Monheim Kinderschutz: Sportvereine sorgen vor

Monheim · Das geplante Qualitätssiegel kommt für viele Träger zwei Jahre zu spät. Dennoch: Volle Sicherheit garantiert es nichten.

 Viele Sportvereine haben schon vor zwei Jahren Verhaltensregeln zum Schutz von Kindern vor Übergriffen festgelegt.

Viele Sportvereine haben schon vor zwei Jahren Verhaltensregeln zum Schutz von Kindern vor Übergriffen festgelegt.

Foto: Matzerath

Nicht gerade euphorisch nehmen die freien Träger der Jugendarbeit die Initiative der Stadt auf, ein Qualitätssiegel "Gemeinsam aktiv für Rechte von Kindern und Jugendlichen" einzuführen. Für Sportvereine und die kirchliche Jugend kommt sie ohnehin zu spät, da diese bereits über ein eigenes Regelwerk verfügen, um grenzüberschreitendem Verhalten und sexualisierter Gewalt gegenüber Kindern vorzubeugen. Sie sorgen sich, dass das Einfordern eines erweiterten Führungszeugnisses die ohnehin mühsame Rekrutierung von Ehrenamtlern weiter erschweren werde.

"Uns ist bewusst, dass das Thema Kinderschutz in Sportvereinen brisant und immer wieder aktuell ist", sagt Helmut Wilk, Vorsitzender des BTSC. Deshalb folgt der Baumberger Verein seit zwei Jahren den Empfehlungen des Landessportbundes, von jedem Übungsleiter und ehrenamtlich Tätigen ein erweitertes Führungszeugnis zu verlangen. Außerdem muss jeder Übungsleiter einen Ehrenkodex unterschreiben, wonach er sich verpflichtet, die Rechte der Kinder zu achten. Dennoch sei der Vorstand dafür, das Qualitätssiegel zu erwerben, weil es den Eltern signalisiere, dass im BTSC Mindeststandards erfüllt sind. Auch wolle man gleich mehrere Ansprechpartner und einen Mediatoren bestimmen. "Obwohl sich Jugendliche selten an ein solches Regelwerk halten und sich im Notfall an die Personen wenden, die für sie wichtig sind", sagt Wilk. Er hofft, dass diese Initiative keinem blinden Aktionismus entspringt, sondern nachhaltig betrieben wird. "Ein negatives Beispiel sind die Notfallinseln, die hat man stiekum versanden lassen."

Auch der 1. FC Monheim befasst sich seit längerem präventiv mit dem Schutz der Kinder und Jugendlichen etwa vor sexualisierter Sprache, erklärt Wolfgang Eisenblätter, Leiter der Jugendabteilung. Das Thema gehöre zum Ausbildungskonzept des Fußballverbandes Niederrhein. Der Fußballverein habe bereits vor zwei Jahren angefangen, Maßnahmen festzulegen. Die soziale und fachliche Kompetenz von neu einzustellenden Trainern und Betreuern versuche man anhand von Referenzen und Führungszeugnissen abzuklopfen. Zusätzlich gebe der Verein bestimmte Verhaltensregeln vor, insbesondere was die Betreuung der Mädchenmannschaften betrifft. "So darf ein männlicher Trainer nur in Begleitung von zwei Frauen in die Kabine." Auch er sieht das Benennen von Ansprechpartnern kritisch. Für praktikabler hält er einen schwarzen Briefkasten, über den die betroffenen Kinder anonym ihre Nöte mitteilen können. Das Qualitätssiegel signalisiere zwar nach außen, dass man sich mit dem Thema befasst. "Eine 100-prozentige Sicherheit können wir aber nicht bieten."

Beim Stichwort "erweiterte Führungszeugnisse" verstehen die Karnevalisten keinen Spaß mehr. "Das musste noch kein Trainer unserer Tanzgarden vorlegen, das sind hier gewachsene Strukturen, man kennt sich seit Kindesbeinen", erklärt Moritz Peters, Sitzungspräsident der Gromoka. Zudem sei die Jugendarbeit bei der Gromoka nur "Saisongeschäft", in die Begleitung des Prinzenpaars seien die Eltern eng eingebunden. Er persönlich erachte diese Art der Zertifizierung für relativ unnütz. "Natürlich würde niemand jemanden mit einschlägigen Vorstrafen als Übungsleiter einstellen", so der Fachanwalt für Strafrecht. Der beste Schutz sei, Kindern ein vernünftiges Gefühl dafür zu vermitteln, ab wann das Verhalten von Erwachsenen übergriffig wird. Seiner Ansicht nach könne dieses Siegel leicht dazu benutzt werden, den Schwarzen Peter wegzuschieben, von wegen: "Wir haben ja vorgebeugt."

Auch Peter Rischard, der für die Evangelische Jugend mehrfach im Jahr Fahrten organisiert, ist mit dem Thema vertraut, da der Dachverband schon vor Jahren Mindeststandards für die Qualifizierung von ehrenamtlichen Helfern herausgegeben hat. "Ein Führungszeugnis allein sagt ja nichts über einen Menschen aus." Er findet bedenklich, dass das Verhältnis zwischen freiwilligem Engagement und den Anforderungen, sich zu qualifizieren und zertifizieren, zunehmend in eine Schieflage gerät. "Woher sollen die Helfer noch die Zeit nehmen?"

(RP)
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