Motorsport Viele Siege von Monza bis Zandvoort

Hückelhoven · Motorsport: Als Internationaler Formel-Ford-Meister im Historic-Race-Cup 2015 komplettierte Helmut Hess die Statistik einer motorsportverrückten Familie.

Die Zeit zwischen Weihnachten und dem Jahreswechsel bietet Gelegenheit, Bilanz zu ziehen über die vergangenen zwölf Monate, aber auch, um einen Blick in das bevorstehende Jahr zu werfen. Für den Hückelhovener Motorsportler Helmut Hess war die 47. Rennsaison wieder von Erfolg gekrönt, gewann er doch wiederholt in dem unter der Flagge des Automobilclubs von Deutschland (AvD) organisierten "Historic-Race-Cup" die Wertung in der Klasse GO 3 und sicherte sich zudem im Ranking aller Wertungen den fünften Rang.

Auch der wird am 13. Februar Thema bei der Jahressiegerehrung sein, die in Rothenburg ob der Tauber stattfindet. Die internationale Formel-Ford-Meisterschaft hatte der 65-Jährige schon vor dem letzten Rennwochenende der Westfalen-Trophy in der Tasche, weil die Punktausbeute bis dahin kaum besser hätte sein können. So reichten bei den 20-minütigen Sprintrennen, das sind ca. zehn Runden auf der 5,148 Kilometer langen Grand-Prix-Strecke des Nürburgrings, zweite Plätze zum Titel. Für die Punktlandung sorgte nicht nur Helmut Hess (Eigner, Fahrer und als KFZ-Meister selbst Hand anlegend) am Steuer des Reynard-Ford Formel 2000, sondern auch seine bewährte Boxencrew mit dem 74-jährigen Karl-Heinz Darius (für Elektrik und Zeitmanagement zuständig) und dem 57-jährigen Thomas Brömmer (als TÜV-Prüfstellenleiter und KFZ-Meister für Reifen, Luftdruck, Mechanik zuständig).

Der 2-Liter-Renner des Baujahrs 1988 lief vom Saisonauftakt im April auf dem Hockenheimring wie am Schnürchen, penibelst vorbereitet bei "Autotechnik Hess" in Hückelhoven, wobei zwei Siege mit 9,75 und 9,57 Zählern nahe an die Maximalpunktzahl von 10 heranführten. Diese setzt sich aus Alterspunkten von Fahrer und Fahrzeug sowie Punkten aus Klassenstärke und Ergebnis zusammen. Im Mai sah es in Oschersleben bei zwei Siegen ähnlich gut (9,57 und 9,33) aus. Das dritte Rennwochenende im Juni auf dem Nürburgring brachte in Rennen fünf beim Sieg die Maximalpunktzahl ein, ehe es in Rennen sechs einen unverschuldeten Nuller gab: In der Einführungsrunde war der gelbe Einsitzer mit der Startnummer 126 abgeschossen worden. Hess nahm es gelassen: "Da hatte es ein Kollege eilig." Die Juli-Siege (je 9 Punkte) auf dem belgischen Grand-Prix-Kurs in Spa-Franchorchamps waren doppelt bedeutend: Das Punktepolster war so üppig, dass sie sich die weite Anreise (ca. 720 Kilometer) nach Magny Cours in Frankreich sparen konnten. Konnten so aber auch das Saisonbudget von ca. 10.000 Euro entlasten. In Spa beglich Vater Helmut aber auch eine alte "Hess-Rechnung", die Sohn Hanno in seiner aktiven Zeit hatte offen lassen müssen. Hanno war auf der Piste mit der Eau-Rouge-Kurve, weit in Führung liegend, wegen eines Kabelbruchs ausgefallen, hatte das Siegertreppchen zwangsweise verpasst. "Jetzt ist unsere Familien-Statistik komplett", strahlte Vater Helmut: "Siege auf allen Rennstrecken zwischen Monza und Zandvoort".

Dem Volksmund folgend, "aufzuhören, wenn es am schönsten ist", darüber hat Helmut oft nachgedacht: "Es gab ja vielfach Grund dazu", schmunzelt er, der sich immer mehr aus seiner seit 40 Jahren bestehenden Firma "Autotechnik Hess" zurückzieht. Demnach auch wieder mehr Zeit findet. Und aus 47 Motorsportjahren könnte man "goldene 50" machen.

Mit dem Motorsportfieber war Hess nach bestandener Führerscheinprüfung infiziert. Erste sportliche Heimat war der Motorsportclub Oberbruch, wo ihn, aber auch schon Ehefrau Helga, Slaloms und Orientierungsfahrten forderten. In den 1970er Jahren der Wechsel zum AC Rurtal Hückelhoven und auf die Rundstrecke. Dies sogar international, wie in der RP von August 1975 zu lesen ist: Die Lizenz dazu steuerte er bei fünf Gleichmäßigkeitsprüfungen auf Spitzenplätzen an. Helga und auch damals schon Karl-Heinz Darius, übrigens 1972 der erfolgreichste Motorsportler beim MSC Oberbruch, waren die Beifahrer im Gruppe-2 Ford-Escort.

Als die großen Werksteams sich von den legendären 24 h-Nürburgring zurückzogen, da war Helmut Hess eines der vielen Privatteams, die der "grünen Hölle in der Eifel" die Treue hielten, in der die 24 h heute wieder Weltgeltung haben. 130 PS starke VW-Polos sicherten Helmut und Helga Hess den Leistungsprüfungspokal. Helmut zog sich dann zurück, war "nur noch" Schrauber für seine Helga, die in dieser Hochgeschwindigkeitszeit das Jahr 1983 kaum vergessen dürfte: Im berühmten Streckenabschnitt Brünnchen, einem Zuschauermagnet am Nürburgring, überschlug sie sich mit ihrem Fahrzeug, und alle waren froh als der Rennarzt erklärte "Mutter und Kind wohlauf". Hanno wurde noch im gleichen Jahr geboren. Und wurde später auch Rennfahrer. Mutter Helga fuhr noch mit Alfa und Audi das Jahrzehnt voll, Partner waren die Hückelhovener Helmut Richarz und Ewald Müller, Vater des aktuellen BMW-Werksfahrers Jörg Müller. Dann war "Schrauber" Helmut Hess plötzlich wieder die Motorsport-Nummer 1 der Familie, als er nämlich Anfang der 1990er den Formel Ford 1600 von Ellen Lohr (einzige Frau, die je ein DTM-Rennen gewann) und Jörg Müller kaufte und mit diesem 1.-Platz-Renner im Rahmenprogramm der DTM startete.

Diese Zeit ging jäh zu Ende, als der zehnjährige Hanno im Kartsport gefördert wurde und sich die Erfolge (ADAC-Kader, Gesamtsiege und Mannschaftspokale) häuften - auch in der deutschen Formel Ford. Hess-Motorsport hatte zeitweise drei Fahrzeuge im Einsatz, am Steuer Hanno, Helmut und die Niederländerin Benieta Browers. "Das war die verrückteste Zeit", bilanziert der Senior. Als Hanno Hess, inzwischen selbst Vater, mit 28 Jahren wegen Familie und Firma die sportliche Handbremse anzog, war Vater Helmut wieder mit dem Fuß am Gaspedal. "Helmut stand bei den Rennen von Hanno mit mir an der Boxenmauer, man sah, wie ihm Benzin aus dem Mund floss", war Elektronikchef Karl-Heinz Darius klar, was passieren würde: Der Schalensitz aus Hannos Ford van Diemen 1600 wurde gegen Helmuts ausgetauscht, 2001 stand dann ein Ford-Reynard 2000 ccm mit 140 PS in der Box: "Endlich ein Flügelauto und auch mit Slicks", schwärmte der Pilot, der mit all seiner Erfahrung Schweizern, Engländern, Franzosen und Deutschen das Flügelheck zeigte und Europameister wurde.

Weil die vom TÜV-Rheinland gesponserten Renn-"Oldies" in der neuen Saison inklusive des dann 28 Jahre alten Rennwagens 227 Jahre an die europäischen Rennpisten bringen, ist vom Erfolgs-Trio wegen so manchem Alters-Wehwehchen strengste Disziplin gefordert. Wiederholt sich die Hess-Familiengeschichte, und damit ist zu rechnen, dann zeigt die dritte Generation den Senioren die Zielflagge: Enkel Leon (11) sitzt schon im Kart und Opa Helmut ist der Schrauber.

(hg)
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