Langenfeld Auf den Spuren eines alten Handwerks

Langenfeld · Im Kotten erleben Besucher Geschichte und lernen die Arbeit eines Heft- und Schalenschneiders kennen.

 Helmut Endres erklärt die Arbeitsabläufe im Schalenschneider-Kotten. Dort wurden die Griffe für Messer hergestellt.

Helmut Endres erklärt die Arbeitsabläufe im Schalenschneider-Kotten. Dort wurden die Griffe für Messer hergestellt.

Foto: Olaf Staschik

Die Führung durch den Langenfelder Schalenschneiderkotten lockt wieder einmal einige sehr interessierte Besucher an. Empfangen werden sie von Dr. Helmut Endres. Der 69-jährige Diplom-Chemiker ist als ehrenamtlicher Helfer beim Förderverein Stadtmuseum Langenfeld tätig. Gemeinsam mit Wolfgang Jumpertz und Edgar Zimmermann bildet er das Team, das die Führungen organisiert. "Der Kotten ist ein industriehistorisches Denkmal", betont Endres. "Diese seltene Werkstatt ist ein Unikat und gibt es so nur ein einziges Mal in Langenfeld".

Der Vortrag beginnt mit einer kurzen Erklärung, wie der Kotten in den Volksgarten kam. Denn ursprünglich befand er sich im Ortsteil Wiescheid. Dort fertigte der Heft- und Schalenschneider Wilhelm Jacobs von 1920 bis 1988 hölzerne Messergriffe für die Solinger Schneidwarenindustrie. Ein Handwerk, das inzwischen ausgestorben ist. Nach Jacobs Tod verhinderte der damalige stellvertretende Bürgermeister Fritz Clees den Abriss der historischen Werkstatt. Stattdessen wurde sie mitsamt Inventar im Keller des Konrad-Adenauer-Gymnasiums zwischengelagert und später im Volksgarten teilrekonstruiert. Außen ist der Kotten zwar von einer modernen Glasfassade umgeben, doch im Inneren scheint es, als wäre die Zeit vor fast 100 Jahren stehengeblieben. "Obwohl die Werkstatt noch bis vor 30 Jahren in Betrieb war, hat sie sich seit ihrer Erbauung kaum verändert", erzählt Endres.

Anschließend werden in einem Film die einzelnen Arbeitsabläufe erklärt, die im Kotten stattgefunden haben. Wie wird aus einem Baumstamm ein fertiger Messergriff? Wie genau wurde das Holz gefräst, gefärbt und gewachst? "Ziel ist es", so Endres, "den Besuchern einen Einblick in die Arbeitsverhältnisse des letzten Jahrhunderts zu ermöglichen". Jacobs arbeitete etwa 60 Stunden pro Woche. Ein Schalenschneider verdiente damals etwa 65 Pfennig in der Stunde.

Bei einem abschließenden Rundgang durch die Werkstatt werden die Arbeitsabläufe noch deutlicher veranschaulicht. Die Besucher bekommen das vollständige Inventar zu sehen. Vom unzerkleinerten Baumstamm, über Sägen, Fräsen und Öfen, bis hin zu den fertigen Messergriffen, können die Gäste alles aus nächster Nähe betrachten. Ausgestellt ist außerdem die Originalzeichnung des Bauunternehmers Guido Boes, auf der zu sehen ist, wie er den Wiederaufbau des Kottens plante.

Mitten in der Werkstatt steht eine Puppe in Gestalt Wilhelm Jacobs in Arbeitshaltung und Originalkleidung. Durch die vielen Anekdoten, die über ihn erzählt werden, wird die Führung durch den Schalenschneiderkotten noch lebendiger. Sie lassen erahnen, dass Jacobs eine sehr clevere und einfallsreiche Persönlichkeit war. Im vorgeführten Film erinnert sich Jacobs Tochter beispielsweise, dass ihr Vater nie krank gewesen ist. Bei einer Erkältung machte er den Trockenraum seiner Werkstatt einfach zu einer Sauna, indem er Wasser auf den Heizofen goss. Nach der Führung zeigt sich die Besucherin Birgit Meuser begeistert vom Schalenschneiderkotten. "Ich bin beeindruckt von den damaligen Arbeitsverhältnissen und von der Pfiffigkeit Jacobs". Gemeinsam mit Freunden plant sie, weitere Führung durch den Kotten zu besuchen.

(RP)
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