Kreis Heinsberg Stiller Protest für mehr Würde in der Pflege

Kreis Heinsberg · Der 6. bundesweite Smartmob "Pflege am Boden" erreicht am Samstag Hückelhoven: Pflegende legen sich für zehn Minuten auf die Erde.

 Mitarbeiter pflegender Berufe wollten auch in Viersen, wo das Bild entstand, mit der Aktion Öffentlichkeit und Politik aufrütteln.

Mitarbeiter pflegender Berufe wollten auch in Viersen, wo das Bild entstand, mit der Aktion Öffentlichkeit und Politik aufrütteln.

Foto: Franz-Heinrich Busch (Archiv)

Alte Menschen mit liebevoller Zuwendung versorgen, sich um Hilfebedürftige kümmern — ein schöner Beruf. Doch wie sieht der Alltag in Pflegeeinrichtungen, mobiler Pflege und Krankenhäusern aus? Waschen, Medikamente stellen, Essen verteilen, Dokumentation schreiben im Minutentakt. Dazu Druck, Kritik, wenig Lohn. Ein Knochenjob, der die Pflegenden oft körperlich und psychisch belastet. Auf die sich stetig verschlechternden Arbeitsbedingungen wollen Pflegende nun aufmerksam machen mit einem "Smartmob", das ist ein organisierter Menschenauflauf mit einer Botschaft, am Samstag, fünf vor zwölf, vor dem Hückelhovener Rathaus. 73 Teilnehmer hatten sich bis Mittwoch auf der Facebook-Seite "Smartmob Pflege am Boden @ Hückelhoven" angemeldet.

"Damit in Zukunft die Würde des Menschen für zu Pflegende und Pflegende wieder an erster Stelle stehen kann", so heißt es im Aufruf, sind alle angesprochen, die sich mit Pflege verbunden fühlen: Alten- und Krankenpfleger, Lehrkräfte für Pflegeberufe und ihre Lernenden sowie Angehörige. Schließlich könne jeder einmal ihre Hilfe brauchen.

Initiatorin für Hückelhoven ist Manuela Garbrecht, Ausbildungskoordinatorin der St. Gereon Seniorendienste. Die haben Ende Februar beim bundesweiten Great Place to Work®-Wettbewerb "Beste Arbeitgeber Gesundheit & Soziales 2014" den 2. Platz in der Kategorie "Pflege" belegt und den Sonderpreis "Qualifizierung" erhalten. Die Brachelener Einrichtung sei von Missständen bei den Arbeitsbedingungen nicht betroffen, erklärte Manuela Garbrecht. "Aber man sollte sich schon solidarisieren mit jenen, denen es nicht so gut geht." Angesprochen sind also nicht nur Pflegende, die selbst Probleme an ihrem Arbeitsplatz haben.

Ihr Chef, Bernd Bogert, unterstützt die Aktion gern: "Die Probleme sind bekannt: immer mehr Druck und Stress, wenn eine Kraft am Morgen 15 bis 18 Leute durchpflegen muss. Das hat viel damit zu tun, dass wir in Strukturen arbeiten, die nicht in Ordnung sind." Der Staat habe sich nur mehr Kontrolle einfallen lassen, statt Strukturen zu ändern. Empfehlungen würden vom Tisch gewischt, die kosten ja Geld. "Es wird nur geschaut, was die Menschen an körperlicher Pflege brauchen", kritisiert Bogert. "Dabei ist bei Demenz viel mehr an Betreuung nötig, damit mehr Personal." Doch Deutschland gebe nur 0,8 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt für Pflege aus, die Niederlande gäben 2,8 Prozent. Er versteht den Frust vieler Pflegender: "Dieser Berufsstand wird permanent enttäuscht."

(RP)
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