Volleyball Olympiasieger mit Heimat in Hilfarth

Erkelenz · 1996 war für Robert Karl Baldwin Grabert das wichtigste Sportjahr. Er gewann mit der niederländischen Nationalmannschaft in Atlanta Gold.

HILFARTH Im Leben jedes Menschen gibt es eine Reihe von Kalenderdaten, die unbedingt als Schlüsselpositionen zu sehen sind: Zwei davon sind für den Niederländer Robert Karl Baldwin Grabert der 5. Februar 1964 und der 4. August 1996. Da ist zum einen der Tag, an dem "Rob" den ersten herzhaften Schrei auf dieser Welt von sich gab, zum anderen der Tag, an dem er den Jubel zum Gewinn einer olympischen Goldmedaille in die Welt hinaussendete. Der Ur-Schrei ertönte im Hückelhovener Stadtteil Hilfarth, der Gold-Schrei bei den 26. Olympischen Sommerspielen in Atlanta/USA.

Das Haus seiner Geburt hat sich Rob Grabert mit seiner Familie (Ehefrau Francesca, den Töchtern Gaia, 18, und Mathilda, 15, sowie Sohn Brent, 17) vor einigen Jahren in der ehemaligen Zechensiedlung am Weißdornweg 10 in Hilfarth "einmal aus Neugier angeschaut". Es gehörte einst den Großeltern Karl und Frieda, die auch die Paten bei seiner Taufe in der evangelischen Kirche in Hückelhoven waren.

Die Graberts haben ihre Wurzeln in Westpreußen, wo sie in Deutsch Eylau, das heute zu Polen gehört und sich Ilawa nennt, einen Bauernhof bewirtschafteten. Oma Frieda Grabert gehörte mit Sohn Baldwin (dem Vater von "Rob") im Januar 1945 zu den mehreren Hunderttausend Menschen auf Straßen und Feldwegen, die vor den Russen gen Westen flüchteten - mitten im tiefsten Winter und nur mit dem Allernötigsten. Zusammengeführt in Hilfarth war die Familie erst 1950, als der Großvater aus russischer Gefangenschaft freikam. Lohn und Brot verdiente er dann bei der Zeche Sophia-Jacoba im Bergbau. "Rob" Grabert erinnert sich: "Sowohl mein deutscher Großvater Karl als auch mein holländischer Grootvader Lambertus Roelandt waren bis zu ihre Pension unweit voneinander als Bergleute tätig." Die deutsch-niederländische Elterngemeinschaft war perfekt, als Baldwin Grabert ein "nederlands Meisje", das in Hückelhoven Arbeit gefunden, lieben und schätzen gelernt - und schließlich geheiratet hatte. Ein Jahr nach "Robs" Geburt zog die kleine Familie nach Horn, weil der Vater (gerade Anfang 20) sichere Arbeit beim bekannten und krisensicheren Kraftwerk PLEM fand. Das kleine Kirchdorf in der heutigen Gemeinde Leudal liegt am linken Maasufer gegenüber Roermond und ist heute noch Mittelpunkt der Familie. Hier besuchte Rob nicht nur die Schule, zuletzt die Scholengemeenschap Sint Ursula (Gymnasium), sondern schlug auch einen sportlichen Weg ein, der ihn im wahrsten Sinne des Wortes auf den "Olymp" führte. "Der Weg zum Ruhm war lang und hart", gibt sich Robert Grabert nachdenklich, aber unterlegt mit einer Portion Stolz: "Der letzte Ball in Atlanta 1996 zum Olympiasieg hatte eine enorme positive Ladung und war gleichzeitig der Abschluss einer fantastischen Sportreise als Volleyballer." Diese begann für Rob mit elf Jahren: "Das war 1975, und mein erster Trainer war mein Vater Baldwin." Bald (1982-1988) trug der junge Mann mit den deutschen Wurzeln, aber inzwischen Niederländer, das Trikot von Nashua Geldrop bei Eindhoven. Mit 22 Jahren (1986) ging für Rob ein Traum in Erfüllung, denn sein Trikot war überwiegend in Orange gefärbt - das Nationalmannschaftstrikot. Nationaltrainer Arie Selinger nahm ihn auch mit zu den Olympischen Spielen nach Südkorea, wo in Seoul Platz fünf für die Niederlande heraussprang. Nach schwacher Vorrunde waren die Platzierungsspiele dann versöhnlich: 3:2 gegen Schweden und 3:0 gegen Bulgarien. Nach einem kurzen Gastspiel (1988-90) bei Martinus Amstelveen lockten ihn nicht nur die Sonne und Lire in den Süden, sondern auch die weltbekannte italienische Volleyballschule und die außergewöhnliche Begeisterung für diesen Sport. Pallavolo Catania, Jockey Schiro und Latte Giglio Reggio Emilia waren drei Stationen in nur vier Saisons (1990/94). Rob Grabert gerät auch mit mehr als 20 Jahren Abstand ins Schwärmen: "Wir standen als Ausländer immer unter Druck, erlebten volle Sporthallen in der Serie A-1, ein fanatisches und fantastisches Publikum zugleich, hatten uns mit der kritischen La Gazetta dello Sport, der legendären Sportzeitung, die auf rosa Papier gedruckt ist, auseinanderzusetzen, aber es ging auch um Geld und, ja auch hier schon, um Ruhm", stellte der Mann fest, der in dieser Zeit auch sein Liebesglück fand: Ehefrau Francesca. Sie ging mit ihm 1994 wieder in die Niederlande, wo Rob bei Rentokil-Zevenhuisen Rotterdam spielte, aber mit dem Nationalteam alles auf Olympia 1996 in Atlanta ausgerichtet war. Die "Holländer" hatten allen Grund zu diesem Optimismus: 1988 Olympia-Fünfter in Süd-Korea, 1989 EM-Dritter in Schweden, 1991 EM-Dritter in Deutschland, 1992 Olympia-Silber in Barcelona, 1993 EM-Vize in Finnland, 1994 WM-Silber in Griechenland und 1996 Sieger der Weltliga. Das roch nach mehr. Auch Rob Grabert hatte dafür 323 Länderspiele "geopfert". Das erklärt der inzwischen 51-Jährige zielgenau: "Wenn man mit 32 endlich das höchste persönliche Ziel erreicht, schließt sich ein besonderer Kreis, der 20 Jahre Hochleistungssport und viele Opfer umschließt. Und mit Opfer meine ich dann die von meiner Familie in erster Linie, ohne die ich diese Leistungen nie vollbracht hätte. Aber ich meine auch mich, denn ich habe ohne Ablenkung nur für diesen Sport gelebt."

Weitere acht Partien schwirrten ihm und seinen Kameraden im Hinterkopf herum, nämlich die der Vor- und Platzierungsrunden zum Hundertjährigen von Olympia in Atlanta, die in der Sportarena der University of Georgia vom 20. Juli bis 4. August 1996 stattfanden. Den Weg zu Olympia-Gold gestaltete der wichtige Außenangreifer in diesen Spielen mit: Vier 3:0-Siegen gegen Tunesien, Russland, Jugoslawien und Südkorea stand allerdings eine deutliche 0:3-Klatsche durch Italien zu Buch. Und genau auf die "Azzuri" traf "Orange" nach 3:1 gegen Bulgarien (Viertelfinale) und 3:0 gegen Russland (Halbfinale) dann auch im Nerven aufreibenden Endspiel ein zweites Mal. Den Niederländern gelang die Revanche für die Vorrundenschmach mit einem heftig umkämpften 3:2.

Mit seinem Sportkameraden Blange und Zoodsma hat Rob dann noch ein Jahr beim Moerser SC gespielt. Das war dann wieder der nüchterne Sportalltag, denn der DM-Titel wurde knapp verpasst: "Mit 33 Jahren war dann auch das Ende meiner Karriere gekommen, unter die ich einen erfolgreichen Schlussstrich ziehen durfte." Olympiasieger Rob Grabert wechselte nahtlos in das Leben nach dem Sport, das sich hauptsächlich in Horn abspielt. Dort ist er seit 1999 Inhaber von Bioorganic Srl (Italien) und Bioorganic Holland BC (Niederlande), Firmen die sich mit Ökoprodukten, also Lebensmitteln aus ökologischem Anbau, beschäftigen. Robs Ehefrau Francesca arbeitet an seiner Seite, "insgesamt sind wir ein Team von zehn Mitarbeitern". Ein klein wenig schließt sich in seiner Firma der Kreis zwischen Sport und Business. Die guten Kontakte aus seiner italienischen Volleyballzeit helfen immer mal wieder. Die Südfiliale von Bioorganic Italia sitzt nämlich in Catania, wo er vor 25 Jahren als Volleyballstar gefeiert wurde. Ganz sicher wird man von Bioorganic gehandeltes Obst und Gemüse auch in Hückelhovener oder Hilfarther Supermärkten kaufen können: "Wir liefern europaweit, wobei Deutschland unser wichtigster Markt ist", sagt der gebürtige Hilfarther voller Stolz.

(hg)
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