Kreis Mettmann Jürgen Bartsch - ein seelisch schwerkranker junger Mann

Der Mettmanner Jugendgerichtshelfer Dietrich Wilke hat den "Kirmesmörder" Jürgen Bartsch begutachtet. Die Journalistin Nicolette Bohn hat sich Jahrzehnte später mit dem Sozialarbeiter getroffen und seine Erinnerungen niedergeschrieben.

Danach wurde Wilke am 3. Juli 1967 zum ersten Mal im Wuppertaler Untersuchungsgefängnis zu dem Überführten gebracht. "Das ist ein sehr netter junger Mörder. Wir wissen nur Gutes über ihn zu berichten", sagte ihm ein Beamter auf dem Weg zum Hochsicherheitstrakt. Bartsch sitze friedlich in seiner Zelle, höre Radio und übe Zaubertricks. Viele Besuche und Gespräche sollten folgen, bis die Empfehlung des Jugendgerichtshelfers feststand: Wilke forderte therapeutische Behandlung für den "Kirmesmörder" Jürgen Bartsch. Eine Ansicht, mit der er offenbar ziemlich allein dastand. "Aufhängen, Rübe ab: Ich hatte den Eindruck, dass das Urteil schon feststand", erinnerte er sich an den ersten Prozess, der im November 1967 begann.

Erst im Revisionsverfahren vor der Jugendkammer des Düsseldorfer Landgerichts, in dem der Münchener Staranwalt Rolf Bossi die Verteidigung übernommen hatte, kamen auch die psychologischen Hintergründe der grausamen Morde zur Sprache. Jürgen Bartsch stammte aus schwierigen Verhältnissen und war als Kleinkind von einem Velberter Metzger-Ehepaar adoptiert wurden. Von der einem Sauberkeitswahn erlegenen Mutter mit dem Kleiderbügel traktiert, bei Kunstlicht im Keller eingesperrt und von Gleichaltrigen ferngehalten, wurde er später in einem katholischen Internat sexuell missbraucht. Erste Mordfantasien überkommen den damals Zwölfjährigen ausgerechnet bei seinem besten Freund: Der Versuch, ihn vor einen Zug zu stoßen, um sich später an ihm vergehen zu können, scheitert. Mit 15 Jahren lockt er sein erstes Opfer in den Velberter Bunker. Als Dietrich Wilke die "Akte Jürgen Bartsch" nach unzähligen Gesprächen endlich schließen konnte, hatte er darin das Leben eines seelisch schwerkranken jungen Mannes nachgezeichnet. In der Öffentlichkeit blieb seine Sicht der Dinge unverstanden. "Ich war froh, als das endlich vorbei war", erinnerte er sich Jahrzehnte später im Gespräch mit Autorin Nicolette Bohn.

Jürgen Bartsch wurde im Revisionsverfahren zu zehn Jahren Jugendhaft mit anschließender Unterbringung in einer Heilanstalt verurteilt. Er starb aufgrund eines Narkosefehlers bei seiner Kastration.

(mag)
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