Fatih Cevikkollu "Ich weiß gar nicht, ob Frauke Petry zu Deutschland gehört"

Langenfeld · Am Samstag, 7. Mai, tritt der türkisch-kölsche Kabarettist ab 20 Uhr im Bürgerhaus Baumberg auf. "EmFatih" heißt sein fünftes Solo-Programm.

MONHEIM Voll Mitgefühl präsentiert sich Fatih Çevikkollu am Samstag, 7. Mai, ab 20 Uhr im Bürgerhaus Baumberg, Humboldtstraße 8. "EmFatih" heißt das mittlerweile fünfte Solo-Programmdes türkisch-kölschen Kabarettisten.

Herr Çevikkollu, heute Mainz, morgen München und nächsten Samstag Monheim: Bekommt Ihre Familie Sie derzeit viel zu Gesicht?

Çevikkollu Ich versuche schon, zwischendurch mal nach Hause zu kommen...

Ihre Tochter ist jetzt neun. Wie erklärt sie ihren Freundinnen den Beruf ihres Vaters?

Çevikkollu Sie sagt: Mein Papa geht auf die Bühne, redet, und die Leute lachen.

Das passiert manchen Politikern ja auch...

Çevikkollu ... aber bei denen ist es eher unfreiwillig...

Immerhin sagte Frauke Petry jüngst im RP-Interview, dass "integrierte Muslime zu Deutschland gehören".

Çevikkollu Ich weiß gar nicht, ob Frauke Petry zu Deutschland gehört. Aber die müssen wir ja auch aushalten.

Nach den Vorfällen in der Silvesternacht haben Sie mit anderen Kölner Intellektuellen die "Kölner Botschaft" formuliert, in der Sie sich gegen Sexismus, aber auch gegen fremdenfeindliche Hetze stellen. Wie ist das aufgenommen worden?

Çevikkollu Sehr unterschiedlich, weil jeder seine persönlichen Ängste hineinprojiziert. Aber Angst blockiert. Da gibt es nur noch die Reflexe "Angriff" oder "Flucht". Dass Karnevalszüge abgesagt und Schwimmbäder für Menschen mit Migrationshintergründen geschlossen werden, schürt die Angst vor dem offenbar per se "gefährlichen muslimischen Mann".

Wie begegnen Sie dieser Angst?

Çevikkollu Mit Humor - das ist die beste Antwort auf Vorurteile. Angst trennt, Lachen verbindet.

Sie sind selbst Moslem, aber irgendwie auch katholisch sozialisiert...

Çevikkollu Da bleibt einem in Köln auch fast nichts anderes übrig! Nachdem ich in einem katholischen Krankenhaus geboren wurde, habe ich zwangsläufig einen katholischen Kindergarten und die katholische Grundschule besucht. Hat mir ebenso wenig geschadet wie unserer Tochter. Die kam mal aus dem Kindergarten und fragte meine Frau: "Mama, bist du Christ oder Moslem?" Auf die Antwort "Ich bin Christin und der Papa Moslem" schlussfolgerte sie: "Also sind (alle) Frauen Christinnen und (alle) Männer Moslems?"

Spielt die Religion in Ihrer Familie eine Rolle?

Çevikkollu Nein. Wir feiern zwar das Zuckerfest und haben einen Weihnachtsbaum, damit unsere Tochter die "Basics" kennenlernt. Aber ich würde meine Frau und mich eher als Agnostiker bezeichnen. Ich glaube, Gott hat keine Religion.

Zu Ihrem aktuellen Programm: Wem wünschen Sie mehr "EmFatih"?

Çevikkollu Ich glaube, dass jeder Mensch empathiefähig ist. Aber manche Menschen können das offenbar ausschalten.

Wie meinen Sie das?

Çevikkollu Empathie scheint immer eine Zugehörigkeit vorauszusetzen. Nach den Terroranschlägen in Frankreich waren wir alle "Charlie" oder "Paris". Aber nach den Attentaten in Istanbul oder Beirut leuchtet das Brandenburger Tor nicht in den Landesfarben. Anderes Beispiel: Bei der offiziellen Trauerfeier nach dem furchtbaren Flugzeugabsturz mit 150 Toten in den französischen Alpen platzte der Dom aus allen Nähten, und die Kölner Innenstadt war gesperrt. Wenn ein Boot mit 500 Menschen im Mittelmeer untergeht, interessiert das kaum noch jemanden. Wir leben in einer narzisstischen Gesellschaft. Für mich ist es einfach selbstverständlich, dass wir in erster Linie Menschen sind - und nur zufällig Deutscher oder Türke, Christ oder Moslem, Einheimischer oder jemand, der aus Not fliehen musste.

STEFANIE MERGEHENN STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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