Fußball Unvergessen: der Ehrentreffer und das Eigentor

Erkelenz · Beim Nierspokal 1979 spielte Borussia Mönchengladbach in Venrath gegen eine Turnierauswahl und siegte vor mehr als 1400 Zuschauern 19:1.

Der morgige Finaltag beim Nierspokal auf dem Sportplatz an der Herrather Straße in Venrath ist sicherlich Garant, für eine stattliche Zuschauerkulisse — immerhin ist es die 50. Ausspielung. Unter den "reiferen" Zuschauern könnte dann auch ein Ereignis Gesprächsthema sein, das sie fast auf den Tag genau vor 36 Jahren auf dem Venrather Rasen miterlebt haben und in Hauswurfsendungen als Hauptspiel der 14. Nierspokal-Ausspielung angekündigt wurde.

Für die Venrather war das Gastspiel von Teams mit großen Namen damals "fast Normalität", denn seit der Platzweihe im August 1964 überzeugten sich die Borussen-Profis, Alemannia Aachen, der 1. FC Viersen und der dreimalige Deutsche Amateurmeister SC Jülich 10 von der Qualität des neuen Venrather Grüns. Aber am 14. August 1979 spielten die Gladbacher vor mehr als 1400 Zuschauern erstmals gegen eine Nierspokal-Auswahlmannschaft, die durch drei Spieler des STV Lövenich verstärkt wurde. Beim UEFA-Pokal-Gewinner fehlten zwar Kneib, Ringels, Schäffer, Wohlers, Fleer, Bruns, Kulik, Schäfer, Nickel und Lienen, die soeben zum Bundesligastart ein 1:1 gegen Schalke 04 erzielt hatten - von Jupp Heynckes, der in dieser Saison erstmals als Cheftrainer amtierte, wurde aber eine starke zweite Garnitur aufs Feld geschickt: Sude, Klinkhammer, Hannes, Bödeker, Dudek, Lausen, Thychosen, Nielsen, Amrath, Lothar Matthäus, Gores, Danner, Bergfeld und Armin Veh. Im Aufgebot der Niers-Auswahl standen: Grates (TuS Borschemich), Gormanns, Rütten, Leu, Wilfried und Karl-Heinz Lambertz, Steinwartz (alle SV Venrath), Schmitz (FC Wickrathhahn), Schurff, Gerd Steuer (SV Immerath), Görtz, Horst und Helmut Wasko (SV Kuckum), Walter, Peter Jansen, Graumann (STV Lövenich), Wimmers, Kley, Heinrichs (TuS Keyenberg), Corsten, Hüls, Totten (TuS Wanlo).

Das Spielgeschehen gegen die Nierspokal-Auswahl, das vom Schiri-Trio Udo Lamberti, Helmuth Barthel und Hans-Dieter Jasiewitz geleitet wurde, ist schnell erzählt: Die Borussia kam durch Tore von Danner (4), Lausen (4), Amrath (3), Nielsen (2), Gores (2), Matthäus (2) und Nielsen (1) zum 19:1-Sieg (Halbzeit 7:0). Trotz des eindeutigen Ergebnisses hatte das Spiel Höhepunkte, die sicherlich immer noch in Erinnerung sind. Aus heimischer Sicht: In der 88. Minute überlistete der Kuckumer Helmut Wasko Borussen-Torhüter Uli Sude zum umjubelten Ehrentor. Der inzwischen 62-Jährige, der bis zur B-Jugend beim TuS Keyenberg, dann bis 1984 beim SV Kuckum spielte, und heute in Kleinenbroich lebt, hat diesen einmaligen Moment immer noch genau vor Augen: "Wir waren alle mächtig aufgeregt. Das Tor war ein Zufallsprodukt, ich habe den Ball nach einem Abwehrfehler der Borussia einfach an Uli Sude vorbei ins Netz gedrückt. Bilder vom größten Tag meiner Karriere habe ich heute noch an einer Wand im Keller hängen." In der Schlussminute wollte sich auch Auswahlspieler Ulrich Wimmers noch am Torreigen beteiligen: Die Borussia zog einen Eckball vors Auswahltor, wo der damals 24-jährige per Kopf abwehrte. Besser gesagt wollte: denn der Ball zappelte im eigenen Tor. Wimmers, der in Keyenberg mit Ehefrau Helene eine Metzgerei hat, erinnert sich: "Hatte man sich bei diesem einzigartigen Spiel selbst irgendwie als Profi gefühlt, kam für mich durch dieses Eigentor doch ganz schnell die Ernüchterung zurück."

Es gab zwei weitere "tragische Helden" dieses Freundschaftsspiels - die Torhüter der Niers-Auswahl. Zum einen war das Dieter Grates, der damals für den TuS Borschemich spielte und in der ersten Halbzeit sieben Gegentreffer kassierte und Georg Gormanns, Keeper der zweiten Hälfte. Gormanns ist heute noch stolz auf eine Äußerung von Jupp Heynckes, der trotz der zwölf Gegentore, die der "Schorch" kassierte, ein dickes Lob in Venrath ließ: "Der hat Talent, das müsste man fördern." Dagegen aber stand stets der Beruf, denn Gormanns kommt aus der Landwirtschaft und lebt diese als staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt, heute 56-jährig in Tönisvorst, wohin es ihn 1986 zog und für einen 300-Hektar-Betrieb in Kempen Verantwortung trägt.

Trotzdem hat er unvergessene Sportzeiten: Er spielte 15 Jahre für den SV Venrath, wo er mit 17 Jahren schon in der Ersten das Tor hütete und von der C- bis in die A-Liga aufstieg. Vier Jahre pendelte er noch von Tönisvorst nach Venrath, dann war das Kapitel Fußball beendet, zu dem auch 1977 der Gewinn der NRW-Meisterschaft bei "Jugend trainiert für Olympia" mit dem von Franz Frings betreuten Schulteam des Cusanus-Gymnasiums gehörte. Seine Fang- und Reaktionstalent stellte "Schorch" Gormanns parallel auch Handballteams der ehemaligen DJK 07 Erkelenz zur Verfügung.

Wie es überhaupt zu diesem Freundschaftsspiel in Venrath kam, weiß Herbert "Mecki" Merkens (72), der damalige Geschäftsführer der "Schwarz-Gelben", für die er in 36 Jahren und mehr als 1000 Spielen seine Fußballstiefel schnürte: "Unser Vorsitzender Theo Welters war ein 'hohes Tier' beim Finanzamt in Mönchengladbach und hatte über diese Schiene Kontakte zur Borussia und zum Präsidenten Dr. Helmut Beyer und Manager Helmut Grashoff." Merkens erinnert sich auch an aufregende Momente: "Zwei Wochen vor dem Termin stand das große Spiel auf der Kippe, denn die Borussia sollte gegen Atletico Bilbao ran." Doch die Gladbacher sagten in Spanien ab und hielten die Vereinbarung mit Venrath. Das galt auch fürs Finanzielle mit Einnahmeteilung 60:40 für Borussia - 40 Prozent bedeuteten für Schwarz-Gelb 15 000 Mark. Ein anderes Geheimnis bleibt aber gehütet: Ein Zuschauer hinter Uli Sudes Tor versprach dem Keeper für ein Ehrentor des Auswahlteams ein Abendessen. Doch dieser großzügige Fußballfreund wird seit dem vergebens gesucht... Vielleicht hat der gedacht, dass der Zuruf mit dem gemeinsamen Essen der Borussen und der Auswahl bei "Lanfermanns Marie" schon eingelöst worden sei.

Bei der Vereinswirtin gefiel Rudi Gores - mit Borussia 1977 Deutscher Meister und 1979 UEFA-Cup-Sieger - "die gute Atmosphäre" nach dem Spiel: "Die ist genau so gut, wie bei mir in der Heimat", meinte der gebürtige Eifeljunge aus Gerolstein.

(hg)
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