Ostern Eine Runde Sache Mollige - modisch ohne Lobby

Langenfeld · Von wegen dick im Geschäft: Viele Textilläden haben die Tuchfühlung mit Kunden verloren, die zu klein sind für ihr Gewicht.

Das Runde muss ins Eckige, und das ist keine leichte Übung: Männerhosenkauf in einem ganz bewusst ausgewählten Fach-Einzelhandelsgeschäft. Der kompetente Kleiderberater präsentiert seine Vorschläge in Beige, Dunkelblau, Dunkelgrau und Schwarz. Keine Spur von bunten, modischen, leicht-luftigen Hingucker-Chinos - jenen Hosen für Frühling und Sommer, die nun angesagt wären. Na klar gibt es die; aber leider nur bis Größe 54, maximal 56. Dann ist aber Schluss.

"Leider...", beeilt sich der Kleiderberater hinzuzufügen und spart nicht an einem musternden Blick von oben nach unten. So endet der Gang in die Umkleidekabine in Empörung: Entweder kneift der Knopf am Bauch. Alternativ spannt das Beinkleid bereits im Stehen im Oberschenkelbereich. "Es sieht fabelhaft aus!" flötet der umsatzorientierte Verkäufer. Oder die Verhüllung für ein mittleres Kinderkarussell schlottert schon im leichten Zug der ladeneigenen Klimaanlage von oben bis unten. Auch das entzückt den augenscheinlich schmerzfreien Fachberater: "Es steht ihnen wirklich ausgezeichnet." Ja von wegen!

Eigentlich sind wir Dicken ja die Mehrheit. Zwei Drittel aller Männer und die Hälfte aller Frauen gelten als zu schwer für jede Normtabelle. Bereits sechs Jahre ist es her, seit das Forschungszentrum Hohenheim exakt 13 362 Frauen und Männer durch einen Ganzkörperscanner geschoben und festgestellt hat: Deutsche Frauen sind im Durchschnitt um einen Zentimeter gewachsen, haben an der Taille um 4,1 und an der Hüfte um 1,8 Zentimeter zugelegt. Der Brustumfang ist immerhin um rund 2,3 Zentimeter üppiger geworden. Bei den Männern hat sich noch mehr getan: Gegenüber der bis dahin letzten Messung im Jahr 1980 wuchs der Brustumfang um 7,3 Zentimeter, der Taillenumfang um 4,4 und der Hüftumfang um 3,6 Zentimeter. Die Körpergröße hat durchschnittlich um 3,2 Zentimeter zugenommen.

Und was macht die Modeindustrie? Abercrombie & Fitsch hat die XXXS als neue Größe eingeführt, für wen auch immer. Modells mit Kleidergröße 38 gelten als "Super Size". Eine "40"? Schocking! Dass dabei die Tuchfühlung mit dem normalen Kunden verloren geht, scheint schon für ein schlechtes Gewissen zu sorgen, irgendwie. Ein namhaftes Bekleidungshaus, das an der Hildener Mittelstraße residiert, bittet um einen Tag Bedenkzeit auf die Frage, ob denn auch Dicke als Kunden willkommen seien und bis zu welcher Größe es Sinn mache, sich auf die neuste Mode zu freuen.

Während die Werbung anderswo das Wort "Übergrößen" durch das ungemein ölige "Happy Size" ersetzt hat und gestandene Zeitungen auch mal über dicke Models berichten wie über gerade entdeckte Tiefsee-Monster, bleibt für einen normalen Menschen die Frage: Was ziehe ich bloß an?

Die beste Ehefrau von allen - wohl genährt und gut gerundet - rollt mit den Augen. Sie ist Realistin: "Ab einer gewissen Kleidergröße bleibt nur noch die Wahl zwischen Beige oder groß gemusterten Blumen in hässlichen Farben." Auch gern angeboten: eine üppige Oberweite bei Damen, die durch glitzernde Pailletten noch betont wird; warum auch immer. Wirklich schöne, modische Teile scheinen noch vor Erscheinen einer Kollektion und Ladenöffnung unter der Hand unter den Verkäuferinnen verteilt zu werden. Wer da keine Beziehungen hat, geht leer aus.

Bei Spezialläden für Menschen mit schweren Knochen - wie Oma früher tröstend sagte: "Der Junge hat schwere Knochen" - bei solchen Läden muss man einige Jahre ansparen, um ein leidlich aktuelles Sakko oder gar einen Anzug bezahlen zu können. Die sind besonders dick im Geschäft.

Fazit: Natürlich sind nicht alle Fachberater im Modehandel so ignorant, wie soeben dargestellt. Die guten machen Menschen, die sie treffsicher beraten, zu Stammkunden. Gefühlt sind sie aber zu wenige. Das gilt auch für Übergrößen-Läden und für die Auswahl an klasse Klamotten in reellen Größen. Das Runde hat in der Mode keine Lobby.

(dne)
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