Hückelhoven Über die vaterlose Generation

Hückelhoven · Der langjährige Fernsehjournalist und Osteuropa-Korrespondent Klaus Bednarz hat sich als Autor mit der Nachkriegszeit und der Rolle der Großväter auseinandergesetzt. Es las aus seinem Buch "Ferne und Nähe".

Oskar war der Auslöser. Als sein Enkel vor drei Jahren geboren wurde, beschloss Klaus Bednarz, Kindheitserinnerungen und Stationen seines langen Journalistenlebens aufzuschreiben. "Ferne und Nähe" hat das bekannte TV-Gesicht – Bednarz leitete fast 20 Jahre lang das Politikmagazin "Monitor" – sein aktuelles Buch genannt, das im Mai 2009 im Rowohlt-Verlag erschienen ist. Reiseberichte, Kommentare für die Tagesthemen, Interviews und Essays sind darin enthalten.

Im gut gefüllten Aula-Foyer liest der heute 68-Jährige rund 100 Zuhörern im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Hückelhoven macht Kultur" daraus vor. "Schön, dass sie da sind", freut er sich sichtlich über die große Resonanz auf die Autorenlesung. Bednarz, leger in Jeans und schwarzem Pulli, nimmt am Pult Platz, um sich dann in der ersten Geschichte an "Großvaters Buch", so der Titel, zu erinnern. Heute ärgere er sich, weil er die Chance, seine beiden Großväter vieles zu fragen, nicht besser genutzt habe, gibt der langjährige ARD-Korrespondent in Warschau und Moskau zu. Enkel Oskar soll es eines Tages besser haben: "Er kann dann einfach das Buch aus dem Regal ziehen und nachlesen, was sein Großvater gemacht hat."

"Schlimme, kalte Zeit"

Mit "Großvaters Buch" entführt Bednarz in die schwere Nachkriegszeit. "Eine Generation ohne Väter wuchs heran." Kerzen, die in der Not aus Schuhcreme und Bindfäden gebastelt wurden. Die sonore Stimme des alten Mannes mit dem thüringischen Akzent. Der Großvater las Grimms Märchen vor, ließ den Enkel für ein paar Stunden die "schlimme, kalte Zeit" vergessen.

1971 ging Bednarz nach Warschau, um das dortige ARD-Studio aufzubauen. Sechs Jahre später die nächste Station in Moskau, wo er das ARD-Fernsehstudio von Fritz Pleitgen übernahm. Er habe sich damals nur im Umkreis von 40 Kilometern um den Kreml bewegen dürfen, erinnert er sich. Aber Bednarz wollte reisen, in den Kaukasus, nach Georgien, dessen "grandiosen Wein" und "große Gastfreundschaft" er in seinen Tagebucheintragungen aus dem Jahr 1980 über ein Festmahl beschreibt. Bednarz macht bekannt mit dem hierzulande eher unbekannten russischen Schauspieler und Liedermacher Wladimir Wyssozki, der im Alter von nur 42 Jahren in seiner Moskauer Wohnung stirbt.

Und er liest länger als die vorgesehenen 50 Minuten: "Niemand ist vorher gegangen. Da habe ich gedacht, ich lese einfach noch ein bisschen weiter."

(RP)
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