Schwimmen Heiße Rennen im Eiswasser

Erkelenzer Land · Schwimmen: In Burghausen fanden an drei Tagen die zweite Weltmeisterschaft und die German Open im Eisschwimmen statt.

 Tolle Atmosphäre: Am Fuße der längsten Burganlage der Welt in Burghausen fanden im flutlichtbeleuchteten Seebecken des Wöhrsees zum zweiten Mal die Weltmeisterschaften und die German Open im Eisschwimmen statt.

Tolle Atmosphäre: Am Fuße der längsten Burganlage der Welt in Burghausen fanden im flutlichtbeleuchteten Seebecken des Wöhrsees zum zweiten Mal die Weltmeisterschaften und die German Open im Eisschwimmen statt.

Foto: SG Erkelenz-Hückelhoven

Malerisch liegt sie da: Eine der größten Burganlagen der Welt auf verschneiten Berghängen, unten im Tal liegt verträumt ein kleiner vereister See. Es schneit, alles sieht so aus, als sei es mit weißem Puderzucker überzogen. Der See liegt unter einer dicken Eisschicht. Die Lufttemperatur beträgt um die 15 Grad minus, das Wasser ist zwei Grad warm. Und plötzlich sieht man sie: die Eisschwimmer. In Burghausen hat die Idee, nur in Badehosen im eisigen See zu schwimmen, in Windeseile um sich gegriffen: An drei Tagen fanden am Fuße der längsten Burganlage der Welt zum zweiten Mal die Weltmeisterschaft und die German Open im Eisschwimmen statt.

 Dennis Eder, Franziska Eser und Tilo Friedrich wärmen sich nach ihren Rennen im beheizten Holzzuber auf.

Dennis Eder, Franziska Eser und Tilo Friedrich wärmen sich nach ihren Rennen im beheizten Holzzuber auf.

Foto: SG Erkelenz-Hückelhoven

Neben der WM-Strecke über 1000 Meter absolvieren die Schwimmer Rennen über 50 bis 500 Meter Distanzen im Eiswasser - die alten Stege des Freibades umrunden den Wettkampfbereich und bieten den Zuschauern einen tollen Blick auf das Geschehen im flutlichtbeleuchteten Seebecken. Eine kleine Fläche im See wird durch Strömungspumpen frei gehalten, sonst würde sich nach 15 Minuten eine dünne Eisschicht bilden. Bei bis zu minus 15 Grad Außentemperatur und zwei bis drei Grad Wassertemperatur ist das dringend nötig, damit die 300 Eisschwimmer aus 26 Ländern ohne Verletzungen an scharfen Eiskanten durchs Wasser pflügen können. Am Rand stehen Taucher bereit, daneben warten Sanitäter.

 "Take off your clothes, go into the water" - bei diesem Kommando steigen die Schwimmer über Holzleitern ins Eiswasser.

"Take off your clothes, go into the water" - bei diesem Kommando steigen die Schwimmer über Holzleitern ins Eiswasser.

Foto: SG Erkelenz-Hückelhoven

Nachdem sich die Stars der Szene über 1000 Meter gemessen hatten, starteten sieben Schwimmer aus der Region. Auf das Kommando "take off your clothes" und "go into the water" steigen die Unerschrockenen in normaler Badekleidung ins eisige Nass. Neoprenanzüge und Fett zum Schutz der Haut sind verboten. Während die Zuschauer den Atem anhalten und beim Anfeuern unter ihren Daunenjacken zittern, ist die erste Bahn bereits absolviert. Die Kälte beißt im Gesicht und die Hände sind gefühllos. Nach 50 Meter heißt es Kopf abschalten, Kältegefühl ausblenden und nur noch schwimmen. Nach dem Rennen kommen die Schwimmer krebsrot über die Holzleitern aus dem Wasser und sprinten in die nahe Sauna oder die Holzzuber mit warmem Wasser um sich aufzuwärmen.

Die Ergebnisse der Erkelenzer Freiwasserenthusiasten aus dem Vorjahr waren so gut, dass die Vorläufe schon mit starken Konkurrenten besetzt wurden. Die Spannung war groß. Die Vereinskollegen zu Hause folgten die Rennen begeistert via Live-Stream im Internet.

Über 50 und 200 Meter Freistil zeigten André Lennartz und Dennis Eder in der AK 30 mit deutlichem Vorsprung, dass sie die Schnellsten im Eiswasser sind. Tilo Friedrich gewann in der Juniorenklasse über 200 Meter Freistil in 2:43,4 Minuten und über 200 Meter Brust in 3:05,5 Minuten sowie über 50 Meter Brust und 100 Meter Lagen. Franziska Eser siegte auf ihrer Paradestrecke über 200 Meter Brust mit neun Sekunden Vorsprung vor Elina Mäkinen in der AK 20 mit 3:04,60 Minuten. Über 50 Meter Brust gewann sie in 38,55 Sekunde.

Sophia Vorderwülbecke, sonst dem Triathlon verfallen, erreichte bei ihrem ersten Wettkampf im Schwimmen über 200 Meter Freistil in 3:16,0 Minuten Platz drei und in 40,24 Sekunden über 50 Meter Freistil Rang fünf in der AK 20. Birte Eser siegte bei all ihren Starts - sie schwamm 50 Meter Brust, 100 Meter Lagen, 50 und 200 Meter Freistil. Anna Gieren belegte bei ihrer Premiere über 50 Meter Freistil bei den Juniorinnen Platz zwei, über 50 Meter Brust wurde sie Dritte.

Zur Freude der Erkelenzer Sportler gab es über Nacht Neuschnee, der zu einem morgendlichen Bad genutzt wurde. Der Spaß an der Kälte ist eine Nebenwirkung der regelmäßigen Eisbäder. Die Finalläufe in der offenen Klasse fanden nach Einbruch der Dunkelheit unter Flutlicht und anhaltendem Schneefall bei deutlich milderen Temperaturen um die -5 Grad am Fuße der stimmungsvoll beleuchteten Burg statt. Dennis Eder, Birte und Franziska Eser, Tilo Friedrich und André Lennartz hatten sich qualifiziert. Highlight waren die Läufe über 50 und 200 Meter Brust, in denen Franziska Eser und Elina Mäkinen sich ein heißes Rennen lieferten und sich in der Führung abwechselten. Zum Schluss schlug Eser knapp als Zweite an. Im Finale über 50 Meter Freistil belegte sie Platz vier, über 100 Meter Lagen Platz fünf. Lennartz wurde über 200 Meter Freistil Vierter, Eder Sechster. Über 50 Meter Freistil belegten Eder und Lennartz Platz fünf und sechs vor dem besten deutschen Teilnehmer der Weltmeisterschaftswertung über 1000 Meter, Christof Wandratsch. Diesem Mann ist es zu verdanken, dass sich Burghausen zum Mekka der Eisschwimmer gemausert hat. In seinem Leben vor dem Eisschwimmen war der Wahl-Burghauser, den alle nur "Wandi" nennen, ein Pionier des Langstreckenschwimmens. 1991 wurde er erstmals Europameister über 25 Kilometer, später mit der Mannschaft Weltmeister. Bei der Überquerung des Ärmelkanals stellte er einen Weltrekord auf, 2013 durchquerte er in gut 20 Stunden den Bodensee - was sollte das noch toppen? "Ich habe nach neuen extremen Herausforderungen gesucht", bekennt der Grenzgänger offen - und das Eisschwimmen für sich entdeckt.

Tilo Friedrich belegte in den Superfinals über 200 und 50 Meter Brust sowie 100 Meter Lagen als einziger Juniorenteilnehmer die Plätze fünf, sechs und sieben. Birte Eser war die einzige Jugendqualifikantin, die es ins Finale über 50 Meter Freistil schaffte. Sie erreichte einen beachtenswerten siebten Platz in der offenen Klasse mit einer Zeit von 35,69 Sekunden. Die im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent gestiegenen Teilnehmerzahlen zeigen, dass aus der Nischensportart für Verrückte langsam eine ernstzunehmende Bewegung wird. Die Erkelenzer sind motiviert auch im Folgejahr wieder die Vorbereitungen auf sich zu nehmen, um 2018 erneut in Burghausen zu starten.

(RP)
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