Flüchtling in Heinsberg bewusstlos geprügelt Täter müssen Haftstrafe vorerst nicht antreten

Heinsberg/Wassenberg · Vier junge Männer sind wegen fremdenfeindlicher Attacken auf Asylbewerber zu Bewährungsstrafen von bis zu 21 Monaten verurteilt worden. Die Richterin warnt: sofortige Haft bei Verfehlungen. Ein Beschuldigter geht auf Wunsch neun Monate in Haft.

 Die fünf Angeklagten jungen Männer beim Prozessauftakt am 9. Februar im Amtsgericht in Heinsberg.

Die fünf Angeklagten jungen Männer beim Prozessauftakt am 9. Februar im Amtsgericht in Heinsberg.

Foto: Henning Kaiser/dpa

"Sie müssen sich in den nächsten sechs Monaten die Bewährungsstrafe in einer Vorbewährung erst noch verdienen und zeigen, dass sie es ernst meinen", sagte Richterin Dr. Claudia Loch am Freitag bei der Urteilsverkündung im Prozess gegen fünf junge Männer zwischen 18 und 20 Jahre, die im Dezember 2014 und Januar 2015 Asylbewerber am Wassenberger Busbahnhof fremdenfeindlich provoziert, tätlich attackiert und teilweise schwer verletzt haben sollen.

Die Angeklagten W., B., T. und A. wurden zu Bewährungsstrafen zwischen einem Jahr und zwei Monaten und einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Damit bleibt das Gericht unter den von der Anklage beantragten Strafmaßen. Allen Beschuldigten warf das Gericht gefährliche Körperverletzung vor, W. B. und T. zudem Beleidigung und das Zeigen verfassungsfeindlicher Symbole. Bei den Attacken waren ausländerfeindliche Parolen erklungen und der Hitlergruß gezeigt worden.

Dem Angeklagten Ch., der aus seiner Ausländerfeindschaft und rechten Gesinnung keinen Hehl macht, aber nicht zugeschlagen hatte, wurde "psychische Beihilfe" vorgeworfen. Da er deutlich gemacht habe, lieber in den Knast zu gehen als Bewährungsauflagen mit Aussteigerprogrammen zu akzeptieren, wurde Ch. als Einziger neun Monate in Jugendhaft geschickt. Die Richterin attestierte ihm "keine günstige Sozialprognose". "Sie haben ihre rechte Gesinnung offen zur Schau gestellt und noch vor Gericht alles getan, sich respektlos zu zeigen", sagte Loch in Anspielung auf provozierende Gesten des Angeklagten in der Verhandlung. "Jetzt werden sie lange Zeit haben, darüber nachzudenken."

Aber auch bei der Charakterisierung der Taten und Motive der vier anderen beschuldigten jungen Männer sprach Loch von "schädlichen Neigungen" und offen ausländerfeindlichen Motiven. Bei W. (Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten), sah es das Gericht als erwiesen an, dass er beim Vorfall am Nettomarkt im Dezember 2014 einen Asylbewerber erst beleidigt und bedroht und wenig später mit mehreren Schlägen am Kopf getroffen hatte, W. hatte dabei Quarzhandschuhe an. Auch bei der Prügelattacke am Busbahnhof am 27. Januar 2015 schlug W. wieder mit den Handschuhen zu. Sein Geständnis wertete das Gericht zwar als strafmildernd. "Eine ehrliche Reue war jedoch nicht erkennbar", sagte die Richterin.

Auch B. (ein Jahr, sechs Monate) hatte am ersten Verhandlungstag gestanden, den dadurch schwer verletzten Asylbewerber am Busbahnhof mit einem Schlagstock in die Kniekehle und mehrfach gegen den Oberkörper gehauen zu haben. Die Richterin erkannte allerdings "keine wirkliche Unrechtseinsicht". B. habe zwar gesagt, sich eventuell entschuldigen zu wollen, es aber nicht getan. Loch: "Dabei hätten Sie die Chance dazu gehabt."

T. (ein Jahr, acht Monate) bescheinigte die Richterin "hohe kriminelle Energie". Sie sah es durch Zeugenaussagen und die Schilderung der Mitangeklagten als erwiesen an, dass T. den schon am Boden liegenden Asylbewerber mit Stahlkappenschuhen brutal ins Gesicht getreten hatte und sich damit anschließend sogar noch per Handy gebrüstet hatte. Dass sich T. (laut dessen Anwalt) angeblich im Prozess aus Ängstlichkeit nicht traute, irgendetwas zu sagen, nannte Loch "ein schwaches Bild" angesichts der Brutalität seiner Taten.

A. (ein Jahr, zwei Monate) wurde vom Gericht zugute gehalten, dass er sich zu seinen Faustschlägen gegen die Brust des Asylbewerbers am Busbahnhof bekannt hatte. Zudem habe A. nicht mit gefährlichem Werkzeug hantiert. Seine Teilnahme am Aussteigerprogramm, während dem er noch an einer rechten Demo teilgenommen hatte, habe bislang kaum zu "einer erst gemeinten Distanzierung" von der rechten Szene geführt. Der Vater, der den Sohn zur Schlägerei gefahren hatte, konnte das Gericht keine aktive Tatbeteiligung nachweisen, er wurde freigesprochen. Erzieherisch sei seine Rolle allerdings als inakzeptabel zu bezeichnen, sagte die Richterin.

Sie verwies darauf, dass Jugendstrafe den Erziehungsgedanken in den Mittelpunkt zu stellen habe, redete den zu Bewährungsstrafen Verurteilten aber auch eindringlich ins Gewissen. Sie dürften sich in den nächsten sechs Monaten nichts zu Schulden kommen lassen und müssen eine Liste von Auflagen unter strenger Überwachung strikt einhalten. Ansonsten könne jederzeit sofortige Haft angeordnet werden, sagte Loch.

Zu den Auflagen zählen Antiaggressionskurse, Teilnahme am Aussteigerprogramm des Verfassungsschutzes, regelmäßige Treffen mit Bewährungshelfern und der Besuch des NS-Dokumentations-Zentrums in Köln. Zudem müssen alle vier dem schwer verletzten Asylbewerber ein Schmerzensgeld von 750 Euro (in Raten) zahlen.

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