Serie Unternehmer Der Region Fast wie frisch gepresst

Mönchengladbach · Refresco in Herrath ist einer der größten deutschen Saftproduzenten. Im hauseigenen Entwicklungslabor entstehen ganz neue Kreationen - aber auch die Herstellung herkömmlichen Apfelsafts will gelernt sein. Ein Selbstversuch.

 RP-Redakteur Jan Schnettler mit Produktentwicklerin Stephanie Dorsch (l.) und Jasmin Viviani, Leiterin Produktentwicklung, im kürzlich für 200.000 Euro neu eingerichteten Entwicklungslabor von Refresco in Herrath.

RP-Redakteur Jan Schnettler mit Produktentwicklerin Stephanie Dorsch (l.) und Jasmin Viviani, Leiterin Produktentwicklung, im kürzlich für 200.000 Euro neu eingerichteten Entwicklungslabor von Refresco in Herrath.

Foto: Jörg Knappe

Mönchengladbach Als Erstes lerne ich, dass man zur Produktion von Apfelsaft Kenntnisse in höherer Mathematik benötigt - und dann, dass Brix nicht nur der Name eines Kommissars im "Tatort" ist. Ich stehe im Entwicklungslabor des Getränkeherstellers Refresco in Herrath, habe einen weißen Kittel übergeworfen, der mir ein wenig zu groß ist, und schnuppere an einer dickflüssigen Masse, die mich gedanklich jäh in eine Streuobstwiese in voller Pracht versetzt. Dann nippe ich daran - und stelle fest, dass so ähnlich wohl flüssiges Apfelkraut schmecken dürfte. Es handelt sich allerdings um Apfelsaftkonzentrat, und das werde ich gleich mit entmineralisiertem Wasser zu einem geschmeidigen Apfelsaft kombinieren.

Refresco ist einer der verstecktesten unter den vielen "Hidden Champions" des Wirtschaftsstandorts Mönchengladbach. Nicht, dass das Unternehmen an der Stadtgrenze zu Erkelenz sich abschotten würde - man liest nur einfach seinen Namen nicht so häufig. Weil es im Kerngeschäft für die Eigenmarken der Supermärkte und Discounter produziert, etwa Rio d'Oro (Aldi), Gut & Günstig (Edeka), Ja (Rewe) und Solevita (Lidl). Rein rechnerisch trinkt jeder Deutsche jährlich den Inhalt von mindestens 20 Kartons oder Flaschen aus dem Hause Refresco. Und wenn es sich dabei um Saft handelt, zumal noch um Apfelsaft, kommt dieser wahrscheinlich aus Mönchengladbach, denn das Herrather Werk ist der "Saftladen" unter den fünf deutschen Produktionsstandorten.

 Das Konzentrat bekommt Refresco geliefert. Daraus wird, nach engen Parametern, Saft. Das Konzentrat bekommt Refresco geliefert. Daraus wird, nach engen Parametern, Saft.

Das Konzentrat bekommt Refresco geliefert. Daraus wird, nach engen Parametern, Saft. Das Konzentrat bekommt Refresco geliefert. Daraus wird, nach engen Parametern, Saft.

Foto: Refresco

"Wir stellen hier zum einen die Geschmäcker und Rezepturen her, die unsere Kunden haben wollen", sagt Jasmin Viviani, Leiterin der Produktentwicklung. "Aber wir versuchen auch, Trends vorzuempfinden, entwickeln eigene Kreationen und stellen diese unseren Handelspartnern vor." Heute also mache ich selber Saft, verstärke das sechsköpfige Laborteam für einige Stunden.

Zunächst erhalte ich eine theoretische Einführung, dann geht es ran an die Waage - und an die höhere Mathematik. Eigentlich ist die Aufgabe simpel: eine genau festgelegte Menge Konzentrat mit einer genau festgelegten Menge Wasser vermischen, umrühren, fertig. Doch wenn ich mit der Pipette auch nur um einen Tropfen danebenliege und das vorgegebene Verhältnis nicht ganz erreiche, kann der Fruchtgehalt theoretisch plötzlich jenseits der 100 Prozent liegen - obwohl mir das mathematisch schwierig erscheint. Dann würde ich auch den vorgegebenen Brix-Wert verpassen, der die Summe aller gelösten Stoffe, in unserem Fall den Gehalt an fruchteigenem Zucker, beschreibt. Doch ich habe Glück, treffe das richtige Verhältnis genau. Auch wenn ich zugeben muss, dass Jasmin Viviani und Produktentwicklerin Stephanie Dorsch mir die mit Abstand simpelste aller möglichen Aufgaben gestellt haben. "Der Verbraucher möchte immer denselben Geschmack und Farbton", sagt Viviani. Und beschreibt damit das Problem, dass Äpfel zwar, bedingt durch verschiedene Sorten, Erntezeiten und Sonneneinstrahlung, immer anders schmecken, andere Farbtöne sowie Säure- und Zuckergehalte aufweisen, der aus ihnen hergestellte Saft aber möglichst immer gleich schmecken soll. Der Brix-Wert des Fruchtsafts muss aber dem aus der Frucht gewonnenen Saft entsprechen und darf nicht verändert werden - sonst darf man das Ganze nicht mehr Saft nennen. So will es die Fruchtsaft- und Erfrischungsgetränkeverordnung. "Wir können lediglich Verschnitte mit Saft derselben Fruchtart herstellen, um den Farbton zu regulieren", sagt Viviani.

In der Regel bekommt Refresco Konzentrate geliefert und stellt daraus Fruchtsaft her. "Es gibt keine qualitativen oder geschmacklichen Unterschiede zwischen Direktsaft und Saft aus Konzentrat", sagt Viviani. Direktsaft ist das, was direkt aus der Presse kommt - inklusive Fruchtfleisch oder Trübstoffen, im Fall von Apfelsaft also naturtrüb. Die Herstellung von Saft aus Konzentrat bietet den Vorteil, dass dieses länger haltbar und leichter zu transportieren ist. Zur Erstellung des Konzentrats wird der Direktsaft eingedampft, die leicht flüchtigen Aromastoffe werden sozusagen eingefangen und später durch den Prozess der Rearomatisierung wieder beigefügt. In meinem kleinen Experiment lasse ich das einmal weg und füge es einmal hinzu - der Unterschied ist tatsächlich markant.

Saft, ob Direkt- oder aus Konzentrat hergestellt, muss einen Fruchtgehalt von 100 Prozent haben, es dürfen keine Farb- oder Konservierungsstoffe beigemischt werden. Fruchtnektar hat lediglich einen Fruchtgehalt von 20 bis 50 Prozent, entsprechend höher ist der Wasseranteil. Eine Fruchtsaftschorle die dritte Variante, kann Saft, Fruchtmark oder Mischungen daraus enthalten, auch hier muss der Fruchtgehalt mindestens bei 50 Prozent liegen. "Oft liegt er bei Apfelschorlen bei 55 bis 60 Prozent, es darf hier aber kein Zucker hinzugesetzt werden", sagt Dorsch. Und dann gibt es noch sogenannte Fruchtsaftgetränke. Die haben lediglich sechs bis 30 Prozent Fruchtgehalt, und ihnen können Aromen, Zucker und Genusssäuren beigemischt werden.

Der Winter ist für die Refresco-Entwickler die Zeit, in der sie kreativ sein können. Der Markt wird stets intensiv beobachtet: Welche Gesundheitstrends kommen auf, welche Gebinde sind im Kommen, was legt die Barszene vor, einer der wichtigsten Innovationstreiber? Verändern sich Verordnungen, wird irgendwo eine Zuckersteuer eingeführt? Steht eine Fußball-WM etwa in Brasilien an, und lässt das erahnen, welche Früchte und Geschmäcker in den Fokus rücken? "Es wird nie langweilig", sagt Dorsch; trotz strengster Lebensmittelgesetze und -verordnungen seien die Kombinationsmöglichkeiten schier unbegrenzt. Denn manchmal kreiert man auch einfach so nach Gusto ein neues Getränk. "Man muss allerdings damit leben, dass von hundert Entwicklungen zehn bei Kunden vorgestellt werden und am Ende eine in den Markt kommt", sagt Dorsch.

Davon bin ich weit entfernt. Auch wenn ich mit meinem Apfelsaft fürs Erste ganz zufrieden bin. Umrühren, probieren - schmeckt!

(tler)
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