Langenfeld Verfahren eingestellt - Blindes Unfallopfer ist wütend

Langenfeld · Vor einem halben Jahr wurde die blinde Langenfelderin Renate Tillmanns an einer Parkplatz-Zufahrt in Reusrath von einem Auto erfasst und verletzt. Das Verfahren wurde jetzt eingestellt.

Renate Tillmanns mit ihrem Blindenhund an der Supermarkt-Zufahrt, wo sie vor einem halben Jahr angefahren wurde.

Renate Tillmanns mit ihrem Blindenhund an der Supermarkt-Zufahrt, wo sie vor einem halben Jahr angefahren wurde.

Foto: RALPH MATZERATH

Renate Tillmanns (69) ist wütend und traurig zugleich. "Bin ich als Blinde denn weniger wert als andere Menschen? Darf man mich einfach über den Haufen fahren, ohne dass es gerichtliche Konsequenzen hat?"

Seit ihrem achten Lebensjahr kann die Reusratherin gar nichts mehr sehen. Dennoch ist sie im Leben gut zurechtgekommen, war sogar leitende Physiotherapeutin in der Langenfelder LVR-Klinik. Dank ihres gut geschulten Blindenhundes Merlin wagt sich die 69-Jährige auch ohne Ehemann Bernd (72) nach draußen, etwa um im Rewe-Supermarkt an der Opladener Straße einzukaufen. Auf solch einer Tour verunglückte sie vor einem halben Jahr.

Im Verkehrsgewühl am Tag vor Silvester erwischte an der Parkplatzzufahrt ein Auto die blinde Frau, die sich an der Schulter verletzte. Während sich andere Menschen um Renate Tillmanns kümmerten, stellte die junge Fahrerin ihr Auto ab und ging erst einmal einen Kaffee trinken, bevor sie von Zeugen ausfindig gemacht und zur Verletzten geleitet wurde. Erzürnte schon diese Gleichgültigkeit die Verletzte, so setzte jetzt die Einstellung des Gerichtsverfahrens gegen die Heranwachsende noch eins drauf.

Der Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung und Unfallflucht gegen sie sei fallengelassen worden, bestätigt Amtsgerichtsdirektor Lutz Wollenhaupt. "Das Verfahren wurde gegen die Ableistung von 20 Sozialstunden eingestellt." Durch die vielen ein- und ausfahrenden Autos sei die Verkehrssituation beim schnellen Linksabbiegen sehr unübersichtlich gewesen. Dort stand Renate Tillmanns mit ihrem Hund, weil es an der Parkplatz-Zufahrt neben den drei Spuren für Autos keinen eigenen Weg für Fußgänger gibt.

"Es geht uns ja gar nicht um eine Bestrafung und wir wollen der jungen Frau ja auch nicht die Zukunft verbauen", meint Bernd Tillmanns bei einem Treffen mit der RP am damaligen Unfallort. Aber die Verfahrenseinstellung sei kein gutes Zeichen. "Ich habe mit dem Justitiar des Blindenverbands gesprochen und der hat mir gesagt: ,Das erleben wir täglich. Wir haben eben keine Lobby.' Und leider macht auch meine Frau immer wieder schmerzhafte Erfahrungen. So hat ein Radfahrer sie unlängst angeschrien: ,Geh doch zur Seite, du blinde Kuh!"

(RP)
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