Langenfeld Jugendarbeit per Facebook

Düsseldorf · "Teestube" war gestern, heute plaudern Jugendliche von ihrer häuslichen "Chill-Zone" aus mit Freunden in aller Welt. Das städtische Jugendzentrum stellt sich darauf ein: mit mehr Zielgruppenangeboten und weniger Café-Stunden.

Als Jans Vater Jörg so alt war wie Jan heute, also 15, da ging er regelmäßig in die "Teestube". So nannte sich Ende der 70er Jahre das offene Angebot des örtlichen "Jugendheims". Was genau er da tun würde, ob Karten spielen, Billard oder Darts, dass wusste Jörg meistens noch nicht, wenn er sein Elternhaus verließ. Es war ihm auch egal, denn am wichtigsten in der "Teestube" war das Quatschen mit anderen Jugendlichen. Keine Mutter, die von der Küche aus mithörte, wenn er im Flur, wo der graue Apparat mit der Wählscheibe stand, telefonierte, kein Vater, der ihm bedeutete: "Schluss jetzt, ich erwarte einen Anruf von Kegelbruder Horst!"

Sohn Jan dagegen braucht, um mit der "halben Welt" zu quatschen, noch nicht mal sein Zimmer zu verlassen: Bei Facebook hat er rund 200 "Freunde", außerdem kommuniziert er unter anderem per E-Mail, Handy, SMS und Skype. Das J@Z oder Jugendzentrum an der Fröbelstraße, wie das einstige "-heim" heute heißt, muss sich also schon einiges einfallen lassen, um Jan aus seinem Zimmer herauszulocken. "Und das tun wir", betont J@Z-Leiterin Helga Wefes. In der nächsten Sitzung des städtischen Jugendhilfe-Ausschusses am Mittwoch, 26. Januar (ab 18 Uhr in Rathaus-Raum 187), wird die Sozialarbeiterin ihr Konzept für eine zeitgemäße offene Jugendarbeit vorstellen.

Schon fast 1500 Facebook-Freunde

"Konzept" bedeutet in diesem Fall "Lagebericht", denn das meiste aus dem 23-seitigen Papier wird im J@Z bereits praktiziert. Wie der eigene Aufenthalt im sozialem Internet-Netzwerk Facebook: "Wir haben schon fast 1500 ,Freunde'. Sie alle bekommen unsere Ankündigungen von Konzerten, Workshops et cetera auf ihren Computer, frei Haus sozusagen", freut sich Wefes. Umgekehrt können die Facebook-"Freunde" mit dem siebenköpfigen J@Z-Team in Kontakt treten. "Niedriger als diese Schwelle geht es wohl kaum", unterstreicht die 48-Jährige einen Pluspunkt der digitalen Kommunikationswelt.

Damit möglichst viele Jugendliche das J@Z auch leibhaftig betreten, sprechen dessen Mitarbeiter den Nachwuchs mit gezielten Angeboten an. Besonders gefragt sind der Bereich Musik mit einem eigenen Tonstudio sowie der Fitnesskeller. Mit beidem erreicht das J@Z laut Wefes auch Gymnasiasten, die in den offenen Café-Stunden sonst kaum anzutreffen sind. Insgesamt verliert der Plaudertreff zwar an Zuspruch, doch ein Stammpublikum – das ist sich die J@Z-Leiterin sicher – wird er stets behalten: "Kommunikation übers Internet hat ihren Reiz, aber die persönliche Begegnung ersetzt das natürlich nicht, spätestens dann, wenn es um Kontakte zwischen Jungen und Mädchen geht."

Im Bereich Musik ist das J@Z bemüht, in Langenfeld eine "Hip-Hop-Szene" zu etablieren. Seit November steigt hierzu am ersten Samstag eines jeden Monats der "Saturday Flava Jam". Von 20 Uhr bis gegen Mitternacht treffen sich Rapper und Tänzer, tauschen sich aus und zeigen, was sie drauf haben. "Dank unseres Kollegen Stephan Götsch, der als Tontechniker vom Fach ist, können wir Einfluss nehmen auf die Songtexte, falls diese zu herb geraten, ohne dass die Jugendlichen sich bevormundet fühlen", beschreibt Wefes den Respekt, den der Experte beim hip-hop-begeisterten Nachwuchs genießt.

Dass die J@Z-Gäste 35 Nationen entstammen, lässt reichlich Konfliktpotential vermuten. "Tatsächlich haben wir hier überhaupt keinen Streit zwischen einzelnen Herkunftsgruppen", versichert die Sozialarbeiterin. Einen Hauptgrund hierfür sieht sie in der "Stabilität des Teams" : "Wir wissen aus langer Erfahrung mit den Jugendlichen umzugehen und können so früh eingreifen". Teenager aus Zuwandererfamilien versuchen die Pädagogen ebenfalls durch gezielte "längerfristige Angebote" zu erreichen. Bei den Türken etwa mit Erfolg: "Nach den Jungs, die den Gastarbeiter-Film über ihre Eltern- und Großelterngeneration gedreht haben, betreuen wir jetzt auch eine Mädchengruppe im Moscheeverein an der Industriestraße mit".

(RP)
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