Fußball Impulsiver Motivator und Mädchen für alles

Erkelenz · Neue Serie: Die RP begleitete Matthias Denneburg, Coach des Fußball-A-Ligisten SV Holzweiler, vor, während und nach dem Spiel gegen Übach-Palenberg. Ein Bericht über den "Hobby-Choleriker an der Seitenlinie".

 Auf das Fußballfeld-Poster kritzelt Denneburg Namen und Positionen der Anfangsformation und zeichnet Laufwege ein.

Auf das Fußballfeld-Poster kritzelt Denneburg Namen und Positionen der Anfangsformation und zeichnet Laufwege ein.

Foto: Jörg Knappe (jkn)

Die Begrüßung durch seine bereits vollzählig versammelten - und größtenteils auch schon umgezogenen - Spieler in der Umkleidekabine der Holzweiler Turnhalle fällt erwartungsgemäß launig aus. "Er ist einfach bereit für größere Aufgaben", feixt Sebastian Schulte, während David Nix grinsend versichert: "Der kommt immer so." Erwartungsgemäß sind diese Reaktionen deswegen, weil Matthias Denneburg soeben im feinen Zwirn hereingeschneit ist. In Schale geworfen hat sich "Matthes" aber beileibe nicht etwa, weil ihn an diesem Spieltag verabredungsgemäß die Rheinische Post begleitet, sondern hat einen privaten Hintergrund: Der Coach kommt frisch von einer Erstkommunionfeier, ist sogar der Patenonkel des Kommunionkinds.

"Gegner VfR Übach-Palenberg hatte einer Vorverlegung auf Samstag leider nicht zugestimmt", erläutert Denneburg. Es ist 14 Uhr - eine Stunde bleibt noch bis zum Anpfiff. Seine erste Maßnahme ist nur zu verständlich: Er zieht sich um, schlüpft in den bequemen Holzweiler Sportdress. "Coach" steht in Großbuchstaben auf seinem Shirt - so weiß schon mal jeder, wer er ist.

 Einschwören auf den Gegner: Wenige Minuten vor den Spiel gibt Matthias Denneburg seinen Spielern die letzten Anweisungen.

Einschwören auf den Gegner: Wenige Minuten vor den Spiel gibt Matthias Denneburg seinen Spielern die letzten Anweisungen.

Foto: JÖRG KNAPPE

Dann bittet er seine Jungs in die Turnhalle zur Mannschaftsbesprechung. Zwei Sitzbänke sind dort aufgestellt, an der Wand hängt ein Poster mit einem Fußballfeld. Darauf kritzelt Denneburg Namen und Positionen seiner Anfangsformation, zeichnet Laufwege ein. Zunächst aber stimmt er seine Jungs grundsätzlich aufs Spiel ein - 15 Ohrenpaare hören gespannt zu. "Das ist heute unser erstes Heimspiel in diesem Jahr auf Rasen. Und ob der nun tief oder holprig oder sonstwas ist, das muss uns so egal sein, als wenn in China ein Sack Reis umfällt", bittet "Matthes" um die nötige Konzentration. "Spielt darauf also einfach Fußball!"

Dann kommt er auf den Gegner zu sprechen: "Lasst Euch nicht von denen provozieren, auch wenn die euch beschimpfen sollten. Wir bleiben ruhig und halten die Klappe - auch dem Schiri gegenüber. Und bekommt nicht direkt Angst, wenn von denen mal einer böse guckt."

Nach den Kollektivhinweisen wendet sich Denneburg an die einzelnen Spieler, gibt jedem individuelle Anweisungen mit auf den Weg, weist auf spezielle Aufgaben hin. Auf zwei DIN A4-Zetteln hat sich Matthes seine Stichworte notiert, darauf schaut er immer wieder mal. Ansonsten trägt er frei vor, beweist, dass er nicht gerade auf den Mund gefallen ist. Etwa, als er Entschlossenheit einfordert: "Männer, wir wollen nicht rumhampeln, rumzicken und uns wie Schmetterlinge auf dem Rückflug von Zupfenhausen verhalten!"

Die letzten Minuten seiner viertelstündigen Besprechung werden von lauter Musik aus der Übach-Palenberger Kabine begleitet - die VfR-Akteure haben dort den Ghettoblaster angeworfen. Danach geht es kurz zurück in die Kabine. Dort gibt Denneburg Schiedsrichter Franz-Josef Heinrichs seine Aufstellung durch - "Tuuusch" notiert alles gewissenhaft. Im Anschluss geht's im Auto zum Fußballplatz - der Holzweiler Sportplatz liegt im Unterschied zur Turnhalle ein gutes Stück außerhalb des Orts.

Auf dem Platz kickt noch Holzweilers Reserve. Die Erste macht sich daher hinter einem der beiden Tore warm, Denneburg geht von Spieler zu Spieler, gibt noch einige Anweisungen. Vor dem Anpfiff lässt er seine Jungs einen Kreis bilden - mit ihm mittendrin. Der Coach erinnert noch einmal an einige Basics: "Volle Konzentration, Schnauze halten beim Schiedsrichter und bloß nicht provozieren lassen!"

Dann geht's los. Von Anfang an verfolgt Denneburg das Geschehen stehend an der Seitenlinie, macht dort ordentliche Meter. "Eine Coaching-Zone wäre für mich wie ein Tigerkäfig", bekennt er schmunzelnd. So etwas gibt es in der Kreisliga aber nicht - Glück für ihn. "Er spielt an der Linie eben richtig mit, ist sehr impulsiv. Dazu ist er sehr direkt, hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Wir wissen, was wir an ihm haben", versichert Holzweilers Vorsitzender Armin Jansen.

Schnell hat Matthes im Spiel den Schwachpunkt bei Übach-Palenberg ausgemacht: "Jungs, den Zweier immer anlaufen! Der fängt doch schon an zu zittern, wenn der Ball bei ihm ist." Ansonsten beschränkt er sich weitgehend auf kurze Anweisungen. "Leute aufnehmen!", "Seid wach!", "Innere Linie!", aber auch ein aufmunterndes "Gut gearbeitet!" - das sind Kurzsätze, die Holzweilers Trainer während des Spiels sehr häufig sagt.

Gar nicht gefällt Denneburg freilich das Zweikampfverhalten beim Kopfballspiel. "Ihr lasst euch viel zu leicht in der Luft wegdrücken", moniert er lautstark - und stellt daher eine neue Trainingsform in Aussicht: "Im Sommer werfe ich euch 1000 Frisbeescheiben zu, und die müsst ihr dann alle wegköpfen - und dabei müssen die Dinger auch noch kaputtgehen." Kurzzeitig lädiert ist plötzlich Keeper Julian Behrens. Denneburg selbst läuft mit dem Köfferchen zur Behandlung aufs Feld. "Das muss ja einer machen, der Ahnung hat", erzählt er im Anschluss dem darüber ein wenig verblüfften Beobachter. Also legt Matthes nach: "Ich bin hier Trainer, Co-Trainer, Betreuer, Physiotherapeut, Seelsorger und Streetworker in einem."

Zur Pause führt Holzweiler 1:0. Denneburg versammelt seine Schützlinge an einer Ecke des Spielfelds. "Von der Einstellung her ist es genau das, was ich mir vorgestellt habe", lobt er und geht mit viel Körpereinsatz in die Detailkritik - gerade die Arme setzt er zur Unterstreichung seiner Worte ein. Speziell das Verhalten bei gegnerischen Standards sei verbesserungswürdig, mahnt er.

Genau auf diese Art fällt dann auch der Ausgleich - nach einer Ecke. Denneburg nimmt's fast fatalistisch hin: "Da sind wir halt schwach." Holzweilers neuerliche Führung beantwortet der VfR mit dem erneuten Ausgleich - wieder ein Standard, diesmal ein Freistoß, der sich von der Außenlinie direkt ins Tor senkt - Endstand 2:2.

Nach dem Abpfiff versammelt der Coach vor der Bank die Mannschaft nach zwei verschenkten Punkten im Abstiegskampf. "Einstellung und Siegeswille waren sehr gut. Aber leider haben wir wieder so beknackte Dinger reingekriegt. Aber Kopf hoch, Jungs, weiter geht's!"

Weiter geht's aber erst mal mit der Rückfahrt zur Turnhalle. Entgegen seiner Gewohnheit gestaltet Denneburg die "dritte Halbzeit" aber nicht mit - die Familienfeier ruft eben wieder. Daher zieht sich der "demokratische Diktator" (so seine Selbstcharakterisierung als Trainer) flugs erneut um, kommt wieder im Anzug aus der Kabine, verabschiedet sich flott. David Nix, ein Kumpel seit gemeinsamen Zeiten beim SC 09 Erkelenz, sieht ihm hinterher. Wie er denn selbst den Matthes sehe? Nix setzt sein breitestes Grinsen auf: "Ganz einfach: Das ist der Hobby-Choleriker an der Seitenlinie."

(emo)
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