Serie Pape läuft (Folge 13) Am laufenden Band

Beeck · Sind Laufbänder eine Alternative zum Laufen in freier Natur? Marathon-Novize Christian Pape macht die Probe aufs Exempel.

 Um dem Regen zu entfliehen, testet Christian Pape erstmals ein Laufband. Doch für ihn steht schnell fest: Bei einer Stunde auf dem Laufband sind die ersten 59 Minuten die Schlimmsten. Danach geht es eigentlich.

Um dem Regen zu entfliehen, testet Christian Pape erstmals ein Laufband. Doch für ihn steht schnell fest: Bei einer Stunde auf dem Laufband sind die ersten 59 Minuten die Schlimmsten. Danach geht es eigentlich.

Foto: Dirk Jansen/manus sinister

Heute ist für mich ein besonderer Tag. Die Hälfte meiner Vorbereitungszeit zum Marathon ist geschafft. Ich habe Bergfest! In der Tat gibt es ja den Brauch, die Mitte eines bestimmten Zeitabschnitts zu feiern. Denn der zweite Arbeitsabschnitt wird leichter fallen. Es geht dem Ende zu. Es geht bergab. Bergab? Mit mir auch? Der Gedanke verwirrt mich, und mir ist plötzlich nicht mehr nach Feiern zumute. Leicht panisch schlüpfe ich in meine Laufsachen. Doch ich habe die Rechnung ohne Silvia gemacht. Sie empfängt mich schon am Treppenabsatz mit dem Einkaufszettel fürs Wochenende: "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!" Wenn sie wüsste. Es regnet in Strömen. Da hält sich das Laufvergnügen in Grenzen.

Vor dem Supermarkt schnappe ich mir einen Einkaufswagen. Mist! Ich erwische jedes Mal einen Einkaufswagen, bei dem die Spur verstellt ist. Da dreht sich ein Rad immer so durch. Ich will geradeaus fahren, nicht so mein Wägelchen. Das fährt lieber eine Kurve und rast in das Hygieneartikel-Regal. Später an der Kasse wundere ich mich dann, dass ich "Always Ultra seidenweich mit Flügeln" bezahlen soll.

Während ich gedankenverloren die Ware auf das Kassenband lege, durchzuckt es mich plötzlich wie ein Blitz. Ja, natürlich! Ich könnte bei diesem Wetter doch meinen ersten Versuch auf einem Laufband starten. Ganz ohne Gegenwind, der einem den Regen ins Gesicht peitscht. Keine nassen Kunstfasern, die einem wie eine Plastiktüte am Körper kleben. Euphorisiert und wie in Trance hüpfe ich auf das Kassenband. Ich will einfach nur laufen. Die grelle Stimme der Kassiererin reißt mich schlagartig aus meinem Spontantraining: "Liebe Kunden, wechseln Sie bitte die Kasse. Das Lebensmittel mit zwei Beinen, das sich hier gerade auf Band 3 breit macht, ist abgelaufen!"

Beseelt von der Idee, mein Training ins Trockene zu verlegen, verstaue ich eilig die Lebensmittel in den Kofferraum und beschließe, sofort in ein Fitnessstudio zu fahren. Muss Mett in den Kühlschrank? Ach was. Notfalls läuft es morgen die Trainingsrunde mit! Doch auf dem Weg zum Fitnesstempel beginne ich zu hadern: "Wie paradox das doch ist. Ich fahre mit einem Auto in ein Gebäude, um in diesem zu laufen. Das ist ungefähr so, als würde man mit dem Fahrstuhl in den 7. Stock eines Hochhauses fahren, um sich dort auf einen Stepper zu stellen, der das Treppensteigen simuliert. Verrückte Welt, oder?

Im Fitnessstudio empfängt mich an der Theke eine sehr freundliche junge Dame in einem verdammt sportlichen Outfit. Damit habe ich nicht gerechnet. Aber wieso wundert mich das? Unser Metzger kommt ja auch mit einer blutverschmierten Schürze aus der Schlachtküche in seinen Laden und nicht im Kommunionanzug. Erwartungsfroh melde ich mich zum Probetraining an.

Wie ich es vom Laufen im Wald gewohnt bin, grüße ich die anderen Leute im Studio. Erst mal grüßt keiner zurück. Aber wenigstens laufen hier keine herrenlosen Hunde herum. Dafür Jungs, die ihre Muskeln stählen. Sie geben sehr sonderbare Laute von sich und motivieren sich mit "Alter! Yeah! Gib Power!" Ihre nackten Oberkörper sind an jeder freien Stelle tätowiert. Einer spricht mich an: "Na, erstes Training? Die Muskeln wohl zu Hause gelassen!" Seine Tatoos beben vor Lachen. Ich rette mich aus der Situation und antworte: "Ja, zum ersten Mal hier. Ich will aufs Laufband. Ihr kommt wohl gerade vom Kinderschminken."

Dann sehe ich sie endlich: Laufbänder, die wie an einer Perlenschnur aufgereiht im gleißenden Neonlicht funkeln. Wow! Sie wirken so dynamisch, temperamentvoll, stylisch. Behutsam stelle ich mich auf ein Band und will einfach loslaufen. Ach du meine Güte. Ich hatte mit einem Band ähnlich wie im Supermarkt gerechnet, aber das hier erinnert stark an das Cockpit einer Boing 747. Überall Knöpfe, Blinklichter, ein Monitor, Griffe. Orientierungslos suche ich die Gebrauchsanleitung. Neben mir joggen zwei Frauen, ganz locker. Hilfesuchend schaue ich rüber, doch die beiden Grazien samt Handtuch um den Hals nehmen keinerlei Notiz von mir. Egal. Kein Mann lässt sich gerne von einer Frau in Technikfragen aufklären. Und erst recht will kein Mann von einer Frau beim Laufen überholt werden, weder draußen auf dem Feldweg, noch auf dem Laufband.

Ich schaue auf das Display nebenan. Die Damen sind mit einer Geschwindigkeit von 10 Stundenkilometer unterwegs. Mit einem triumphierenden Lächeln tippe ich 14 Stundenkilometer ein und drücke den Startknopf. Das Band surrt sofort los und zieht das Tempo gnadenlos an. Ich stolpere, klammere mich am Haltegriff fest. Verdammt, ist das schnell! Ich spüre die Blicke der anderen und versuche, Rhythmus in meinen Lauf zu bekommen. Doch die Gummimatte jagt wie ein fliegender Teppich unter meinen Füßen hinweg. Wo ist der Knopf, mit dem ich die Geschwindigkeit drosseln kann?! Ich muss unweigerlich an Rudi Carrell denken und an seine Unterhaltungsshow "Am laufenden Band", die wir früher immer mit der ganzen Familie und einem Schälchen "bofrost-Vanilleeis" auf dem Sofa geguckt haben. Auf dem Band zogen verschiedene Gegenstände vorbei, die sich der Kandidat merken musste. Ich komme mir gerade vor wie das "Fragezeichen".

Meine Augen suchen den Raum ab: "Wo hängt der Defibrillator?" In den bodentiefen Spiegeln erkenne ich, dass mein hochroter Kopf zum Farbton Aubergine wechselt. Ich renne um mein Leben und drücke das große "Minus" - also ich wollte es drücken. Doch ich verfehle den Knopf. Statt langsamer zu laufen richtet sich das Band vorne auf. 10 Prozent Steigung. Ich laufe bergauf. Hey, ich habe doch Bergfest! Es beginnt der Kampf Mensch gegen Maschine. Ich versuche mich zu motivieren und höre mich brüllen: "Alter! Yeah! Gib Power!" Doch ich verhaspele einen Schritt und das Band schiebt mich nach hinten. Ich werde wie ein Jockey vom Pferd abgeworfen und lande unter dem Gejohle der tätowierten Kleiderschränke auf meinem Hintern. Das Band bimmelt, als wäre ich über den Warenscanner gezogen worden.

Wie heißt es so schön: "Lehrjahre sind keine Herrenjahre." Morgen laufe ich wieder draußen. Ich möchte die Natur riechen, den Wind spüren, mir Sonnenbrand holen oder in Pfützen treten. Das ist meine Laufwelt. Wer auch mal im Studio trainieren will, dem kann ich nur sagen: Bei einer Stunde auf dem Laufband sind die ersten 59 Minuten die Schlimmsten. Danach geht es eigentlich.

AUTOR CHRISTIAN PAPE (42) IST HUMORIST UND HOBBYLÄUFER. AM 2. OKTOBER 2016 GEHT ER MIT RP-REDAKTEUR MICHAEL HECKERS BEIM KÖLN-MARATHON AN DEN START.

(RP)
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