Flussfahrt Nrw Versteckte Rechte

Erkelenz · Vor der NRW-Wahl haben wir uns auf Reise durch das Land gemacht. Und haben uns auch im Kreis Heinsberg umgeschaut - wo rechte Parteien hohe Werte erzielen.

Deutscher Rap tönt aus dem Käfig hinter der Halfpipe. Nicht der Rap, den man aus den Charts kennt. Ein Ball knallt gegen die Gitter - nochmal, nochmal, immer schneller. Die Musik ist kaum noch zu hören. Schon gar nicht ist der Text zu verstehen. Ein paar Jungs nutzen den sonnigen Nachmittag in Wassenberg zum Zocken. Sich unterhalten wollen sie nicht. Schon gar nicht über Politik oder politische Gesinnungen in ihrer Stadt. Der Ball klatscht gegen den Basketballkorb.

Politik ist ein schwieriges Thema in Wassenberg. Zumindest dann, wenn es um Rechtsradikale oder rechtsgesinnte Gruppen geht. Denn in der Kleinstadt im Kreis Heinsberg gibt es eine Szene von Rechtsextremen. Sie ist nicht sehr groß, aber an Schulen und Jugendeinrichtungen doch immer wieder präsent und Thema. Es gebe zwar keine feste Gruppenstruktur, aber die Szene bestehe aus "vergleichsweise sehr jungen Menschen", teilt der Staatsschutz Aachen mit.

"Man hört immer wieder, dass es hier solche Gruppen gibt. Aber mir sind die hier noch nie begegnet", sagt eine Frau, die auf den Wiesen unterhalb der Gesamtschule mit ihrem Hund spielt. Sie geht jeden Tag mit ihrem Hund in der Stadt spazieren, auch abends. Gruppen, die aggressiv auftreten oder rechte Parolen von sich geben, habe sie nie wahrgenommen. "Wenn es hier rechte Jugendliche gibt, dann halten die sich gut versteckt", sagt sie.

Bei der Landtagswahl 2012 gaben zwei Prozent der Wähler im Wahlkreis Heinsberg II rechten oder rechtspopulistischen Parteien (NPD, pro NRW, Partei der Vernunft) ihre Stimme. Im Wahlkreis Heinsberg I waren es 1,8 Prozent. Der NPD gaben in beiden Wahlkreisen jeweils 0,7 Prozent ihre Stimme. Im Wahlkreis Heinsberg I waren das 341 Menschen, in Heinsberg II 374. In den meisten Wahlkreisen liegt die NPD deutlich unter dem Ergebnis. Den höchsten Wert erzielte sie 2012 in Duisburg und Essen mit je einem Prozent. Im Endergebnis kam die NPD landesweit auf 0,5 Prozent.

Zwei junge Männer steigen auf dem Parkplatz an der Gesamtschule in Wassenberg aus ihrem Auto. Rechts wählen? Für sie keine Option. Aber dass das überhaupt ein besonderes Thema in der Region ist, können sie sich nicht vorstellen. NPD? Weder in ihrer Freizeit, noch beim Feiern sind ihnen rechtsextreme Gruppen aufgefallen.

Ein paar Kilometer weiter südlich im Kreis, in Heinsberg, macht man an diesem Mittag andere Erfahrungen. Das "Bündnis gegen Rechts Kreis Heinsberg" hatte zum Aktionstag "Unser Kreis ist bunt, tolerant und friedlich" geladen. Als die ersten Gäste und Aktivisten kommen, steht auch eine Gruppe aus dem rechten Milieu vor dem Kreishaus. Sie fotografieren die Besucher. "Die Bilder landen dann im Internet, um zu zeigen, wer gegen sie ist", sagt Dominik Goertz, Landtagskandidat der Linken im Kreis Heinsberg. Das seien aber schon die Hardcore-Rechten, sagt Christoph Stolzenberger.

Der Kreisverbandsprecher und Bundestagskandidat der Grünen lebt in Erkelenz und organisiert dort seit 2004 Demonstrationen gegen Rechts. Auch die große Gegendemo im Februar 2016, als die NPD in Erkelenz zum Aufmarsch aufgerufen hatte, hat Stolzenberger angemeldet. Stolzenberger kennt die rechte Szene im Kreis und in der Region seit Jahrzehnten, legt sich immer wieder mit den Anführern der rechten Kader und Parteien an. "Die rechtsextremen Jugendlichen werden Sie auf der Straße nicht treffen", sagt Stolzenberger. "Die wollen nicht wahrgenommen werden."

Sehr wohl wollen sie aber, dass ihre politische Haltung wahrgenommen wird. Karneval 2017: Jugendliche kleben Aufkleber mit rechtsradikalen Symbolen und Botschaften. Syndikat52 nennt sich die Gruppierung. Sie ist ein Ableger der Partei "Die Rechte" und wird von der Partei als Freizeitgruppe ausgewiesen. Sowohl in der Partei "Die Rechte" als auch bei Syndikat52 sammeln sich ehemalige Mitglieder der seit 2012 verbotenen Kameradschaft Aachener Land, sagen Kenner der rechten Szene. "Es gibt eine Szene von jungen Leuten, die mit älteren Kadern zusammenarbeitet", sagt Patrick Fels, Mitarbeiter Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Köln.

In Erkelenz besetzt die NPD bei Kommunalwahlen alle Wahlbezirke mit einem Kandidaten. Christian Remberg hat es in den Stadtrat geschafft. Remberg ist in der Szene bekannt. Im Rat der Stadt ist er unauffällig. "Anfangs hat er noch Anträge gestellt, die wurden ohne Aussprache abgelehnt", sagt Peter Jansen (CDU), Bürgermeister von Erkelenz. Ansonsten falle die Partei nicht durch besondere Aktionen auf. "Öffentlich passiert da nichts", sagt Jansen. Den Eindruck teilen Politiker aus den beiden anderen Stadträten im Kreis Heinsberg, in denen ebenfalls NPD-Mitglieder sitzen.

Die NPD-Vertreter im Kreis Heinsberg selbst wollten sich zu ihren Zielen für die Landtagswahl nicht äußeren. Sie lehnten auf Anfrage der Redaktion jede Art von Kommunikation über ihre Partei-Aktivitäten ab und behalten sich vor, ihre Informationen ausschließlich selbst zu veröffentlichen.

Wichtig sei es, zu zeigen, dass Rechtsextremismus der falsche Weg sei, sagt Dirk Kraut, Parteiloser im Stadtrat in Hückelhoven. "Bei Veranstaltungen der Rechten ziehe ich mir junge Leute raus und frage sie, warum sie mitgehen", sagt Kraut. Das würde bei vielen schon helfen, über ihre Einstellung nachzudenken.

Dirk Gaffron, Vorsitzender der FDP Erkelenz, fordert deshalb, dass das Thema Radikalismus intensiver in den Schulen besprochen wird. Damit die Jugendlichen nicht aus Unwissenheit rechten Ideologien und Parolen folgen. "Glücklicherweise sind es immer nur einzelne Schüler und nicht direkt 50", sagt Stolzenberger. Dennoch ist eine Häufung rechtsextremer Aktivitäten und Vorfälle in der Region nicht zu leugnen. Bekanntester Fall ist der Angriff von Rechten auf drei Migranten in Wassenberg am 27. Januar 2015. Vier Jugendliche gingen damals am Bahnhof mit Schlagstöcken auf die Flüchtlinge los. Inzwischen sind die Angreifer dafür verurteilt worden.

Der Staatsschutz Aachen rechnet in der Region Heinsberg ungefähr ein Dutzend Personen zum Kreis der Personen, die politisch motivierte Straftaten begehen könnten.

Nicht zu übersehen ist die Werbung für Syndikat52. In Hückelhoven kleben die Mitglieder nicht nur Aufkleber mit ihren Parolen, sie verteilen auch Flugblätter in Zügen, berichtet Jenny Marx (Die Linke Kreis Heinsberg). "Da hilft es nur, die Zettel zu entsorgen, wenn man sie rumliegen sieht - oder sie bewusst vor den Augen der anderen im Zug direkt zu zerreißen", sagt Dominik Goertz.

Für die Landtagswahl rechnen die Vertreter der anderen Parteien im Kreis Heinsberg der NPD keine großen Chancen aus. Allerdings könnten von den bisherigen NPD-Wählern einige nun die AfD wählen. "Weil sie sehen, dass sie dort wirkmächtiger sind." In einem Umfeld, in dem rechte Tendenzen ohnehin schon präsent seien, hätten es Rechtspopulisten leichter, befürchtet Politiker Stolzenberger.

(RP)
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