Analyse Borussia hat die Situation angenommen

Erkelenz · Wäre Borussia weiter oben in der Tabelle ansässig, würde man sagen: Das 3:0 gegen den SC Freiburg, ein tiefstehendes, laufstarkes und gut organisiertes Team, wurde im Stile eines Spitzenteams erspielt - geduldig auf die Chance wartend, um sie dann effektiv zu nutzen. Doch der Status quo erlaubt eine solche Deutung nicht. Borussia spürt zu sehr die Nähe der Abstiegszone, sie ist noch dabei, sich zu finden nach der schwierigen Hinrunde, ist dabei, sich zu erneuern und zu stabilisieren. Die Effektivität indes, die ist nicht wegzudiskutieren, die war sehr hilfreich und ermöglichte einen Sieg, der glanzlos glänzend war, vor allem aber sehr wichtig.

Die vier zuvor in der Fremde ergatterten Punkte werden damit vergoldet. Zwei Spiele ohne Niederlage sind eine Tendenz, drei sind eine Serie. Das fühlt sich gut an. Borussia ist nun noch einen Punkt von der erwünschten Einstelligkeit entfernt. Damit ist ein deutlicher Effekt des Trainerwechsels auch zahlenmäßig belegt. Das stärkt den Glauben des Teams in die gemeinsame Arbeit mit Dieter Hecking.

Die unendliche Leichtigkeit des Seins, die es oft zu sehen gab in den vergangenen Jahren, ist aber längst noch nicht wieder da. Borussia muss sich in jedes Spiel reinarbeiten, sich das Spielerische erkämpfen, Wackler inklusive. Klar ist aber: Die Borussen haben, angeleitet vom erfahrenen Hecking, ihre Situation angenommen. In Leverkusen liefen sie mehr als je zuvor in dieser Saison (119 Kilometer), gegen Freiburg war es nochmal ein Kilometer mehr. Zudem wirken die Spieler stabiler in den Zweikämpfen, sie entscheiden die wichtigen Situationen für sich. Wie Fabian Johnson und Lars Stindl vor dem 1:0, das der Dosenöffner war gegen Freiburg. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen der Borussia vor der Winterpause und der Borussia dieser Tage. Es liegen nicht Welten dazwischen, aber große Kleinigkeiten. Und die machen aus Verlierern Gewinner.

Und: Borussia ist nun ein Umschaltteam. Balleroberung, Beschleunigung, Abschluss, das ist das Prinzip. In Leverkusen und gegen Freiburg sprachen viele Statistiken (Torschüsse, Ballbesitz, Zweikämpfe) für den Gegner, doch siegreich war Heckings Mannschaft. Sie benötigte nicht mehr alle Daten auf ihrer Seite, sondern nur die wesentlichen: das Ergebnis. Sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, das ist des Trainers Handschrift: Er ist ein Pragmatiker, und pragmatisch spielt auch sein Team. Nicht verschwurbelt, sondern einfach, das bedeutete aber auch zielstrebig. Auch da gilt das 1:0 als Beleg. Das 2:0 war feines Tiki Taka und zeigte, dass Heckings Borussia glänzen kann - wenn die Basis stimmt.

Die erarbeiteten Grundlagen weiter zu stabilisieren und wieder zu einer Selbstverständlichkeit zu machen, das ist die Aufgabe der kommenden Wochen. Passieren muss das im Schweinsgalopp, denn nun wird im Stakkato-Takt gespielt mit bis zu sechs Englischen Wochen hintereinander. Sieben Punkte und sechs erzielte Tore in drei Spielen (von denen zwei ohne Gegentor endeten) machen Borussia noch nicht wieder zum Spitzenteam. Aber sie kann wie eines ihre Spiele gewinnen. Das Wissen darum sollte Selbstvertrauen geben. Das kann im Pokalspiel in Fürth und in Bremen hilfreich sein. Die Kunst ist, mit den Erfolgserlebnissen richtig umzugehen.

KARSTEN KELLERMANN

(RP)
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