Kreis Heinsberg Frauenhaus in schwieriger Umbruchphase

Kreis Heinsberg · Neuer Vertrag des Trägers SKF/M mit dem Kreis verändert die Arbeitssituation. Ehrenamtlerinnen verunsichert.

 Schläge in der Partnerschaft sind keine Seltenheit: Oft gibt es Warnsignale, die auf drohende Gewalt hinweisen.

Schläge in der Partnerschaft sind keine Seltenheit: Oft gibt es Warnsignale, die auf drohende Gewalt hinweisen.

Foto: dpa (Archiv)

Seit 25 Jahren ist das Frauenhaus für den Kreis Heinsberg in Trägerschaft des Sozialdienstes katholischer Frauen und Männer (SKF/M) ein unverzichtbarer Zufluchtsort für Frauen (und ihre Kinder) nach Bedrohung und Gewalterfahrung. Wie wichtig die Einrichtung - leider - nach wie vor ist, bestätigt die Geschäftsführerin des SKF/M, Karoline Steffens, im Gespräch: "Unsere Einrichtung mit acht Plätzen für Frauen und ihre Kinder ist wie alle Frauenhäuser im weiten Umkreis derzeit randvoll belegt." Das war nicht immer so.

Verbrachten Frauen in Not früher durchschnittlich einen Monat im Frauenhaus zur Überwindung ihrer akuten Krisensituation, sind es heute oft etliche Wochen bis zu einem halben Jahr, in einigen Fällen sogar länger. Vermehrt auch ältere Frauen und solche mit Migrationshintergrund und Fluchterfahrungen suchten Zuflucht im Frauenhaus, sagt Steffens. Nicht wenige Jüngere bringen langjährige deprimierende Erfahrungen aus sozial schwierigen Milieus, Heimaufenthalten und Drogenkonsum mit.

Verständlich, dass die Einrichtung auf qualifizierte Fachfrauen angewiesen ist, die die Bewohnerinnen in Gesprächen stärken, beraten und zu Behörden oder Ärzten begleiten. Ebenso unverzichtbar ist die Unterstützung durch die Ehrenamtlerinnen. In dieser Situation werfen deren Sorgen um den Fortbestand des Frauenhauses - jetzt geäußert im Schreiben einer Ehrenamtlerin an die Redaktion - Fragen auf. "Wir ehrenamtlichen Mitarbeiter sehen sehr besorgt in die Zukunft", heißt es da. Und: "Uns wurde mitgeteilt, dass erfahrene Fachkräfte entlassen, Arbeitszeiten reduziert und etliche Auflagen gemacht werden, die bei dieser Einrichtung mit teilweise sehr schwieriger Problematik nicht umsetzbar sind."

Karoline Steffens versteht diese Sorge, die sich auf die Neustrukturierung der Finanzierung des Frauenhauses bezieht, die auch personelle Veränderungen mit sich brachte. All dies sei den - nach wie vor wichtigen - Ehrenamtlerinnen aber auch erläutert worden. Steffens: "Wir befinden uns in der Tat in einer schwierigen Umbruchphase und müssen nun die weitere Entwicklung abwarten."

Worum geht es? Im Juni vergangenen Jahres war der Vertrag des SKF/M mit dem Kreis Heinsberg zum Betrieb des Frauenhauses abgelaufen. Ein neuer Vertrag mit dem Kreis wurde ausgehandelt. Er geht ab von der pauschalen Finanzierung der Hälfte der Kosten durch den Kreis (die zweite Hälfte trägt der Landschaftsverband Rheinland/LVR). "Natürlich waren auch Kosteneinsparungen beim Kreis mit ein Grund für den Abschied von der pauschalen Erstattungsform hin zu einer konkreten leistungsbezogenen Finanzierung", bestätigt Steffens. Das bedeute nun: Der Kreis bezahlt Leistungen, so genannte Betreuungseinheiten - damit sind die den Bewohnerinnen angebotenen Gespräche, Beratungen und Begleitungen gemeint, die wöchentlich dokumentiert werden. "Ein erträglicher Arbeitsaufwand von wenigen Sätzen", sagt Steffens. "Wir entscheiden nach wie vor in Eigenverantwortung, wie viel Bedarf an Betreuung/Begleitung eine Frau hat - und das kann sehr unterschiedlich sein."

Das Stellenkontingent sei geringfügig geschrumpft. Im Wesentlichen sei eine halbe Hauswirtschafts-Stelle entfallen und die vormals etwa zweieinviertel Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte wurden auf nicht ganz zwei Stellen - die sich drei Fachkräfte teilen - reduziert. Allerdings gibt es eine halbe Stelle für sog. begleitende Dienste, und aktuell gesucht werde noch eine Erzieherin (60-Prozent-Stelle) für die Kinderbetreuung - Bewerbungen willkommen. Steffens: "Natürlich verlangt der neue Vertrag von allen Beteiligten ein Umdenken und die Bereitschaft zu mehr Flexibilität in den Arbeitszeiten, abhängig von der Belegung des Hauses und dem Betreuungsbedarf der Bewohnerinnen. Wir können mit der neuen Situation momentan leben, hoffen allerdings dennoch auf Nachbesserungen im Vertrag."

Die Arbeit der aktuell sechs Ehrenamtlerinnen, die vorwiegend die nächtliche Rufbereitschaft übernehmen, sei weiterhin unverzichtbar. "Wir schätzen das Engagement der Frauen hoch", sagt Steffens. Zwei dieser Mitarbeiterinnen seien aufgrund der Umstrukturierung ausgeschieden. "Wir bedauern das und werben um neue engagierte Frauen", betont Steffens, die im Oktober als SKF/M-Geschäftsführerin die Nachfolge von Reinhold Trzeciak antrat, der 22 Jahre für den Sozialverband aktiv war.

Auch Marietta Ringering, langjährige Leiterin des Frauenhauses, verabschiedete sich im jüngsten Jahresbericht des SKF/M in den Ruhestand. Ihre Nachfolgerin ist Silvia Lenzen.

(RP)
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