Kreis Heinsberg Wenn Menschen mit Behinderung alt werden

Kreis Heinsberg · Die Zahl von Senioren mit geistiger Behinderung wird wachsen. Individuelle Begleitungskonzepte sind daher gefragt.

 Ganz wichtig ist eine Tagesstruktur mit festen Angeboten, auch bei der Freizeitgestaltung, für ältere Menschen mit geistiger Behinderung.

Ganz wichtig ist eine Tagesstruktur mit festen Angeboten, auch bei der Freizeitgestaltung, für ältere Menschen mit geistiger Behinderung.

Foto: ViaNobis

Wie sollen - und vor allem wie wollen - Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung im Alter leben? Auf eine Thematik, die bislang noch wenig im Blickfeld der Öffentlichkeit stand, aber für die Zukunft dringend Lösungen und sinnvoller Konzepte bedarf, ging es jetzt bei einer Tagung der ViaNobis (Gangelter Einrichtungen) in Heinsberg. Eingeladen dazu waren unter dem Motto "Behindert, alt - was nun?" Gesetzliche Betreuer, Eltern von Behinderten sowie Vertreter von Kommunen und Behörden.

Über die Herausforderungen der Zukunft und das bereits bestehende Angebot der ViaNobis für diese Personengruppe im Katharina-Kasper-Heim informierten in Gangelt Einrichtungsleiter Josef Aretz und seine Kollegin Ilka Gerigk von der Eingliederungshilfe, die sich um die jüngeren Behinderten kümmert, die in den ambulanten und stationären Einrichtungen der ViaNobis oder in den eigenen vier Wänden begleitet werden. Wenn diese Menschen alt werden, reichen klassische Konzepte der Altenpflege nicht aus. "Unsere Klienten haben zusätzlichen speziellen Assistenzbedarf, müssen aber auch als vollwertige Bürger mit Rechten und Pflichten wahrgenommen werden", betont Josef Aretz. Er (und seine Kollegen) möchten älteren Menschen mit geistiger Behinderung die Gewissheit geben "Ich bin der Regisseur meines Lebens". Ein so weit wie möglich selbstbestimmtes Leben soll für diese Menschen selbstverständlich sein.

60 Plätze für diesen Bewohnerkreis an (neben 30 allgemeinen Altenheimplätzen) bietet das Katharina Kasper Heim heute und 3,5 zusätzliche Mitarbeiterstellen für die spezielle Begleitung Behinderter. Aber sicher ist bereits: Der Bedarf wird wachsen, weil der Kreis der Betroffenen zunimmt. Auch aufgrund eines bedrückenden historischen Hintergrundes: Nach der Verfolgung Behinderter in der Nazizeit ("lebensunwertes Leben") wächst heute die Nachkriegsgeneration von Menschen mit primär geistiger Behinderung ins Rentenalter hinein. Hinzu kommt, dass sich dank guter medizinischer Versorgung und frühzeitig einsetzender, oftmals lebenslanger pädagogischer Begleitung und Förderung die Lebenserwartung behinderter Menschen weitgehend der der Allgemeinbevölkerung angeglichen hat. Dies zwingt zu neuen, auf unterschiedliche Bedürfnisse der Behinderten zugeschnittene Betreuungs- und Finanzierungskonzepte, die vom kürzlich verabschiedeten Bundesteilhabegesetz angestoßen wurden. Bis 2023, so die Gangelter Fachleute, sollen die Maßgaben der neuen Gesetzgebung stufenweise umgesetzt werden.

Über die Fragen der künftigen Mischfinanzierung aus Pflegeversicherung, Sozialhilfe (Kommunen) und Eingliederungshilfe (Landschaftsverband) informierte bei der Tagung der Jurist Prof. Christian Bernzen aus Hamburg. Professor Sabine Schäper von der Katholischen Hochschule NRW in Münster befasste sich mit dem speziellen Begleitungsbedarf älterer Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung beim Übergang von der Arbeit, zumeist in Behindertenwerkstätten, in den Ruhestand. Die Betroffenen brauchen, mehr noch als Nichtbehinderte, einen sinnvollen Ausgleich für die vom Werkstattalltag geprägte Tagesstruktur.

(RP)
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