Wegberg "Ein Schlag ins Gesicht"

Wegberg · Der mit Spannung erwartete Prozess im Klinikskandal wurde am Donnerstag schon nach wenigen Minuten vertagt. Nebenkläger Gerhard Lenzen (50) fühlt Wut und Trauer. Kaum jemand denkt an die Opfer, sagt er.

Prozess gegen Ex-Chefarzt Dr. Arnold Pier
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Ganz alleine steht Gerhard Lenzen mitten im Gerichtssaal. Der 50-Jährige blickt auf den leeren Stuhl, wo bis vor wenigen Minuten noch der Vorsitzende Richter Lothar Beckers (54) gesessen hat. Lenzen kämpft mit den Tränen.

Der Hauptangeklagte, Dr. Arnold Pier (53), und die weiteren fünf angeklagten Mediziner sowie deren Rechtsanwälte haben den Schwurgerichtssaal im Landgericht Mönchengladbach längst verlassen. "Ich habe eine unglaubliche Wut im Bauch", sagt Lenzen mit leiser Stimme, "ich will endlich Gerechtigkeit für meine verstorbene Mutter."

Befangenheitsantrag gestellt

Kurz zuvor war im Schwurgerichtssaal des Mönchengladbacher Landgerichts der Prozess um einen der größten Krankenhausskandale in der Geschichte der Bundesrepublik schon nach wenigen Minuten vertagt worden. Rechtsanwalt Egon Geis (78), der die Rechte des angeklagten Wegberger Ex-Chefarztes Dr. Arnold Pier vertritt, stellte einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Lothar Beckers und eine Beisitzerin.

Sie seien möglicherweise voreingenommen, da sie im April 2008 einen Haftbefehl gegen den Mediziner erlassen und dabei womöglich die Feststellungen der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach ungeprüft übernommen hätten. Richter Beckers unterbrach das Verfahren.

Eigentlich war Gerhard Lenzen auf diesen Moment bestens vorbereitet. Sein Rechtsanwalt Karlheinz Rabe, der in dem spektakulären Prozess zusammen mit seiner Rechtsanwaltskollegin Hiltrud Hören die Nebenkläger vertritt, hatte fest damit gerechnet, dass es so kommt. Man werde in diesem Verfahren wohl noch weitere derartige Manöver der Verteidigung erleben, meint Rabe. Für Lenzen war dieser Prozessauftakt dennoch "ein Schlag ins Gesicht", wie er sagt, weil kaum jemand an die Opfer denke.

Über zweieinhalb Jahre sei es nun her, dass seine 68-jährige Mutter Christel Lenzen nach mehrwöchiger Behandlung in der Wegberger Sankt Antonius Klinik gestorben sei.

Ein Bericht der Gerichtsmedizin gehe davon aus, dass in dem 93-Bettenhaus unter Piers Führung haarsträubende medizinische Fehler gemacht worden seien und dass seine Mutter während ihrer letzten Tage darunter habe leiden müssen. "Bis heute ist nichts passiert, obwohl Dr. Pier zwischenzeitlich sogar ins NRW-Gesundheitsministerium zitiert wurde", sagt Lenzen und schüttelt den Kopf.

Auf Lenzen hinterließ Pier im Gericht den gleichen Eindruck wie damals im Krankenhaus. Dass Pier Chef der Klinik war, habe er damals, als er fast jeden Tag neben dem Krankenbett seiner Mutter saß, erst nach Wochen aus der Zeitung erfahren, sagt Lenzen. Pier habe immer Leute gehabt, die er für sich sprechen ließ. In der Klinik seien es seine Arztkollegen gewesen, heute vor Gericht seien es die Anwälte.

(RP)
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