Kreis Heinsberg Lernen, die Geister zu unterscheiden

Kreis Heinsberg · Der Fachbereich für Religions- und Weltanschauungsfragen des Bistums Aachen berät Menschen in religiösen, spirituellen oder weltanschaulichen Krisen und Konfliktsituationen. Die Zahl der Ratsuchenden nimmt zu.

Der Markt der Hilfsangebote in vielen Lebenslagen, der mal offenen, mal mehr verdeckten Heilsversprechungen boomt - die großen Kirchen haben es längst mit einer Fülle von Konkurrenten und Mitbewerbern zu tun. Und sie stellen sich - wie die Beratung des "Fachbereichs für Religions- und Weltanschauungsfragen" des Bistums Aachen - den Fragen von immer mehr Menschen, wie sie denn gute, seriöse Angebote von grenzwertigen oder gar gefährlichen unterscheiden können. Sozialtherapeut Herbert Busch, hauptberuflich Verantwortlicher für den Fachbereich (mit Sitz in Mönchengladbach), und der Wegberger Mediziner Dr. Güter Arnolds, der seit vielen Jahren zur Gruppe von derzeit 32 ehrenamtlichen Mitarbeiter zählt, berichteten jetzt im Haus der Caritas in Heinsberg über Arbeit und Anliegen des Fachbereichs.

"Wir beobachten, bewerten und begleiten konstruktiv-kritisch auf multiprofessioneller Ebene Anbieter und Angebote, die in den Städten und Landkreisen des Bistums Aachen mit Heilungsversprechungen auf Menschen zugehen", erläutern beide. Im Fachbereich arbeiten Psychologen, Pädagogen, Mediziner und Theologen zusammen. Jeder kann die kostenfreie Information und Beratung wahrnehmen.

"Uns geht es nicht darum, andere Religionen und Weltanschauungen zu verunglimpfen", sagt Busch. Im Gegenteil dazu solle zu Austausch und echter Auseinandersetzung angeregt werden. Es gehe auch nicht darum, alle alternativ-spirituellen Angebote in Bausch und Bogen zu verdammen, die nicht selten auch kirchlichem Leben neue Impulse verleihen können. Busch: "Wichtig ist die Unterscheidung der Geister. Wir wollen die Menschen dafür sensibel machen: Wo nützt Religion, wo schadet sie? Was gibt dem Leben wirklich neue Impulse, und was unterdrückt die Persönlichkeit, macht abhängig und unmündig."

Der Bereich "Religiöser Extremismus und Fundamentalismus" ist auch im Kreis Heinsberg ein Thema. Busch schildert das Beispiel eines 14-jährigen Jungen aus dem Kreisgebiet, der nach Problemen in der Familie und Schulschwierigkeiten schrittweise in eine tiefe Krise rutschte. Erstes Ventil wurden Ego-Shooter-Spiele. Im Internet stieß der Junge dann auf salafistische Propaganda, die offenbar sein Minderwertigkeitsgefühl auffing. Mitschüler und vor allem die Freundin beobachteten eine schleichende Radikalisierung des Jungen, der zuletzt sogar mit Waffen im Internet posierte und Tötungsdrohungen aussprach. Die Freundin suchte Rat im Fachbereich. Berater gingen dann auf den Jungen und sein Umfeld zu. Vier Jahre dauerte die intensive Begleitung, berichtet Busch. Aber er ist auch ehrlich: Nicht immer gelinge es wie in diesem Fall, von Extremismus Betroffene wieder zu integrieren.

Sind es im Bereich des religiösen Fundamentalismus sehr oft junge Menschen, finden Angebote auf dem Markt esoterischer Lebenshilfen und alternativ-spiritueller Heilungsversprechen bei mehr Menschen der mittleren und älteren Jahrgänge Anhänger. Busch und Arnolds berichten von einer Klientin, die durch Wahrsagerei um einen Gutteil ihres Vermögens gebracht wurde.

Und der Mediziner Arnolds warnt vor alternativen Heilungsangeboten, die mit Absolutheitsanspruch auftreten. "Eine Heilungsgruppe im Kreis behauptete doch tatsächlich, dass es keine Krankheit gäbe, die nicht heilbar sei." Die sogenannte "sanfte Medizin" könne ergänzend wirksam sein, aber keineswegs bösartige, infektiöse und akute Erkrankungen heilen. "Leid, Krankheit und Tod gehören zum menschlichen Leben. Wir können sie weder wegwünschen noch wegbeten", sagt Arnolds.

Die Mitarbeiter des Fachbereichs weisen in ihren Beratungen und bei Informationsveranstaltungen in Kirchengemeinden, Jugendeinrichtungen und Schulen gern darauf hin, auch die Ausbildung und Methoden von Anbietern zu hinterfragen, sie raten, "Zertifikaten" nicht blind zu vertrauen.

18 Betroffene und ihr Umfeld haben die Mitarbeiter des Fachbereichs in den vergangenen zwei Jahren im Kreis Heinsberg über einen längeren Zeitraum beraten beziehungsweise begleitet. Im gesamten Bistum sind es rund 80 Fälle jährlich, um die sich der Fachbereich intensiver kümmert. Und immerhin 864 Anfragen wurden beantwortet/bearbeitet.

(RP)
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