Langenfeld Grabstein nennt Namen von Zwangsarbeitern

Langenfeld · Der Waldfriedhof ist letzte Ruhestätte von 14 Frauen und Männern, die während der NS-Diktatur aus Osteuropa nach Langenfeld verschleppt wurden; und von zwei Babys. Bislang war das Sammelgrab anonym.

 Steinmetzin Marina Horneber hat die Namen mit dem Schrifthammer und -eisen gemeißelt. Zwei Vornamen ließen sich nicht feststellen.

Steinmetzin Marina Horneber hat die Namen mit dem Schrifthammer und -eisen gemeißelt. Zwei Vornamen ließen sich nicht feststellen.

Foto: Ralph Matzerath

Fern der Heimat ist der Waldfriedhof in Wiescheid ihre letzte Ruhestätte. Während des Zweiten Weltkriegs waren 14 Männer und Frauen aus eroberten Gebieten in Osteuropa zur Zwangsarbeit verschleppt worden und in Langenfeld ums Leben gekommen. Ihre letzte Ruhestätte fanden sie und zwei von Zwangsarbeiterinnen geborene Babys in einem anonymen Sammelgrab auf dem städtischen Friedhof. Doch jetzt werden in den Sandstein ihre Namen gemeißelt. Steinmetzin Marina Horneber liegt mit ihrer Arbeit in den letzten Zügen.

Auf einen von der SPD beantragten Ratsbeschluss hin werden die in den 1960er-Jahren in das Sammelgrab umgebetteten Toten somit aus der Anonymität geholt. Der Langenfelder Lokalhistoriker Günter Schmitz hatte die Namen der Bestatteten herausgefunden und deren Schicksal für die Gedenktafel erforscht. Die Aufgabe erwies sich als schwierig. "Schon die in den 1960er-Jahren erstellten Listen waren sehr unvollständig", sagt Schmitz, der den Arbeitskreis Geschichte der Langenfelder Volkshochschule leitet. "Ich habe sie durch Recherchen vervollständigt, so weit mir das möglich war."

Unter anderem forschte Schmitz im Archiv zum damaligen zentralen Sammellager für Kriegsgefangene in Schloss Holte-Stukenbrock, das Russen und Polen nach seinen Worten "unter teils erbärmlichen Bedingungen" durchliefen, bevor sie auf Arbeitslager wie etwa an der Kronprinzstraße in Langenfeld verteilt wurden. Zu einigen der Toten in dem Massengrab hat Schmitz über deren Namen hinaus Details zu ihrem Schicksal zusammengetragen.

So kam im Alter von 16 Jahren die Polin Irene Adamczyk 1941 nach Langenfeld, war als Landarbeiterin und Hilfsköchin eingesetzt, warf sich zwei Jahre später in Berghausen vor einen Zug. Exemplarisch für das Schicksal von Zwangsarbeitern in Langenfeld erinnert das Stadtmuseum im Freiherr-vom-Stein-Haus an Irene Adamczyk. Im Computer-Terminal sind die Kennkarte mit Porträt und ein weiteres Foto der jungen Polin zu sehen. "Das erste Bild zeigt ein fröhliches, hübsches Mädchen, auf dem anderen Bild ist Irene Adamczyk großes Leid ins Gesicht geschrieben", sagt Museumschefin Dr. Hella-Sabrina Lange.

Auch zu weiteren Namen auf dem Grabstein gibt es tragische Lebensgeschichten. Die Männer stammten bis auf einen Ukrainer alle aus Russland. Mehrere mussten für die Wehrmachtsrüstung bei Kronprinz arbeiten. Der Russe Michael Afanasenko (19) arbeitete in Berghausen auf dem Feld. Bei einem Angriff am 22. März 1945 töteten ihn Granatsplitter an der Baumberger Straße. An einer Methylalkohol-Vergiftung starben 1944 die Russen Kain Bilik (62) und Alexeij Udalow (45). Bei anderen heißt es "Herzschlag" oder "Todesursache unbekannt". Der etwa 23-jährige Ukrainer Flamath Opatry starb wie drei weitere aus dem Sammelgrab während der Kämpfe beim Einmarsch der US-Truppen im April 1945. "Todesursache: Kopfschuss" heißt es über den Zwangsarbeiter bei Kronprinz.

Auch zwei von russischen Zwangsarbeiterinnen geborene Babys sind nun namentlich bekannt: Nelly Aprimova, erst zwei Monate alt, starb im September 1944 an einer Angina. Ihre Mutter, Zwangsarbeiterin bei den Deutschen Röhrenwerken, kehrte im März 1945 "mit Sammeltransport" nach Russland zurück. Der drei Monate alte Michael Jhodakow, Sohn einer in Berghausen gemeldeten russischen Landarbeiterin, starb im Februar 1944 an einer Lungenentzündung.

Der Text über den 16 Namen, den Marina Horneber vom Langenfelder Steinmetzbetrieb Pache mit dem Schrifthammer in den Stein gemeißelt hat, lautet: "Hier ruhen russische, ukrainische und polnische Kriegstote". Laut Britta Lenz vom städtischen Kulturbüro kommt der Stein in Kürze an die gleiche Stelle, an der er ohne Namen stand.

(RP)
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