Rekordverdächtig Die einstmals steilste Eisenbahnstrecke Europas

Erkrath · Die steilste Eisenbahn-Hauptstrecke Europas vermutet man vielleicht in einem Gebirge, nicht jedoch zwischen dem Bergischen und dem Rheinland. Und doch hielt ein Teilstück der Eisenbahnstrecke Düsseldorf-Elberfeld diesen Rekord über 140 Jahre lang: Der Streckenabschnitt zwischen Erkrath und Hochdahl hat bei einer Länge von 2449 Metern eine Höhendifferenz von rund 82 Metern. Die Steigung der schnurgeraden Bahnstrecke beträgt 33 Prozent.

 Die letzte Fahrt mittels der Seilzuganlage fand im August 1926 statt. Die Geschichte der Anlage ist auch im Museum Lokschuppen dargestellt. Mehr Bilder auf www.lokschuppen-hochdahl.de

Die letzte Fahrt mittels der Seilzuganlage fand im August 1926 statt. Die Geschichte der Anlage ist auch im Museum Lokschuppen dargestellt. Mehr Bilder auf www.lokschuppen-hochdahl.de

Foto: Eckler / Slg EHE)

Erst 1981 löste die französische Hochgeschwindigkeitsstrecke Süd-Ost zwischen Paris und Lyon eröffnet den Rekord ab: Sie Steigungen bis zu 35 Prozent auf.. Zur Geschichte: Wenige Jahre nach Eröffnung der ersten deutschen Eisenbahn - 1835 zwischen Nürnberg und Fürth - wollten auch andere Teilen Deutschlands von den Vorteilen des neuen Verkehrsmittels profitieren. Am 9. April 1838 konnte mit dem Bau der Bahnstrecke Düsseldorf-Elberfeld begonnen werden. Schon acht Monate später, am 20. Dezember 1838, wurde der erste Streckenabschnitt in Betrieb genommen.

Von Düsseldorf konnte man nun bis Erkrath mit der Eisenbahn fahren. Doch der nächste Abschnitt der Strecke stellte die Eisenbahningenieure vor eine große Herausforderung. Die Steigung von 33 Prozent verlangte eine Kraftanstrengung, die damalige Lokomotiven noch nicht leisten konnten. Bei den Planungen war die Wahl dennoch auf diese Route gefallen. Alternative Steckenverläufe wären deutlich länger gewesen und hätten mehr Tunnel und Brücken erfordert. Zur Überwindung der Höhendifferenz wurde deshalb ein Seilzug-System errichtet. Zunächst wurde eine Anlage mit zwei Dampfmaschinen gebaut, die ein armdickes Hanf-Seil auf eine Seiltrommel aufwickelten und so die Eisenbahn den Berg hochziehen konnten.

Am 10. April 1841 konnte dank dieser Technik der Streckenabschnitt eröffnet werden. Das Verfahren stellte sich jedoch schon bald als unwirtschaftlich heraus. Nur fünf Monate nach Inbetriebnahme der Bahnstrecke wurde das Seilzugsystem am 22. September 1841 umgestellt. Von da an wurde das Seil von einem auf dem Parallelgleis talwärts fahrenden Zug gezogen. Dieses Verfahren setzte eine feine Fahrplangestaltung voraus, damit die Züge in beide Richtungen stets zur selben Zeit in Hochdahl und Erkrath losfuhren. Die nächste Änderung erfolgte im Juni 1843: Nachdem das aus Hanf bestehende Seil mehrmals - zum Teil aufgrund von Sabotage - gerissen war, wurde es durch ein stabileres Stahlseil ersetzt. Ab 1855 wurde der Betrieb der Seilzuganlage auf reine Seillokomotiven umgestellt.

Eine vollständige Trennung vom talwärtigen Betrieb war dann ab 1865 möglich, als ein drittes Gleis gebaut wurde, auf dem die Seillokomotiven fahren konnten. 85 Jahre lang, also von 1841 bis 1926, funktionierte der Betrieb des Streckenabschnitts zwischen Erkrath und Hochdahl mit Hilfe der Seilzuganlage. Im August 1926 kamen dann neue Lokomotiven zum Einsatz, die die Eisenbahnen anschoben. Im Zuge der Elektrifizierung der Bahnstrecke im Jahr 1963 wurde nach der Seilzuganlage auch das Nachschieben zu einer abgelösten Technik.

Im Lokschuppen in Hochdahl, der 1858 für den Seilzugbetrieb gebaut wurde und ab 1926 Wartungsort für die Schubloks war, macht der Verein Eisenbahn- und Heimatmuseum Eisenbahngeschichte greifbar, zum Beispiel mit Fahrzeugausstellungen und Informationen rund um die Steilrampe Erkrath-Hochdahl. Die in diesem Zuge ausgestellte alte Umlenkrampe dient als Denkmal an die Pionierleistung der Eisenbahningenieure von damals.

Zum Nachlesen: "Die Seilzuganlage in Hochdahl" von Meinhard Sucker, Deutsche Bundesbahn, Regionalabteilung Düsseldorf, 1988.

(RP)
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