Langenfeld/Monheim "Käßmann kommt wieder"

Düsseldorf · Evangelische Pfarrer aus Langenfeld und Monheim sind sich einig, dass die gefallene EKD-Ratsvorsitzende nicht "von der Bildfläche" verschwindet. Ob der Rücktritt nötig war, darüber gehen die Meinungen auseinander.

2010: Margot Käßmann erklärt ihren Rücktritt
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Angela Schiller-Meyer von der Immigrather Erlöserkirche hat verblüffend viel mit Margot Käßmann gemeinsam: 51 Jahre alt, vier Kinder, geschieden, Pfarrerin. "Ich trinke aber keinen Alkohol", sagt die Seelsorgerin von der Hardt, und das meint sie nicht etwa selbstgerecht, sondern mitfühlend.

"Extremem Stress mit Alkohol zu begegnen ist ja recht verbreitet — dass ich dieser Versuchung kaum erliegen kann, hat einfach mit der Tatsache zu tun, dass ich alkoholische Getränke nicht mag", sagt Schiller-Meyer zum Rücktritt Käßmanns vom Amt der EKD-Ratsvorsitzenden und Landesbischöfin in Hannover nach deren Trunkenheitsfahrt (1,54 Promille) am vergangenen Samstag.

"Menschenwürdige Kirche"

Dass die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ihre populärste Persönlichkeit fürs erste verloren hat, sieht Schiller-Meyer weniger als Verlust, denn als Zeichen einer "menschenwürdigen Kirche". Der EKD-Rat habe ihrer Vorsitzenden ja das Vertrauen ausgesprochen und ihr und anderen somit deutlich gemacht: "Auch wenn ich Fehler gemacht habe, bin ich nicht verloren, darf ich so sein".

Zugleich habe Käßmann selbst die eigene Überforderung gerade nicht ignoriert und dadurch auch anderen — "Politikern wie auch Menschen, die nicht so im Fokus der Öffentlichkeit stehen" — die Chance gegeben, es ebenso zu halten. "Auch Jesus hat sich zurückgezogen, nicht nur in die Wüste, sondern für kürzere Zeit immer wieder, hat die Menschen, die Erwartungen an ihn hatten, auch mal stehengelassen", erinnert Schiller-Meyer an d a s Vorbild der Christenheit überhaupt.

Peter Becker (52), Pfarrer an der Friedenskirche in Baumberg, schätzt nach eigen Worten die "Jugendlichkeit" und "Gradlinigkeit" der gefallenen Bischöfin, die nun wieder Pfarrerin ist: "In den vier Monaten, in denen sie der EKD vorstand, hat sie der Evangelischen Kirche ein deutlich menschlicheres Antlitz gegeben als ihre Vorgänger in den Jahrzehnten zuvor." Aber Becker weiß auch: "Als Pfarrer oder Bischof ist man immer Amtsperson, auch privat, und wird ethisch an hohen Maßstäben gemessen."

Zugleich ist der Baumberger Pfarrer zuversichtlich, dass Käßmann der Kirche als profiliertes Gesicht erhalten bleibt, mindestens als Autorin vielverkaufter Bücher wie "In der Mitte des Lebens" oder "Mütter der Bibel" — "vielleicht auch wieder in öffentlichkeitswirksamen Ämtern".

Das hofft auch Christof Bleckmann (45), Pfarrer an der Martin-Luther-Kirche in Reusrath. Was ihm gar nicht behagt an diesem und ähnlich gelagerten Fällen, bei denen der Rücktritt auf allzu menschliche Verfehlungen eines Großkopferten folgt, ist dieses: Statt sich zu fragen: "Wie gehe ich damit um, wenn ich selber Fehler gemacht habe", delegiere das Publikum Verantwortungsbewusstsein an bestimmte Prominente, die, gleichsam stellvertretend fürs Volk, höchsten Ansprüchen genügen müssten. "Oder treten Sie zum Beispiel als Vater zurück, wenn Sie, zum Beispiel, mal ihrer Vaterrolle nicht gerecht wurden?"

"Im Sinne der Glaubwürdigkeit"

Tanja Kraski (36), Pfarrerin in Baumberg, hingegen hält den Rücktritt der von ihr bewunderten EKD-Repräsentantin für richtig: "Gerade weil sie so hohe Ansprüche an sich und ihr Amt gestellt hat, war dieser Schritt im Sinne der Glaubwürdigkeit nötig". Käßmanns (Interims-)Nachfolger, ihren bisherigen Stellvertreter Nikolaus Schneider (62), hat Kraski im Düsseldorfer Landeskirchenamt kennengelernt, in dem sie bis vorigen Sommer als Theologische Mitarbeiterin tätig war. Die "moderne, feministische" Ausstrahlung seiner Vorgängerin habe er natürlich schon wegen seines Alters nicht — "aber er ist ein überaus seelsorglicher Typ, den Menschen sehr zugewandt".

(RP)
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