent der Deutschen offen für die "Sharing Economy". Vor allem seien es junge, städtische und flexible Menschen, aber auch Menschen mit mittleren Einkommen, die sie praktizierten, um Kosten zu senken oder Geld einzunehmen. Ebay biete ihnen zum Beispiel eine Plattform.

Chancen bietet die "Sharing Economy" Heinrichs zufolge, um den Ressourcenverbrauch zu reduzieren, neue Geschäftsideen zu entwickeln oder das Soziale zu stärken. Risiken seien bei internetbasierten Angeboten der Datenschutz, dass bestehende Geschäftsideen verdrängt werden könnten und dass der Effekt auf das Wirtschaftswachstum noch unklar sei. Dennoch: "Ich sehe gerade für den ländlichen Raum Potenziale, die in Mehrgenerationenhäusern, solidarischer Landwirtschaft, Energiegenossenschaften oder der Vermittlung von Kompetenzen und Fähigkeiten liegen können. Die großen Metropolen springen gerade auf den Zug auf, mir ist in Deutschland aber nicht bekannt, dass ein Landkreis das Thema vorantreibt - mein Wunsch wäre, dass der Kreis Heinsberg vorangehen könnte."

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Der zweite Referent, Daniel Bartel, lebt in Stuttgart. Vor allem lebt er aber die "Sharing Economy". Er vermietet sein Zimmer über eine App, wenn er nicht zu Hause ist. Er mietet sich auf demselben Weg einen Arbeitsplatz, wo und wann er ihn benötigt. Er informiert Kommunen im Vorbeigehen, wenn er Straßenschäden oder defekte Laternen entdeckt, indem er einen Schnappschuss mit einer Smartphone-App weiterleitet. Und in Stuttgart zeigt ihm eine App, wo er privat für fünf Euro mitessen kann: "Meine Eltern wohnen in Linnich, da ist es schön, dass es Familien gibt, die mich für ein Essen aufnehmen." Er selbst betreibt das private Car-Sharing autonetzer.de, "schließlich steht ein Auto doch die meiste Zeit am Tag herum", obwohl es dazu gemacht sei, zu fahren.

"Sharing Economy" ist ein Phänomen, das laut Professor Heinrichs auf die Bankenpleiten der jüngeren Vergangenheit folgte und seit drei Jahren in Deutschland wächst. Deshalb werde es erst jetzt von der Politik in Berlin und Brüssel wahrgenommen. Denn, auch das wurde bei der Diskussion mit den Zuhörern deutlich: "Sharing Economy" birgt auch Risiken. Heinrichs erklärte am Beispiel des Zimmerverleihens gegen Gebühr: "Der Finanzminister ist inzwischen mit der Frage beschäftigt, wie damit steuerlich umzugehen ist." Die ersten drei Jahre habe die Politik am Spielfeldrand gestanden.

(RP)
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