Langenfeld Liebe wider den Rassenwahn

Langenfeld · Der Jurist Alfons Dür erzählt in seinem gerade erschienenen Buch "Unerhörter Mut – Eine Liebe in der Zeit des Rassenwahns" von der Langenfelder Jüdin Edith Meyer und dem Kölner Arbeitersohn Heinrich Heinen.

 Buchautor Dür (m.) mit Vertretern aus Langenfeld im Flügelsaal.

Buchautor Dür (m.) mit Vertretern aus Langenfeld im Flügelsaal.

Foto: rm-

Der Jurist Alfons Dür erzählt in seinem gerade erschienenen Buch "Unerhörter Mut — Eine Liebe in der Zeit des Rassenwahns" von der Langenfelder Jüdin Edith Meyer und dem Kölner Arbeitersohn Heinrich Heinen.

Eine große Liebe, eine waghalsige Flucht, Auschwitz — das ist die Geschichte Edith Meyers, einer Langenfelder Jüdin, an die ein "Stolperstein" vor der Stadthalle erinnert, und ihres Verlobten Heinrich Heinen. In seinem soeben erschienenen Buch "Unerhörter Mut — Eine Liebe in Zeiten des Rassenwahns" rekonstruiert der Vorarlberger Jurist Dr. Alfons Dür diese Geschichte. Nie zuvor ist über ein mit dieser Stadt eng verwobenes jüdisches Schicksal ähnlich umfassend berichtet worden.

Flucht über 3000 Kilometer

Wie aber kommt der langjährige Präsident des Landgerichtes Feldkirch zu dieser Geschichte? Rückblende: Es ist der 1. September 1942, ein Dienstag. Heinrich Heinen rastet mit Josef Höfel auf einer Bank in Oberklien, einem Stadtteil von Hohenems. Die beiden Männer sind auf der Flucht, ausgebrochen aus der Strafanstalt des Landesgerichts Feldkirch. Dort waren Heinen und seine aus Langenfeld stammende "Braut" Edith Meyer inhaftiert worden. Nach über 3000 Kilometer langer Flucht aus dem Ghetto von Riga, ein paar Kilometer von der rettenden Schweizer Grenze entfernt. Erst von Konstanz, dann, am 23. Juni, probiert das Paar von Feldkirch aus die Grenze zu passieren. Sie werden festgenommen. Bei der Aufnahme ins Gefängnis sehen sie sich zum letzten Mal.

In Zelle 52, wo Heinen mit sechs weiteren Männern, darunter Höfel, einsaß, hat Dür viel später selbst noch (rechtsstaatlich) Inhaftierte vernommen. Die Geschichte kam, genau genommen, zu ihm.

Einen Tag vor Heinens neuerlichem Ausbruchsversuch war seine Verlobte nach Innsbruck verlegt worden. Von dort aus wurde sie nach Auschwitz deportiert. Heinen aber wird davon nie erfahren. Vergeblich war er an jenem 1. September mit den Schlüsseln eines überwältigten Wärters von Zelle zu Zelle geeilt, um Edith zu finden. Jetzt war er erschöpft. Von einem Fenster aus beobachtet eine Frau die beiden Ausbrecher Heinen und Höfel.

Bald darauf sind sie von Polizisten umzingelt. Heinen schießt — und wird dann selbst von zwei Kugeln aus dem Karabiner eines Grenzschützers getroffen: "Nach kurzem Feuergefecht gelang es, die Verbrecher kampfunfähig zu machen", heißt es dazu lapidar in einem Polizeibericht. Dür ist bei alldem kein prosaischer Arrangeur. Er bleibt Forensiker. Verleiht den Akten eine Stimme, schöpft aus Vernehmungsprotokollen, setzt einzelne Erkenntnisse daraus behutsam mit anderen zu einem größeren Ganzen zusammen.

Den Eifer hat er irgendwann selbst entwickelt. Zunächst aber brauchte es eines Anstoßes. 1997 erreichte Dür eine Anfrage von Günter Schmitz aus Langenfeld, dem Vorsitzenden des VHS-Arbeitskreises Geschichte. Ob es in Feldkirch Archivmaterial zu Edith Meyer gebe. Bald darauf fragte ein zweiter Historiker. Von jetzt an lässt Dür das Thema nicht mehr los. 2008 geht er gar in Frühpension, um sich ganz der Recherche zu widmen. Spricht mit Historikern, reist, lässt nicht locker. Und hat nun dazu beigetragen, diese tragische Liebesgeschichte vor dem Vergessen zu bewahren.

(maxl)
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