Kreis Heinsberg Immer mehr Pfändungsschutzkonten

Kreis Heinsberg · Kreissparkasse wie auch Schuldner- und Insolvenzberatung stellen fest, dass der Bedarf an Konten für Menschen steigt, die von Pfändung bedroht sind. Die Beratungsstelle erwartet auch aus anderen Gründen in Zukunft mehr Arbeit.

 Tonja Schreck (4.v.r.) ist neue Leiterin der Schuldner- und Insolvenzberatung der Diakonie und Awo für den Kreis Heinsberg und folgt auf Wolfgang Meier (2.v.l.), der in den Ruhestand getreten ist.

Tonja Schreck (4.v.r.) ist neue Leiterin der Schuldner- und Insolvenzberatung der Diakonie und Awo für den Kreis Heinsberg und folgt auf Wolfgang Meier (2.v.l.), der in den Ruhestand getreten ist.

Foto: Speen

Jahr für Jahr gibt es im Kreis Heinsberg mehr Pfändungsschutzkonten, kurz P-Konten. Das stellt sowohl die Kreissparkasse als auch die Schuldner- und Insolvenzberatung fest. Meist sind es verschiedene Gründe, die zusammenkommen und Menschen in finanzielle Probleme geraten lassen. Vorne liegen gescheiterte Selbstständigkeiten und Trennungen, heißt es in der jetzt vorgelegten Jahresbilanz der Schuldnerberatung in Hückelhoven. Krankheit und Immobilienfinanzierungen folgten auf den weiteren Plätzen noch vor der Arbeitslosigkeit. Als Hauptgründe, dass bei ihr ein P-Konto eröffnet wird, nennt die Kreissparkasse ebenfalls Trennung und Scheidung aber auch den Verlust des Arbeitsplatzes.

2013 hatte die Schuldnerberatung in Hückelhoven, die von Diakonie und Awo getragen wird, 412 P-Konto-Bescheinigungen ausgestellt. Im vergangenen Jahr waren es bereits 648, wobei erneuerte Bescheinigungen mitgezählt wurden. Einen solchen Anstieg festzustellen, hatte jüngst auch der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Heinsberg, Thomas Pennartz, berichtet. "Ende des vorigen Jahres hatte unser Haus 10.353 Basiskonten, worunter P-Konten und alle Konten fallen, die schon mal Probleme in der Kontoführung hatten. In der jüngeren Vergangenheit sind jährlich etwa 500 neue Konten hinzugekommen, und 2016 hat es dann einen noch stärkeren Anstieg um fast 1300 gegeben, da jetzt auch viele Flüchtlinge Konten eröffnen." Diese herausgerechnet, sei auch für 2016 wieder ein Anstieg von rund 500 Basiskonten festzustellen gewesen. Als "eine große Aufgabe der Gesellschaft" sieht Pennartz es an, den Betroffenen zu helfen und ihnen eine Teilhabe am Wirtschaftsleben zu ermöglichen. Er ist aber auch ein wenig ratlos, denn: "Bei unserer allgemeinen positiven wirtschaftlichen Entwicklung müsste die Anzahl der Bürgerkonten eigentlich zurückgehen - das Gegenteil ist der Fall."

Nahe an den Betroffenen ist die Schuldner- und Insolvenzberatung. Ihre Berater gehen aus verschiedenen Gründen davon aus, dass diese Entwicklung nicht einfach umzukehren ist. Dafür seien die Situationen, in denen sich jeder einzelne Hilfesuchende befinde, heutzutage zu verstrickt. Wolfgang Meier, langjähriger Leiter der Beratungsstelle, und Herbert Hamann vom Diakonischen Werk des Kirchenkreises Jülich machen Beispiele, in denen das "heute kaufen und morgen bezahlen" eine wachsende Rolle spielt. Heute habe ein Klient mehr Gläubiger als früher, was meist auf den Internet-Handel zurückzuführen sei. Es werde bestellt und erst in einem zweiten Schritt über das Bezahlen nachgedacht, sagt Meier. Die Menschen ließen sich verführen. Dazu erklärt Hamann: "Heute lässt sich über Kredite schnell ein großer Blumenstrauß aus Konsumgütern zusammenstellen, bei dem sich erst später zeigt, dass man sich nicht so verhalten hat, wie es sinnvoll gewesen wäre." Hier zeige sich auch ein Mangel an Finanzbildung. Und es herrsche ein hoher Konsumdruck, erklärt Meier. Manch einer besitze mehrere Handyverträge oder gehe welche für Familienmitglieder ein, die keine abschließen könnten. Allein das berge Risiken.

Dass die Probleme nicht allein bei den Betroffenen zu suchen sind, betont Superintendent Jens Sannig, der zuständig ist für das Diakonische Werk. Auslöser der Überschuldung war laut Jahresbericht der Schuldnerberatung für den Kreis Heinsberg 2016 nur zu 6,2 Prozent die Arbeitslosigkeit. Sannig verweist deshalb auf zu gering entlohnte Arbeit hin: "Ein ökonomisches System, das so viel Niedriglohn zulässt, wirkt sich aus." Eine Klassenfahrt für das Kind oder die Notwendigkeit, eine defekte Waschmaschine zu tauschen, könnten bei solchen Jobs rasch in die Verschuldung führen.

Die Arbeit für die Schuldnerberatung wird mehr. Darin sind sich Sannig, Hamann und Meier sowie Tonja Schreck, die in diesem Jahr deren Leitung übernommen hat, einig. Drei Betätigungsfeld gewinnen an Bedeutung. Wolfgang Meier zeigt sie auf: In der aktuellen Niedrigzinsphase mache Bauen noch Freude, zögen die Zinsen jedoch wieder an, sehe er einen steigenden Beratungsbedarf; "Flüchtlinge dürften eine weitere Gruppe werden, die in einen Beratungsbedarf kommen könnten"; und schließlich würden "die Altersvorsorge immer bröckeliger und die Renten geringer. Da haben wir einen Personenkreis, der verstärkt auf uns zukommt."

(spe)
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