Analyse Demografie: So fährt Langenfeld vorneweg

Langenfeld · Die Posthorn-Stadt hat sich eine Vorbildrolle in Sachen Demografie-Management erarbeitet.

 Übergabe eines Dreirad-Tandems, damit Senioren leichter rumkommen. Im Juni 2013 waren unter anderen mit dabei: Awo-Chef Klaus Kaselowsky, Heimleiterin Christa Reinders (2.v.r.) und die Erste Beigeordnete Marion Prell (r.)

Übergabe eines Dreirad-Tandems, damit Senioren leichter rumkommen. Im Juni 2013 waren unter anderen mit dabei: Awo-Chef Klaus Kaselowsky, Heimleiterin Christa Reinders (2.v.r.) und die Erste Beigeordnete Marion Prell (r.)

Foto: rm-

Viele Kommunen haben ihren eigenen Slogan. Der von Langenfeld lautet "Junge Stadt an alter Straße". Und ausgerechnet diese junge Stadt gilt als inoffizielle Nummer 1 in der Frage: Wie werden wir mit der (Über-)Alterung fertig? Heute, morgen und besonders übermorgen. Ausgerechnet Langenfeld also als "Best-practice-Beispiel" in einer Fachlektüre des Wirtschaftsrats Deutschland über "Chancen und Herausforderungen des demografischen Wandels für Europa und Deutschland". Dazu Lob vom Kreisdirektor ("Langenfeld ist längst dort, wo andere noch hin wollen") bis zum Stadtentwicklungsminister. "Langenfeld", sagte Michael Groschek (SPD) vor einer Woche bei seinem Besuch im Rathaus, "ist Vorreiter mit Vorbildfunktion". Wie ist es dazu gekommen?

Junge Stadt mit alten Leuten Zugegeben, das wäre kein guter Slogan. Aber er träfe zu, und das mit jedem Jahr mehr. Je oller, je doller sozusagen. Nach einer Prognose der Landesstatistiker von IT.NRW erhöht sich der Anteil der 60- bis 80-Jährigen an der Langenfelder Bevölkerung bis 2030 (gegenüber 2010) von 21,7 auf 30,3 Prozent und der der Über-80-Jährigen von 4,8 auf 11,6. Das bedeutet: Im Jahr 2030 leben fast 5000 mehr Ältere und fast 4000 mehr Hochbetagte in der "jungen Stadt" als 20 Jahre zuvor - bei entsprechend weniger Jüngeren, weil die Gesamtbevölkerung unverändert bleiben soll (zirka 59 000).

Marion Prell Die Stellvertreterin von Bürgermeister Frank Schneider als Verwaltungschef ist der Motor des Langenfelder Demografie-Managements. Als ihr damaliger Chef, der "eiserne" Kämmerer und Sozialdezernent Winfried Graw, ihr um die Jahrtausendwende das Thema Demografie ans Herz legte, dachte sie nach eigenem Bekunden: Trockenes Thema, trockener geht's kaum. "Bis mir klar wurde: Die Alten von morgen, das sind wir selbst." So erzählt es die heute 52-Jährige gern, und die Ausdauer, mit der sie ihr Steckenpferd reitet, spricht in der Tat für ein Erweckungserlebnis.

Früh gestartet 2003, ein Jahr nachdem Prell das Sozialressort übernommen hatte, beschloss der Stadtrat den "Seniorenbericht 2030". In vielen anderen Kommunen wurde die Volksalterung da noch als Science-Fiction-Phänomen behandelt und/oder als Aufgabe vorrangig für Bund und Länder. Derweil ging es in Langenfeld voran: 2004 Seniorenmesse, '05 Netzwerk Demenz, '06 Seniorenbüro etc. pp.

Raus aus dem Graukopf-Ghetto "Die Alten von morgen, das sind wir" - getreu dieser Erkenntnis holte Prell das Thema "Demografie" ab 2007 raus aus den Seniorentagesstätten und brachte es hinein auch in Kindergärten und Schulen, in Familien und Vereine. So wurde etwa eine Elternschule gegründet und aus der Senioren- eine Familienmesse. Erstens damit Langenfeld durch ein familienfreundliches Umfeld und entsprechenden Zuzug so jung bleibt wie nur irgendmöglich, und zweitens damit die Generationen verstärkt miteinander ins Gespräch kommen und die Volksalterung gemeinsam angehen.

Netzwerke statt Bemutterung durch Stadt und Staat Langenfeld wäre unter den (mehrheitlich noch immer verschuldeten) Kommunen in Deutschland gewiss kein Vorbild, wenn es für seine Demografie-Offensive großzügig Planstellen geschaffen hätte. Im Rathaus gilt das Thema vielmehr als Querschnittsaufgabe, die von den vorhandenen Kräften miterledigt wird. Zudem wird auf die Stärkung des Ehrenamts gesetzt sowie auf die Einbindung und Vernetzung von Vereinen und Einrichtungen.

Begleitung durch Fachleute Neben der Befragung der Hauptzielgruppe (2005 und 2007) lässt die Stadt ihre Konzepte regelmäßig professionell mit auf den Weg bringen (Bsp. "Zwar", siehe Info) und untersuchen. Dies trifft zum Beispiel auf die jüngste Fortentwicklung zu, die Quartiersarbeit. In den beiden Pilotquartieren gibt es unterschiedliche Ansätze: Während in Immigrath die im Netzwerk verbundenen Gruppen und Einzelpersonen an einer sehr langen Leine geführt werden (Prell: "Man muss als Verwaltung auch loslassen können"), ist die Quartiersarbeit in Langenfeld-Mitte organisierter. Wo die Vorteile und Schwächen beider Modelle liegen, soll das Centrum für Altenstudien (Cefas-Institut) der Uni Köln erforschen.

Vorbildsein motiviert Langenfeld als Lokomotive beim Demografie-Management, das funktioniert ein bisschen so wie die Entschuldung von 1986 bis 2008: Ist man erst mal Vorbild, dann will man's auch bleiben und gibt weiter Gas.

(RP)
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