Serie Unser Rhein Diese Kneipe am Ufer ist reif fürs Museum

Langenfeld · Die Wirtschaft "Zum Toni" in der Nähe der Fähre in Düsseldorf-Urdenbach hat noch die Original-Einrichtung aus den 1960-er Jahren.

 Anneliese und Günther Opherden betreiben die Gaststätte "Zum Toni".

Anneliese und Günther Opherden betreiben die Gaststätte "Zum Toni".

Foto: Andreas Endermann

Alles ist im Fluss: Containerschiffe, Ausflugsboote, Segelyachten - und die Fähre, die alle paar Minuten die Seiten wechselt. Stundenlang ließe es sich hier am Fenster sitzen und dem Wasser zuschauen, wie es in Richtung Holland eilt. Günther Opherden (74) und seine Frau Anneliese, Wirtspaar der Kneipe "Zum Toni" in Urdenbach, könnten sich ein Leben ohne diesen Blick nicht vorstellen. Der Rhein ist alles für sie: Heimat, Existenz und Fluch. Ja, das manchmal auch. Wie bei den unzähligen Hochwassern, wenn das Land auf Tauchgang geht und sie zwei Insulaner sind, abgeschnitten von der Welt. "Haben wir alles schon überstanden", sagt er. Sogar, als die Wassermassen bis kurz unter die Deckenlampe standen. Oder ist das jetzt Anglerlatein?

 Zwischen Urdenbach und Zons verkehrt auch am Wochenende eine der beiden Rheinfähren in Düsseldorf. Wer in Urdenbach landet oder abfährt, kann bei Toni eine gemütliche Pause einlegen.

Zwischen Urdenbach und Zons verkehrt auch am Wochenende eine der beiden Rheinfähren in Düsseldorf. Wer in Urdenbach landet oder abfährt, kann bei Toni eine gemütliche Pause einlegen.

Foto: Stephan Kaluza/rheinprojekt-edition

Diese Kneipe ist reif fürs Museum. Nichts hat sich verändert seit 50 Jahren: Gelbe Plastikrosen schmücken die Resopaltische, an der Wand bestimmt ein altes Schiffssteuer den Kurs, im Regal wacht eine ausgestopfte Möwe. "Warum sollten wir neu möblieren", fragt der Wirt. "Unseren Gästen gefällt's." Die wollen vor allem die Stille genießen, deshalb wurde alles entsorgt, was die Ruhe zum Sonnenuntergang stören könnte: Spielautomaten, Flipper, und Musik gibt's sowieso nicht. "Außerdem ist das hier kein Lokal, in dem einem Gast als Erstes eine Speisekarte vor die Nase gehalten wird", ergänzt Anneliese Opherden. Das Angebot ist allerdings auch so übersichtlich. Es gibt Bockwurst und Brot. Und Salzbrezel zum Bier. Die Wurst beziehen sie seit 40 Jahren vom selben Lieferanten, Qualität wird von ihnen mit Treue honoriert.

Die Familientradition des Paares hat ihre Wurzeln schon seit langer Zeit im Süden von Düsseldorf: Großvater Opherden besaß die letzte öffentliche Rhein-Badeanstalt in Benrath - zu einer Zeit, als die einteiligen Badeanzüge bis zum Knie reichten und bei den Damen mit Rüschen geschmückt waren. Vater Opherden baute dann 1927 ein Büdchen in Urdenbach direkt an der Fähre nach Zons. Alte Fotos zeigen einen Herrn mit Gehrock und Krawatte, elegant versorgte er Ausflügler mit Limonade und Bier.

1933 ersetzte schließlich ein massiver Holzbau das Büdchen, der Laden florierte, "auch der alte Underberg (der mit dem herben Kräuterlikör) war gern zu Gast", berichtet Günther Opherden. Und später, als 1945 amerikanische Soldaten bis ans gegenüberliegende Rheinufer vorgerückt waren, belieferte Vater Toni Opherden "die Amis" mit Fisch. Die revanchierten sich, indem sie die Familie rechtzeitig vor ihrem Übersetzen warnten.

Viele solcher Geschichten kann der heutige Wirt erzählen, Seemannsgarn gehört wohl auch dazu. Dass die Bockwurst bei ihm aus der Hand gegessen wird, begründet Günther Opherden gern so: "Als Willy Brandt hier war, hat der auch kein Besteck gekriegt." Der war zwar nie in Urdenbach, aber was wäre das Leben ohne Phantasie?

Aber das mit dem Hochwasser bis zur Deckenlampe, das stimme wirklich, versichert er. Seit seine Frau und er 1962 "Zum Toni" übernahmen und später ausbauten, haben sie unzählige Male die steigenden Fluten erlebt, obwohl die Kneipe und ihre darüberliegende Wohnung auf acht Stelzen steht. Wenn es schlimm kam, haben sie das komplette Kneipen-Mobiliar von Lastwagen abtransportieren lassen und sich in ihre Wohnung zurückgezogen. "Da kann man nur noch abwarten." Ohne Müllabfuhr, ohne Post und oft auch ohne Strom und Wasser, denn das wird mit eigener Pumpe gefördert. "Dann kann man nicht mal mehr Kaffee kochen." Ihren Sohn mussten sie an solchen Tagen mit dem Boot zur Schule nach Benrath fahren.

Wenn das Wasser schließlich wieder verschwunden ist, gilt es, schnell den Schlamm aus dem Gastraum zu schippen, "denn der wird sonst hart wie Beton". Um danach mit dem Heizlüfter alles wieder trocken zu pusten. "Aber gehungert haben wir noch nie, ich habe immer reichlich Vorräte im Haus", sagt Wirtin Anneliese. Früher hat sie die manchmal aus Armeebeständen gekauft. Was die Opherdens allerdings in Rage bringen kann, sind die Schaulustigen, die pünktlich nach jedem Hochwasser zur Stelle sind - "die nur im Weg stehen und alles fotografieren."

Obgleich das Paar ein Alter erreicht hat, in dem sich andere längst aus dem Berufsleben zurückgezogen haben, denken die beiden nicht daran, ihre Kneipe zu schließen. "Wir arbeiten manchmal bis zu 16 Stunden. Aber das ist schließlich unser Hobby", sagt Günther Opherden und schaut aus dem Fenster auf den Rhein.

(RP)
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